NANOWAR OF STEEL, TRICK OR TREAT, 17.04.2024, Im Wizemann, Stuttgart
Der Name der römischen Band „Nanowar Of Steel“ kreuzte irgendwann mal vor Urzeiten meinen Weg. Ehrlicherweise habe ich mich nie wirklich mit dem musikalischen Werk auseinandergesetzt, da die Verbindung Humor und Musik nicht so meins ist (Bad News vielleicht als Ausnahme). Der Name blieb trotzdem hängen. Überrascht war ich dann zu lesen, dass diese Band im „Im Wizemann“ auftreten soll. Weil meine Einordnung: Wer bitteschön soll sich denn so ein nischiges Metal-Parodie Ding in old Stuttgart anschauen? Nun gut, ein ziemlich voller Saal mit etlichen hunderten von Zuschauern ist die Antwort.
Erfreulicherweise schon um 19:45 Uhr betritt der Support die Bühne. Trick Or Treat aus Modena machen gleich klar was hier angesagt ist: European Power Metal, der stark an Helloween orientiert ist. Sänger Alessandro Conti jauchzt sich in bester Kiske Manier in triumphierende Notenhöhen, die zwei Gitarristen spielen erbauende zweistimmige Gitarrenläufe, während der Drummer meist flottes Double-Bass Getrommel darunterlegt. Dass TOT, gerade nachgelesen, als Helloween Tributeband anfingen macht also genau so Sinn wie der Bandname.
Die Band kann für sich verbuchen, mit tatsächlich sehr starken Melodien aufzutrumpfen. Hohes musikalisches Handwerk sehe ich bei diesem Genre einfach mal als gesetzt. Die Ansagen des Sängers zeigen die Band von einer sehr sympathischen und humorvollen Seite. Ein Titel wie „Evil Needs Candy Too“ oder das Cover von „Girls Want To Have Fun“ zeigen von der Entspanntheit der Band, Metal ohne einen Funken Düsternis zu spielen. Das ist einerseits natürlich erfrischend in einem Genre, das manchmal von zu großer Ernsthaftigkeit geprägt scheint, andererseits sind 40 Minuten jubilierenden, fröhlichen Metals, trotz aller Stärke im Songwriting, für meine Ohren etwas schwierig. Trick Or Treat werden aber abgefeiert und dürfen zufrieden von der Bühne gehen (mitsamt ihren zwei aufblasbaren Gespenstern).
Nanowar Of Steel sind dann irgendwie doch sehr anders. Auch sie nehmen nicht alles zu ernst. Bzw., eigentlich nehmen sie nur die musikalische Huldigung an den Metal und die instrumentalen Fähigkeiten ernst, aber ansonsten wird überall ein Penis draufgemalt. Oder wie Gitarrist Mohammed Abdul, in einen Interview zu dem Song „Metal Disco“ befragt, sagt: „Wir versuchen so verzweifelt, Metal Boomer wütend auf uns zu machen, dass das alles ein wenig aus dem Ruder gelaufen ist.“ Was heute Abend präsentiert wird ist hochgradig albern, hochgradig dumm und gleichzeitig schlau, hochgradig unterhaltsam, und ein Zitatfeuerwerk sondergleichen.
Der Opener „Barbie MILF Princess Of The Twilight“ schlägt musikalisch in die selbe Kerbe des Supportacts. Flotter, melodischer Powermetal, mit queenhaften klassisch-operettenhaften Momenten. Hat so ein „Sparks“-Vibe aber eben als Metal. Die Lyrics sind ein wüster thematischer Mix aus Barbie meets Metalklischees meets Käsesorten. Ja, Käsesorten, bitte nicht fragen. „The Call Of Ctulhu“ ist ein harter, düsterer Metaltrack. Die Band hat mit Mr. Baffo und Potowotominimak zwei Leadsänger. Mal singt der Eine, mal der Andere, mal singen sie zusammen. Bei diesem Song darf Mr. Baffo ran und Potowotominimak trägt eine Ctulhu Maske. Er animiert beim Lalala-Part im Chorus die Zuschauer zu Armbewegungen (hier nachzusehen). Und wirklich jede und jeder macht mit.
„Il cacciatore della notte“ wird auf deutsch angesagt und auf italienisch gesungen. Reminiszenz und Parodie zugleich auf Folk-Metal, klingt es für mich wie Dschinghis Khan mit verzerrten Riffs. Potowotominimak rennt diesmal mit Eulenkostüm auf der Bühne rum. Warum dieser Schabernack für mich, trotz meines Skeptizismus was humoristische Musik betrifft, funktioniert? Da ist einmal die Qualität der Songs. Trotz aller offensichtlichen Zitiererei, sind und bleiben das einfach starke Songs. Zudem wird der musikalische Nerd in einem ständig befriedigt, wenn man wieder eine Anspielung verstanden hat. Außerdem mag ich durchaus auch sinnlosen, pubertären Humor.
Die „Wall Of Love“ ist das nächste Beispiel im Set. Als Gegenstück zur „Wall Of Death“ gedacht, lässt die Band das Publikum zu Klängen von Metallicas „Damage Inc“ aufeinanderzurennen, um es dann mit George Michaels „I Never Gonna Dance Again“ umarmt tanzen zu lassen. Der nächste Wahnsinn folgt mit „Ironmonger„. Der beste Manowar Song seit 1986, den Manowar nie geschrieben haben. Starkes Riff, umwerfende, nach Schwertschlacht und Wikingerparty klingende Melodien, und die Gitarre spielt im Solo NATÜRLICH die „Saxofon-Melodie von Baker Street„.
„Metal Disco“ klingt genauso bekloppt wie der Titel es verspricht. NOS scheinen wirklich sehr wenig Berührungsängste mit allem zu haben. So bekommen wir als Ansage zu einen Song erzählt, dass Burzum, die Ein-Mann-Band des verurteilten Mörders, Rassisten und Nazi Varg Vikernes, dem Gitarristen aus einer Lebenskrise geholfen hat, weil er ihm drei Sachen gelehrt hat. Freundschaft, Handynutzung (glaube ich verstanden zu haben) und Kirchen verbrennen. Als Dank darf das Publikum „Burzum, Burzum“ intonieren, um dann gesagt zu bekommen, dass sie jetzt alle bei facebook gesperrt sind. „Norwegian Reggaeton“ ist dann ein, tatsächlich, Reggaeton mit textlichen Black Metal Referenzen. Ziemliche Leistung, es mit einem Song, in dem Burzum und Darkthrone erwähnt werden, in den ZDF Fernsehgarten geschafft zu haben.
Um die Rezension nicht aus allen Nähten platzen zu lassen, denn die Geschehnisdichte ist unfassbar hoch, stichwortartig noch ein paar Highlights:
- „Metal Boomer Batallion“ ist ein weiterer Uptempo-Power Metal-Kracher mit Ironie satt („We despise and shame, every song that came after 1982!“)
- „Afraid to Shoot Into the Eyes of A Stranger in a Strange Land“ bietet eine musikalisch unglaublich detaillierte Parodienhommage oder Hommagenpardie an Iron Maiden.
- „Armpits Of Immortals“ bezieht sich im Titel auf Manowars „Army Of Immortals“, hat den Segen von Ross The Boss, und ist ein mitreißender True Metal Song („Our Smell Will Never Die“).
- „Uranus“ widmet sich gelungen dem Hair Metal, und schafft es sogar fast unbemerkt ein paar Takte von „Stayin‘ Alive“ einzuschmuggeln.
Gattos Panceri 666s Ansagen auf deutsch sind in ihrer charmanten Unperfektion ziemlich hilarious. Mit „Der Fluch des Käpt’n Iglo“ gibt es auch einen von mehreren Songs mit deutschsprachigen Texten. Dieser Bastard aus Folk- und Piratenmetal würde auch Karnevalsgesellschaften zum Tanzen animieren, selbst wenn sie mit den Zeilen „Knusperbrösel und Klassenkampf“ und „Dein Ziel ist gesamte Panierung der Nordsee“ vermutlich nicht viel anzufangen wüssten. Der letzte Song vor den Zugaben wird mit Schlager-Metal angekündigt und „Das Rote Pferd“ klingt auch danach. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich das von einer deutschen Band furchtbar gefunden hätte. Aber ich glaube, ich kann mich ganz gut in den italienischen, amüsiert-neugierigen Blick reinversetzen, der zu diesem Song geführt haben könnte.
Die ersten Zugaben „Pasadena 1994“ und „La Polenta Taragnarock“ sehe ich mir dann schon als bekehrter Fan an. Der Metal-Gospel „Valhalleluja“ und die reine Mitsingzugabe „Schwanzwald“ (evtl. einer der besten Songtitel ever) runden diesen Irrsinn dann ab. Wenn man es schafft sich darauf einzulassen, sind Nanowar Of Steel wirklich einer der unterhaltsamsten Liveacts, die man sich als Metal-Nerd, aber nicht nur, antun kann. Aber lassen wir Mr. Baffo aus dem anfangs erwähnten Interview das letzte Wort haben:
Was waren die gemeinsten, hasserfülltesten Nachrichten oder Kommentare, die ihr bekommen habt?
Mr Baffo: Für mich persönlich war es „Warum suchst du dir nicht einen Job anstatt mit einer Perücke und einem Tütü auf einer Bühne rumzuhüpfen?“ Dieser Kommentar stammt von meiner Mutter.