BONAPARTE, 25.10.2010, Wagenhallen, Stuttgart

Bonaparte

Foto: Steffen Schmid

Die Schlange vor den Wagenhallen ist riesig an diesem Montag. Hauptsächlich sehr junge Leute sind gekommen, um die hochgelobte Show der Schweizer Punkrocker um Sänger Tobias Jundt zu erleben. Aber auch der ein oder andere ältere Fan lässt es sich nicht nehmen, draußen in der Kälte auf den Einlass zu warten. Auch ich freue mich riesig, da ich Bonparte auf dem Southside leider verpasst hatte. Das Zelt war proppenvoll und wir sind nicht mehr reingekommen. Also dann, mein erstes Mal Bonaparte live. Hatte das Publikum etwas punklastiger erwartet, aber macht ja nichts. Auch Schüler und Studenten können feiern. Manch einer im Publikum hat sogar zaghafte Versuche unternommen, seinen Idolen schminktechnisch nachzueifern.

Kurz nach 21 Uhr ist es dann so weit. Auf eine Vorband wird konsequenterweise verzichtet. Eine Horde wild und fantasievoll gekleideter Musiker und Tänzer betritt die Bühne. „Do you want to party with the Bonaparte?“ werden wir gefragt. “Jaaaa” brüllt es aus der ausverkauften Halle zurück. Und schon geht eine Party los, die ihresgleichen sucht. Vor der Bühne springen die Fans mit verzückten Gesichtern durcheinander, als ob es kein Morgen gäbe. Auf der Bühne liefern Bären, Hasen mit Engelsflügeln, Barockdamen, Hofnarren und andere undefinierbare Gestalten den passenden Soundtrack dazu. Bonaparte hauen direkt auf die Zwölf, zentral aufs Ziffernblatt. Wer Musiker ist und wer Tänzer, lässt sich oft gar nicht so leicht unterscheiden.

Bonaparte

Foto: Steffen Schmid

„Visual Trash Punk“ wird das Ganze im Internet auch genannt. Das trifft es ganz gut. Bonaparte sind mehr als nur eine Band. Bonaparte sind ein Gesamtkunstwerk. Die Bühnenshow ist nicht nur unterhaltsames Beiwerk, sie ist fester Bestandteil einer Band, die sich auch visuell ausleben will. Ich kann mir gut vorstellen, dass so mancher ältere Mensch kurz vor dem Herzkasper stehen würde, wenn er sehen könnte, was hier heute passiert. Amerikanische erzkonservative Christen haben neulich erst Harry Potter als den Teufel bezeichnet. Was würden die erst hierzu sagen?

Spätestens bei ihrem Hit „Anti Anti“, bekannt aus der Studi-Komödie „13 Semester“, brechen dann auch die letzten Dämme. Fans erklimmen die Bühne, diven zurück ins Publikum und lassen sich selig grinsend auf Händen umhertragen und selbst im hintersten Eck der Halle wird das Tanzbein geschwungen. Ich bin einer der wenigen, die sich bänderrissgeplagt zurückhalten. Immerhin, für ein leichtes Wippen reicht es dann doch noch.

Nach knapp einer Stunde verlassen Bonaparte die Bühne. Sie sind allerdings auch schnell wieder zurück und jetzt artet es erst so richtig aus. Wodkasaufende Nonnen, Lackladies, die sich mit blutenden Organen einreiben, stringtangatragende Pferde, eine Fetisch-Dame, die sich auch ihre letzten verbliebenen Klamottenreste mit einer Schere vom Leib schneidet… ich krieg die skurrilen Gestalten gar nicht mehr alle zusammen. Zu viel nackter weiblicher Haut gesellt sich auch eine Menge nackter männlicher Haut. Bonaparte rockt derweil, was das Zeug hält. Das ist nichts für Musik-Feingeister, das ist einfach nur für Leute, die Spaß haben wollen. „Wir sind keine Menschen, wir sind Tiere“ brüllen Bonaparte ins Mikrofon und man nimmt es ihnen ab. Nach zwei Stunden ist das Spektakel dann vorbei und Bonaparte lassen eine verschwitzte, aber dafür umso glücklichere Fangemeinde zurück. Wer Bonaparte noch nie gesehen hat, sollte das bei der nächsten Gelegenheit unbedingt nachholen.

Ein Gedanke zu „BONAPARTE, 25.10.2010, Wagenhallen, Stuttgart

  • 28. Oktober 2010 um 15:28 Uhr
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    Das war stark!

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