VOIVOD, SPACE CHASER, 14.08.2019, Universum, Stuttgart

Voivod

Foto: Torsten Köster

Die Metalbands der Jahrgänge 1981/82 geben sich in Stuttgart zurzeit die Klinke in die Hand. Während Slayer, die vor 11 Tagen in der Schleyerhalle ein letztes Mal ein herzliches „Do you wanna die?“ in die Runde schmissen, eine Karriere hinlegten, die v.a. aus früheren Großtaten und dem Verwalten dieser Kulturschätze ohne größere Beschädigung durch allzu peinliche Spätwerke bestand und sie auf die größten und allergrößten Bühnen auf der Welt führte, verhält es sich mit Voivod ganz anders. Ebenfalls bekannt geworden als eine der allerersten Thrashmetalbands der frühen 80er, zeigten sich die Kanadier nach ihren Anfangszeiten musikalisch deutlich experimentierfreudiger, überraschender und natürlich weniger erfolgreich als die kalifornischen Kollegen. Auftritt im Universum statt in der Schleyerhalle kurz gesagt.

Space Chaser

Foto: Torsten Köster

Tiefstes Sommerloch isses, aber so 200 bis 300 Personen, hauptsächlich mit X-Y-Chromosomenpaaren ausgestattet, finden sich trotzdem zur Sause ein. Diese beginnt pünktlichst um 20 Uhr mit den Berlinern Space Chaser, die einen Sound und eine Optik pflegen, als hätte es eine Zeit nach 1986 nie gegeben. Uriger, direkter Thrashmetal, der völlig unkontaminiert von irgendwelchen Einflüssen anderer Genres, Zeitgeister oder sonstigem Klimbim ist.

Die mangelnde Originalität oder das nicht unbedingt herausragende Songwriting wird durch eine ansteckende Spielfreude und sehr tighten Bandsound mehr als wettgemacht. Der Sänger sirent in bester Bobby Blitz Manier durch das Set, und die Haarmatten der anderen propellerbangen dazu. Auf Dauer wird mir das von den Songs her etwas zu unspannend, aber Spaß hat das am Ende dann doch gemacht. Bisschen wie Schullandheim in der Bay Area oder so.

Voivod

Foto: Torsten Köster

Kommen wir zu Voivod. Sehr spannende Band. Eh schon einen kleinen Exotenstatus durch ihre kanadische Herkunft, gibt es jede Menge anderer interessanter Sachen zu erzählen. Das einzigartige Coverartwork des Schlagzeugers „Away“ zum Beispiel, die sehr krasse musikalische Weiterentwicklung nach den ersten ziemlich lärmigen Thrashmetal-Anfängen, die zum Beispiel unter anderem dazu führte, dass Ivan Doroschuk an einigen Alben mitarbeiten durfte, und in der Erschaffung eines ganz eigenen, unverwechselbaren Sounds mündete. Vieles mehr gäbe es noch in der Bandgeschichte rauszukramen, aber auf jeden Fall handelt es sich bei Voivod um eine Band, die musikalisch einen einzigartigen Sonderstatus besitzt.

Die ersten Stücke zeigen schon wo die komplizierte aber dennoch mitreißende Konzertreise hingehen wird. Teils melodiöser Punkgesang trifft auf meist schnelles, hektisches Getrommel während die Gitarre verzerrte, dissonante Akkorde dazu gibt. Ich muss mir die Ohrschützer rausnehmen, da ansonsten die hoch klingen Akkordtöne der Gitarre untergehen würden, und damit ein wichtiges Merkmal der Musik verloren ginge. So erst ergibt sich dieser ganz eigene Voivod Sound. Neurotisch, futuristisch, lärmig.

Voivod

Foto: Torsten Köster

Psychothrash wurde die Musik schon mal genannt, oft Progressive Metal, Cyber Punk sowieso, mir fällt noch Prog-Punk ein, aber kategorisieren fällt verdammt schwer. Ist aber auch egal, wenn man ehrlich ist, denn schlussendlich ist es eine mitreißende Livevorstellung. Schon nach den ersten Songs gibt es wilden Beifall und Voivod Chöre. Muss man sich mal vorstellen. Da spielt eine Band sperrigen, dissonanten Metal, der irgendwie gehetzt wirkt, zu dem evtl. nur ein mathematisch-rhythmisches Genie tanzen könnte, und alle sind restlos begeistert. Es gibt sogar KrautCrowdsurfer zu bewundern.

Sänger Denis hat auf jeden Fall sichtbar Spaß, wie der Rest der Band auch. Wilde Grimmassen zieht er, ahmt kurz Billy Idol nach, und muss schon sehr lachen, als ein Zuschauer wiederholt in den Pausen schrille, mit perfektem Vibrato dargebrachte Metal-Screams zum Besten gibt (die der Gitarrist dann mit einem Iron Maiden Riff kontert).

Erstaunlich stelle ich fest, wie sehr mir der Auftritt gefällt, kenne ich doch nur das Album „Phobos“ der Band. Eigentlich müsste man sich jeden Song an die 20 Mal anhören, um ihn erfassen zu können, total verkopftes Zeug mit Rhythmuswechseln, Science-Fiction-Konzepten etc. etc., ist live aber gar nicht so schwer das gut zu finden. 35 Jahre zu spät wohl Fan geworden ist meine große Erkenntnis dieses Abends.

Nach 75 wirklich exzellenten Minuten so noch nie gehörter Musik gibt es noch eine Zugabe. „Voivod“ vom allerersten Album „War And Pain“ thrasht nochmal alle glücklich. Und wer die Band demnächst wieder sehen will, sie werden Support von GWAR auf ihrer Europatour sein.

Voivod

Foto: Torsten Köster

Voivod

Space Chaser

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