MAIFELD DERBY, Tag 2, 04.09.2021, MVV-Reitstadion, Mannheim
Eigentlich sollte es keine Erwähnung wert sein, dass ein Festival-Line-Up ebenso viele weibliche wie männliche Künstler:innen aufweist. Wenn ich aber die saudummen Kommentare unter einem Zitat von Sophie Hunger auf Facebook lese, wird mir mal wieder bewusst, dass das Maifeld Derby nicht nur in dieser Hinsicht eine Insel der Glückseligen ist. Völlig selbstverständlich wird hier schon seit Jahren auf ein ausgewogenes und diverses Booking geachtet. Und wenn es noch eines Beweises gebraucht hätte, dass dies einem Festival nur guttut, dann ist dieser Samstag bestens dafür geeignet.
Meist ist der Samstag der stärkst besuchte Tag und auch dieses Jahr scheint es ein wenig voller zu sein als am Vortag. Das Publikum hat sich aber schon längst an das Regelwerk gewöhnt und ich sehe wirklich niemanden ohne Maske herumlaufen. Rücksicht und Abstand sind eh schon immer eine Selbstverständlichkeit hier. Dass junge Familien ihre Kleinkinder mitbringen und Babies herumkrabbeln lassen, spricht für sich. Volltrunkenes Event-Publikum finde ich hier selbst zur vorgerückten Stunde nicht. Was sicher auch daran liegt, dass eine kostenlose Trinkwasser-Station zur Verfügung steht. So muss niemand in der prallen Sonne den Durst mit Bier löschen. Obwohl dies – hier kommen wir zum nächsten Pluspunkt – durchaus verlockend ist. Denn hier gibt es nicht – wie auf allen Großfestivals – das immergleiche Industrie-Gebräu der Marktführer, sondern Feingehopftes von lokalen Kleinbrauereien.
Während wir uns mit einem ausgesprochen leckeren Thai-Lunch versorgen, wärmen im Hintergrund gerade noch die Youngsters Jon Doe und der Songwriter Schmyt das Publikum auf, sodass wir rechtzeitig zurück sind vor der Palastbühne für die britische Künstlerin Annika Henderson aka Anika. Sie hat die undankbare Aufgabe, ihren spröden, etwas unterkühlten Indiesound in der immer noch glühenden Nachmittagshitze zu präsentieren. Keine idealen Bedingungen und keine leichte Kost, aber dennoch eine der drei Künstlerinnen, die für mich das heutige Programm prägen. (Würde ich sehr gerne mal im Club sehen.)
Krasser Gegensatz: Drüben im Biergarten präsentieren inzwischen Drens aus Dortmund ihre Mischung aus Fuzzy Highschool-Rock und Surf Punk mit ansteckend guter Laune und Dauergrinsen. Das Beachparty-Outfit in einheitlich roten Shorts und der Fakt, dass einer Ihrer Songs in der Pennäler-Serie „How To Sell Drugs Online Fast“ verwendet wird, unterstreichen den hohen Spaßfaktor. Kaum einer sitzt noch auf den Bierbänken.
Dass Sophia Kennedy trotz minimalen Zwei-Personen-Setups überzeugt, das haben wir Stuttgarter erst kürzlich im Hof des Alten Schlosses erfahren. Die in Hamburg lebende Amerikanerin präsentiert ein kompaktes Elektronik-Pop-Set, das sich zu großen Teilen aus ihrem aktuellen, von der Kritik gefeierten Album „Monsters“ zusammensetzt. Wovon ich definitiv nicht genug bekommen kann, ist diese Stimme, vermutlich die beste des Festivals. Wunderbar.
Unbestrittenes Highlight des Abends – für mich sogar des gesamten Festivals – ist Sophie Hunger. Einmal zuvor habe ich die Schweizerin gesehen, im Wizemann im Rahmen der Molecules-Tour. Ich erinnere mich an die musikalische Perfektion, der letzte Kick hat mir damals aber gefehlt. Das soll heute ganz anders sein. Das instrumentale Setup ist sehr reduziert: Ein (hervorragender) Schlagzeuger, ein (virtuoser) Keyboarder und Sophie Hunger an diversen Gitarren. Ergänzt wird das ganze durch einen fünfköpfigen Chor. Die Spiellaune, die stimmliche und musikalische Varianz, mit der die Musikerin in dieser Besetzung durch ihr Repertoire stürmt, ist mitreißend. Vom harten Techno, über Gospel bis zur zarten Ballade, das alles spielt in einer eigenen Liga. Ein brillanter Schlusspunkt unter einen äußerst vielseitigen Festivaltag.
Der Bericht vom Sonntag folgt in Kürze. Inklusive eines Fazits, was wir von diesem Festival lernen können. Stay tuned.
Maifeld Derby
Sophie Hunger
Feng Suave
Efterklang
Shelter Boy
Sophia Kennedy
Luwten
Anika
Drens
Schmyt
Plàsi
Licia
Jon Doe
