LORDI, ALL FOR METAL, 19.04.2024, Im Wizemann, Stuttgart
Wenn die Bühne einer erstklassig trashigen Geisterbahn auf einem verfallenen Jahrmarkt ähnelt und die 80er-Jahre B-Movie Horror-Animatronics zum Leben erwachen, kann es nur ein super Abend werden. Wer sich zu erwachsen fühlt für Heavysaurus und keine Lust auf eine ausgiebige Dusche nach einem GWAR-Konzert hat, tummelt sich heute Abend in Stuttgart vor der Bühne und heißt Mr. Lordi und sein Gruselkabinett schrecklichst willkommen.
Als ich den Flyer für die Tour sehe, kann ich kaum glauben, dass es eine Band wagt, sich All For Metal zu nennen. Fremdscham macht sich in mir breit und noch vor dem ersten Akkord sehne ich ein rasches Ende herbei. Nach eben jenem revidiere ich nun meine Aussage, denn All For Metal legen los wie ein Rudel Bluthunde, das man von den Ketten lässt. Sänger Tetzel, vielen bekannt als Frontmann der Melodic-Deather Asenblut, füllt dabei allein schon die Hälfte der Bühne mit seiner hünenhaften Gestalt.
Sagen wir es so: Wenn sich beim Konzert der Band Craving in Bamberg die Veranstalter echauffierten, dass sich der Gitarrist das T-Shirt ausgezogen hat und sich weibliche Besucher eventuell belästigt gefühlt haben könnten – bitte All For Metal niemals einladen. Schwitzende, halbnackte Leiber, angespannte Muskeln und das Schwingen von Schwertern und Hämmern. Als wäre das alles nicht schon genug provokante Männlichkeit, gibt es auch noch leicht bekleidete Tänzerinnen, die den dunklen, röhrenden Tetzel und den in glasklaren, schwindelerregenden Höhen singenden Antonio Calanna umgarnen. Die beiden Damen am Bass und der Gitarre lässt das alles recht kalt und sie liefern eine absolut tighte Performance ab. Musikalisch steht selbstbeschreibend Heavy Metal auf der Speisekarte und das definitiv auf Sterneniveau. Ich bin extrem begeistert davon, wie schamlos klischeehaft Sänger Tetzel zu „Raise Your Hammer“ mit einem überdimensionalen „Thor-Hammer“ einen Tisch zerlegt oder zu „Mountain Of Power“ die Muskeln anspannt und Stuttgart auffordert, mit ihm zu flexen. Genialer Support von dem ich mir als Abschluss noch ein Cover des Manowar-Klassikers „Pleasure Slave“ gewünscht hätte, um den Auftritt abzurunden.
(Für die Älteren unter uns:
fle·xen
/fléxen/
„Flexen“ ist ein Wort aus der Jugendsprache. Wenn du zum Beispiel ständig allen erzählst was für ein teures Auto du hast, dann „flext“ du damit. Wenn du etwas nur tust, um damit anzugeben, kannst du auch sagen, du machst das „nur für den Flex“.)
Die Tickets für die gruselige Fahrt durch die finnische Monsterwelt sind gelöst und wir sind gespannt, was da im Dunkeln lauert. Vorweg möchte ich erwähnen, ich liebe Bühnenkulissen und pompöse Bühnenoutfits. Ich habe mich, seit ich für den Gig-Blog schreibe oder fotografiere, jedes Mal für Konzerte von Lordi eingetragen und heute soll es das erste Mal klappen. Als die letzten Töne von Kiss´ „God Of Thunder“ ausklingen, wird die Bühne von reptilienartigen Trollen, Robokobolden und natürlich Mr. Lordi eingenommen. Am Schlagzeug sitzt Dracula und das Keyboard übernimmt eine weibliche Puppe im Knochengewand. Fantastisch! Mit „Unliving Picture Show“ und „Lucyfer Prime Evil“ startet man mit zwei Songs des aktuellen Albums „Screem Writers Guild“, bevor es mit „My Heaven Is Your Hell“ und „Blood Red Sandman“, zu dem Mr. Lordi eine süße Schlafmütze trägt, mit den absoluten Lordi-Evergreens weitergeht. Mr Lordi präsentiert uns nach jedem Song seine ausgeprägten Deutschkenntnisse – eine Auslese feinster Schimpfwörter und der Vergewisserung, dass er genau wisse was „Ja Ja“ in Deutschland bedeutet.
Wie schon eingangs erwähnt, wirkt nicht nur die Bühne so, als könnte man auf dem Frühlingsfest durch sie hindurchfahren – auch die Special-Effects zu einzelnen Songs sind absolut genial trashig. „Wake The Snake“ ist wörtlich zu nehmen – denn im Arm dazu hält Mr. Lordi ganz in Alice Cooper Manier eine Boa Constrictor – zwar aus Stoff – doch dafür strömt Nebel aus all ihren Körperöffnungen. Meint man, das kann doch an Spezialeffekten nicht mehr zu toppen sein, antwortet Mr. Lordi völlig emotionslos mit „Hold My Beer“ und zückt eine noch größere, weitreichendere Nebelkanone und zum Ende von „Scarecrow“ schnellt ein Skelett in bester Jumpscare-Manier in Richtung Publikum. Und wäre dies alles noch nicht genug, bekommt auch jedes Bandmitglied noch genug Zeit für ein Solo.
Die Monsterparty erreicht nun ihren endgültigen Höhepunkt, als Lordi die ganz große Hitkeule herausholt. Es darf getanzt werden und „Shake your Arsch“ zu „Devil Is A Loser“ und „Would You Love A Monsterman“. Ach ja, da war ja noch was. Ich musste es erstmal googeln und feststellen, wie schnell uns die Zeit durch die Hände rinnt. Es ist mittlerweile 18 Jahre her! Da standen Lordi in Griechenland auf der Bühne und haben Finnland beim Eurovision Song Contest vertreten. Mit 292 Punkten holten sie damals den Sieg für ihr Land und eben dieser Song vollendet heute Abend diese kurzweilige Spukshow.
Für Finnland, für Stuttgart, für alle Metalheads around the world:
Hard Rock Hallelujah