BONAPARTE & SOPHIE HUNGER, 27.07.2023, Echazhafen, Reutlingen
Ahoi, ihr Landratten! Heute melden wir uns aus der Hafenstadt Reutlingen! Schon längst wollten wir mal aus dem Containerhafen an der Echaz berichten. Und der gemeinsame Auftritt von Partykanone Bonaparte und Lieblings-Schweizerin Sophie Hunger beim HafenSounds-Festival ist wahrlich Grund genug, an die Waterkant am Fuße der Alb zu reisen. Schon die Ankunft ist ebenso überraschend wie erfreulich: Auch wenn dem „Echazhafen“ ein wenig das maritime Flair fehlt und er über eine dröge Betonwüste erschlossen wird, als Openair-Gelände ist er top. Ein bestens geeigneter Platz, mitten in der „kleinen Großstadt“, mit sanftem Gefälle zur Bühne (ganz wie im direkt angrenzenden Franz K.) und mächtigen schattenspendenden Platanen. Die Schallschutzwand, die Bühne und die reichlich vorhandenen Catering-Spots sind aus Übersee-Containern gebaut und das wirkt lang nicht so nüchtern, wie es vielleicht klingen mag. Jedenfalls spürt man jeder Ecke, dass die Initiatoren und Betreiber des Open-Air-Areals, nämlich die Leute aus dem Franz K., definitiv wissen, wie man einen perfekten Rahmen für Konzerte schafft.
Der Hafen ist gut gefüllt, als gegen halb neun die beiden Eidgenoss:innen Tobias Jundt aka Bonaparte und Sophie Hunger mit ihrer dreiköpfigen Band die Bühne betreten und ohne große Ansprache loslegen. Gleich zu Beginn gibt es „Anti Anti“, den Bonaparte-Hit, mit dem man in den 2010er-Jahren jeden Dancefloor füllen konnte. Sound und Licht sind brillant, die Band makellos aufspielend, allen voran Alexis Anérilles an Keyboards und Flügelhorn. Die Frage, ob mehr Bonaparte-Fans oder Sophie-Hunger-Supporter da sind, lässt sich nicht eindeutig beantworten. Was aber klar ist: Ohne die trashigen Verkleidungs-Orgien und die immer leicht ins Chaos abdriftende Live-Show, die wir mit Bonaparte aus früheren Jahren verbinden, ist dies doch ein recht konventioneller Rocksong und nicht die Party-Granate, die wir im Hinterkopf hatten.
Der Abend ist als Wechsel zwischen den beiden Protagonist:innen angelegt und ist tatsächlich eine All-Hits-Show. Sophie Hunger, die uns bisher mit jedem Konzert überraschen und bezaubern konnte, ist in diesem relativ straighten Rock-Setting vielleicht nicht ganz so zwingend wie vor zwei Jahren auf dem Maifeld Derby, mit Chor und minimalen Akustik-Setup. Aber es ist natürlich immer ein großes Vergnügen, ihrer ganz eigenen Stimmen zu lauschen und die altbekannten Hits zu feiern.
Im Prinzip ist auch dieses Konzert, wie so viele Events der letzten Zeit, ein Produkt der Pandemie. Damals haben sich Bonaparte und Hunger zu einer Lockdown-Session zusammengefunden, aus der die EP „1“ mit vier starken Songs entstand, die natürlich alle an diesem Abend gespielt werden und die inhaltliche Klammer bilden. Das LCD-Soundsystem-Cover „Daft Punk spielen in meinem Haus“ zündet ebenso gut wie die „Putain Putain“.
Und so kurzweilig das auch alles ist, die Highlights des Abends setzt dann doch Sophie Hunger, zum Beispiel mit „Halluzinationen“ oder dem unwiderstehlichen Noir-Désir-Cover „Le Vent Nous Portera“. Mit „Too Much“ und einem Ausflug ins Publikum setzt der „Partykaiser“ Bonaparte einen Schlusspunkt hinter den offiziellen Teil. Natürlich lassen sich die beiden nicht lange bitten und kommen zu einer Zugabe zurück auf die Bühne. Die erste und einzige Publikumsansprache ist dann ein kurzer Bericht vom Spielzeug-Shopping in Reutlingen. Ganz nebenbei erfahren wir so, dass die Kinder mit auf Tour sind. Mit zwei jeweils solo vorgetragenen Liebesliedern verabschieden sie sich, um wenig später zu einer zweiten – lautstark von einer Zuschauerin geforderten – Zugabe in Schwyzerdütsch nochmals zurückzukehren.
Das Fazit des Abends: Einen Besuch des HafenSounds-Festivals empfehlen wir dringend. Mit Culcha Candela, Bosse, Tina Dico, Tocotronic u.a. stehen noch einige sehenswerte Bands auf der Containerbühne. Und was wir auch gelernt haben: „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“ gilt nicht immer. Die Kollaboration von Bonaparte und Sophie Hunger ist sympathisch und durchaus sehenswert, beide sind aber mit ihrer jeweils eigenen Show ein ganz anderes Kaliber.
