MARDUK, ORIGIN, DOODSWENS, 05.04.2024, MS Connexion, Mannheim
Sondermeldung:
Mannheim, 05. April 2024.
Gegen 22:30 Uhr kam es zur vollständigen Annexion des MS Connexion durch die vierköpfige Panzerdivision „Marduk“. Die Konzerthalle wurde über 1 ½ Stunden lang beschossen, um dann in Schutt und Asche gelegt, in dichtem Nebel zurückgelassen zu werden.
Details finden sich im folgenden Bericht.
Aus purer Lust und Neugier habe ich vor mehreren Wochen auf der Instagram-Seite von Marduk nachgeschaut, wann die eigentlich mal wieder nach Deutschland kommen und Locations zerlegen. Ohne große Erwartung kam sogleich die Freude darüber, dass eine neue Europa-Tour ansteht und Mannheim dabei ins Visier genommen wird. Leider machen Marduk immer wieder einen Umweg um Stuttgart. Man sollte meinen Baustellen und Staus stellen kein Hindernis für bewaffnete Kettenfahrzeuge dar – scheinbar doch.
Ich habe heute Abend eigentlich mit mindestens fünf Bands gerechnet, da der Tour-Flyer Marduk, Origin, Doodswens & Guests angekündigt hat. Mit etwas Erleichterung nimmt mein Körper dann freudig wahr, dass es um 20:00 Uhr direkt mit „Doodswens“ losgeht und die „Gäste“ irgendwo zwischen Tschechien und Mannheim unter die Ketten gekommen sind. Black Metal Konzerte zählen ja meistens zu den energiesparendsten Konzerten, da auf jegliches unnötiges Licht verzichtet wird. Als die niederländischen Doodswens die Bühne betreten wird das Licht lediglich auf einen kleinen Altar reduziert, an dem die Drummerin „I.“ ein Eröffnungsritual vollzieht. Die Ruhe vor dem Sturm. Und den entfesseln Doodswens vom ersten Moment an mit ihrem Opener „In Mjin Bloed“. Es ist keine Offenbarung oder etwas gänzlich Neues. Doodswens stellen mit ihrer neun Songs umfassenden Setlist aber eine solide Support-Band dar, die mit ihrer Show, der eindrucksvollen düsteren Stimmung und dem tighten Spiel den wohlverdienten Applaus erhalten. Mein Favourit ist Song Nummer sechs „III“. Vieles erinnert dabei an „Darkened Nocturn Slaughertcult“ und die Garstigkeit von Sängerin Inge Van Der Zon steht Onielar in nichts nach.
Die Amerikaner Origin gehen es in Sachen Bühnenästhetik deutlich reduzierter an, der Altar muss weichen und schafft Platz für mehr Bewegungsfreiheit für Sänger Jason Keyser. Ich bin schon allein vom Soundcheck von Schlagzeuger John Longstreth beeindruckt. Mühelos und völlig entspannt spielt er seine Blast-Beats vor sich hin, während um ihn herum die Gitarren gecheckt werden. Origin verzichten auf jegliches Intro – Licht aus – Licht an – Völlige Überforderung! „Expulsion Of Fury“ ist eine musikalische Explosion, die in alle Richtungen ausschert. Ich bin absolut kein Fan von technischem Death Metal. Origin strapazieren extrem meine Gehörgänge – ich versuche etwas zu greifen und schon ändert sich wieder der komplette Song. Handwerklich ist das der absolute Wahnsinn und ich bin fasziniert von Sänger Keyser, mit welcher Intensität und Ausdauer er uns anbrüllt. Doch schnell fällt nicht nur mir, sondern auch Keyser auf, dass das Publikum nicht mitgeht und eher, gefühlt im negativen Sinne, überfordert ist. Auch beim folgenden „Chaosmos“ wird alles weggeblasen und jedes Extrem ausgelotet, doch ein Wiedererkennungswert ist schwer zu finden. Keyser fragt mehrmals nach, ob Mannheim eher ein observierendes oder partizipierendes Publikum ist. Die Bitte um einen Circle Pit beantwortet er sich sogleich selbst:
„I know you won´t do it.“
Das klingt schon ein wenig nach Galgenhumor. Ich kann und will den vier Amerikanern ihr musikalisches Können in keinster Weise absprechen. Origin sind absolut kompromisslos, tight und brutal gute Musiker. Sänger Keyser hat schon am dritten Tag der Tour beinahe seine Sprechstimme verloren und brüllt sich trotzdem immer weiter die Seele aus dem Leib, doch der Dank fällt eher – unverdient – verhalten aus. Für den heutigen Abend ist das aus meiner Sicht leider zu viel Gefrickel und Ausreizen von Extremen, wo es meiner Meinung nach mehr Roh-und Einfachheit gebraucht hätte.
Die Bühne wird für das anstehende Gefecht vorbereitet. Marduk brauchen ebenfalls keine Stageprops – Laden. Entsichern. Zielen. Feuer. Um Band-Urgestein und Gründer Morgan Håkansson gab es im vergangenen Jahr einen erneuten Besatzungswechsel. Bassist Joel Lindholm wurde direkt nach dem Incinertation Fest in London unehrenhaft entlassen, nachdem er auf der Bühne im Vollsuff den Hitlergruß zeigte. So kompromisslos wie die Musik, ist Morgan auch im Umgang mit Fehlverhalten innerhalb der Band, besonders wenn dieses seine Band in ein Licht rückt, gegen das er immer wieder anzukämpfen hat. Auch am Geschütz gibt es einen Wechsel, bei dem nun Tom Schilling, der ehemalige Drummer von Belphegor die Hände und Füße am Abzug hat. Dieser hat heute während des Soundchecks erstmal damit zu kämpfen, das Schlagzeug am auseinanderfallen zu hindern, nachdem es von Origin dermaßen bearbeitet wurde. Der Erstschlag zieht sich immer weiter nach hinten bis es schließlich heißt: Verdunkeln!
Durch dichten Nebel betreten vier Silhouetten die Bühne. Besonders Sänger Mortuus sticht dabei mit seiner hünenhaften Gestalt bedrohlich hervor. Mit „On Darkened Wings“ wird bereits mit dem ersten Schuss ein Volltreffer gelandet.
Achtung (Drum-)Trigger-Warnung!
Die Bassdrum ist extrem geil abgemischt, jeder Kick fährt einem direkt durch den Körper und wenn Mortuus das erste Mal ans Mikro tritt und das erste Wort anstimmt, gehört alle Aufmerksamkeit ihm. Meiner Meinung nach gehört er mit zu den Besten im Black Metal. Mortuus ist performende Härte und Geradlinigkeit. Auch beim zweiten Song „Equestrian Bloodlust“ sind nur Silhouetten zu sehen, die uns mit ihrem Gift übergießen. Marduk zählen in meinem Kosmos zu denjenigen Bands, die immer abliefern und von Minute 1 an rasieren. Der Vierer ist einfach ein sicherer Wert, die Begriffe Enttäuschung oder Schwäche haben die Nordmänner aus ihrem Wortschatz verbannt.
Mortuus hält sich mit seinen Ansagen dezent zurück und brüllt uns zwischen den Songs nur die Songtitel des darauffolgenden entgegen. Mein erster Wunsch an die Setlist erfüllt sich sogleich mit „With Satan And Victorious Weapons“. Ungefragt gebe ich zu Protokoll, dass es sich dabei um einen meiner absoluten Favoriten des Black Metal Genres handelt. Ab und zu gerät der Panzer heute Abend etwas ins stottern, bedingt durch technische Probleme. Völlig souverän wird aber weiter abgerissen und der arme Roadie muss bei voller Fahrt die Reparatur-Arbeiten durchführen. Mehrmals gehört dabei auch das Wiederzurechtbiegen von Mortuus´ Mikroständer dazu, der erbarmungslos bearbeitet wird. Marduk spielen sich durch ihre komplette Discographie und selbst das eher gemäßigte „The Blond Beast“ entfaltet diesen mitreisenden Sog aus Härte, Brutalität und Präzision, die das Erlebnis eines Marduk Konzertes ausmachen.
Für das Ende dieses Frontalangriffes haben sich Marduk noch den absoluten Wirkungstreffer „Panzerdivision Marduk“ aufgehoben. Wenn Mortuus diese beiden Worte in die Stille zwischen der absoluten Raserei brüllt, weiß man, im nächsten Augenblick bricht die Hölle über einen herein.
Ich habe es zu Beginn bereits erwähnt und möchte es als Abschluss dieses Berichtes noch einmal hervorheben. Möchte man die Wucht, Intensität und Gewalt eines Black Metal Konzertes am eigenen Leib erfahren, gibt es hierfür nur eine Wahl:
„Marduk! Nur Marduk verdammte Scheiße!“
Marduk
Origin
Doodswens