MEN WITHOUT HATS, 07.02.2013, Das Bett, Frankfurt
Olivia Pascal, Bananas, Robbi, Tobbi und das Fliewatüüt, Fraktus, Walkmen, Rätselflug, die Maus auf dem Mars, Timm Thaler, das Haus der Krokodile, die Rebellen vom Liang Shang Po, Captain Future, Silas, Catweazle, Pan Tau, Lemmy und die Schmöker, es war einmal der Mensch, Karlson vom Dach und Musik natürlich, Musik die manchmal nicht mehr war als Oberfläche, glatt poliert, damals in den 80ern, das Haar hinten kurz, vorne streng Seiten gescheitelt oder schulterlang, vorne weit in die Augen fallend; Style bedeutete sich mit einer coolen Handbewegung wenigstens für ein paar Sekunden ein freies Sichtfeld zu verschaffen.
30 Jahre später in Frankfurt vor einer Bühne zu stehen und die Band zu sehen, deren Poster aus Bravo und PopRocky, sorgfältig mit Tesa an die Wand geklebt, für einige Jahre fast jeden Zentimeter der Raufasertapete des Kindeszimmer bedeckten, diese Band, die mit „Safety Dance“, ein Stück Pop der Kultur hinzufügte und das Jahre später ein Lieblingszitat jener Popkultur werden sollte, die Coolness in die Masse brachte mit den Simpsons, Family Guy, South Park, Futurama, zum festen Remixkanon von vielen elektronischen Bands gehört und bis heute immer wieder recycled wird, zuletzt von der US-Serie „Glee“, ist schlichtweg bewegend. In diesen Stunden begreift man, warum Musik immer auch Artefakt ist, denn mit den ersten Tönen von „Antarctica“ und „I got the Message“ tauscht man die Halle mit jenem Poster behangenen Kinderzimmer, in dem man wieder und immer wieder die Platten von Men Without Hats abspielte, die Zeit in der „You can dance if you want to“ natürlich weit mehr als ein Satz in einem Song war und irgendwie alles möglich schien, auch weil Konsens und Kompromiss weit entfernt waren, in den eigenen Wortschatz aufgenommen zu werden.
Song für Song, Text für Text setzt sich das Universum von damals wieder zusammen an diesem Abend, damals als „Dancemusic“ Disco verdrängte, der Popper den Punker und die Entpolitisierung der Musik in einer hochpolitischen Umwelt, zwischen Nachrüstung und Tschernobyl vorangetrieben wurde. Unpolitisch waren Men Withouts Hats nie, im Gegenteil „Living in China“ z.B erschien nie in den USA:
They got the red book, they got the new look
All the little people that are living in China
They got the answers to all the questions
All the little people that are living in China
The solution is revolution
[…] What would chairman Mao say, if he knew what they’re doing to his wife today
What did China do? She ordered out for submarines instead of Chinese food
China fields of rice, modern man no longer evil he’s a paradise […]
Die Plattenfirma sah keine Chance, diesen Song im politischen Klima der damaligen USA zu veröffentlichen. Ivan Doroschuks Kommentar an diesem Abend: „.. als ob sich nach 30 Jahren daran etwas verändert hätte…“. So ist „Saftey Dance“ und viele andere Songs von MWH an diesem Abend nicht das, was David Foster Wallace später so vortrefflich in „Unendlicher Spass“ beschreiben sollte, die Overtüre zu einer Fun- und Entertainment-Gesellschaft, sondern Teil eines Diskurs, über den unser Bundespräsident zwar ständig redet, trotzdem nicht das Geringste versteht, „Saftey Dance“ ist Philosophie Descartes´schen Ausmaßes: „Ich tanze, also bin ich frei“ oder:
I say, we can go where we want to
A place where they’ll never find
And we can act like we come from out of this world
Leave the real one far behind
We can dance (Come see!)
70 Minuten nur Hits, Ivan mit 110%igem Einsatz, und dann noch so eine schöne Zugabe…
Guter Text!