OVER KILL, DESTRUCTION, HEATHEN, 06.03.2011, LKA, Stuttgart

Killfest Tour 2011, Overkill, LKA Longhorn

Foto: Michael Weiß

Ein wenig komme ich mir vor wie 1986 beim Durchblättern des Metal Hammer, wenn ich mir das Line-Up des Killfests heute Abend so anschaue. Heathen, Destruction und Overkill waren alle schon damals aktiv, trugen teilweise viele Patronengurte und noch mehr Haarspliss zur Schau. Mir war ihre Spielart des Heavy Metals damals zu hart, weswegen ich mich mit dem Werk der Bands auch nicht groß auskenne. Aber nach dem Besuch letzten Jahres von Annihilator und dem Thrashfest ist in mir so etwas wie eine Art Liebe zu dieser Musik entbrannt. Also, das beste Parfüm unter die Achseln gespritzt, Zylinder auf, ab zum Killfest.

Es ist nicht ganz so voll wie beim Thrashfest, aber schon sehr ordentlich besucht. Wahrscheinlich sind paar Metalheadz doch lieber zu Kylie Minogue nach Mannheim gefahren, kann man schon auch verstehen.

Killfest Tour 2011, Heathen, LKA Longhorn

Foto: Michael Weiß

Heathen aus San Francisco (woher auch sonst!) höre ich heute Abend bewusst das erste Mal, und sie sind melodiöser, als ich gedacht habe. Das ist eher Speed- oder Powermetal, mit vielen melodiösen und teils sehr virtuosen, zweistimmigen Gitarrenleads, und einem Sänger, der weniger schreit, sondern vielmehr mit klarer Stimme singt. Songs wie Arrows Of Agony oder No Stone Turned bestechen eher durch ihre Komplexität und das gekonnte Zusammenspiel der Band als durch wirkliches Gethrashe. Dadurch fehlt es vielleicht ein wenig an dem ultimativen Druck, aber die virtuosen Arpeggi-Soli reizen mich, so Zeug vielleicht mal wieder selber auf der Gitarre zu versuchen.
Doch, guter Auftritt, aber so was hätte mir vor 25 Jahren noch besser gefallen.

Killfest Tour 2011, Destruction, LKA Longhorn

Foto: Michael Weiß

Destruction sind ja zusammen mit Kreator und Sodom das dritte Urgestein des deutschen Thrashmetals, und eröffnen ihr Set kurz nach halb neun. Das Trio hat anfangs allerdings keinen sehr guten Sound. Die Gitarre ist dumpf und leise, Thrashmetal ohne sägende, laute Gitarre, das geht so nicht. Doch das wird schnell korrigiert, und bei Mad Butcher klingt es schon eher wie es sich gehört.

Schmier, ein ganz schön großer Brocken von einem Sänger und Bassisten, kreischt abwechselnd an den drei mit schön Totenkopf geschmückten Mikroständern die dreckigen Songs herunter, während der eher nicht so groß gewachsene Mike alleine das ganze Gitarrenhandwerk erledigen muss.

Das ist jetzt alles weit weniger virtuos und komplex als bei Heathen, eher so ein bisschen der Motörhead-Ansatz. Straighter, direkter, schmutziger. Obwohl mir ein wenig die richtig geilen Midtempo-Parts fehlen, die ich am Thrashmetal so liebe, macht der Auftritt enorm viel Spaß. Dazu tragen auch Schmiers Ansagen und Interaktionen mit dem Publikum bei.

Devolution widmet er allen CDU-Wählern und Guttenberg. Schön! Ein Gutes haben die vergangenen Monate ja gehabt, die Fronten sind wieder klarer geworden, und man kann sich endlich mal wieder ein bisschen entschiedener „dagegen“ positionieren. Und „dagegen“ ist in diesem Genre elementar wichtig, so als Selbstverständnis und so. Überhaupt, sehr gute Songtitel. Tears Of Blood, Thrash Till Death, Nailed To The Cross, so muss das alles heißen bei dieser Musik.

Bestial Invasion ist allen Zuschauern gewidmet, die sie schon 1985 mit Slayer zusammen in Stuttgart gesehen haben. Eine Flasche Bier schenkt er einem Zuschauer, und den letzten Song darf auch das Publikum auswählen. „Angel Of Death war nicht von uns“ muss er kurz die erste Anfrage abschmettern, aber The Butcher Strikes Back und Tormentor natürlich schon, wobei die Double Bass für ein wüstes Treiben in den ersten Reihen sorgt. Beeindruckendes Bild zum Abschluss.

Killfest Tour 2011, Overkill, LKA Longhorn

Foto: Michael Weiß

Ziemlich genau um 22 Uhr kommen Over Kill auf die Bühne, und, soviel vorweg, werden begeisternde 90 Minuten hinlegen. Der Sound ist wirklich extrem gut. Druckvoll, klar und mal wirklich fett. Unglaublich fett!

Im Gegensatz dazu Blitz. Der ist mal gar nicht fett, eher unglaublich austrainiert-dünn, und das trotz seiner 52 Jahre. Die Frise sitzt noch perfekt, und auch sein unverwechselbarer Gesang lässt keinerlei Abnutzungserscheinungen erkennen. Wunderknabe!
Das Publikum feiert seine Helden, die neuen Songs werden positiv aufgenommen, ausgerastet wird aber natürlich bei den alten Hits. Bei Rotten To The Core sieht das schon arg nach Gemetzel aus, was da im Publikum passiert, die ganze Halle singt dann auch den Refrain mit.

Überhaupt die Refrains, die werden gerne mal im Chor von der Band geshoutet. Funktioniert natürlich live bestens so was. Dazu der schon erwähnte brillante Sound, eine tight spielende Band, überdurchschnittliches Songmaterial etc. etc. Alles Zutaten für ein perfektes Konzert. Höhepunkte gibt es einige, wie z.B. Bring Me The Night, Iron Bound oder sogar das mir bekannte Welcome To The Gutter. Knallt alles wunderbar.

Der Zugabenteil wird natürlich mit Fuck You abgeschlossen. Die ganze Halle singt nochmal „We don’t care what you say, FUCK YOU!“ und reckt alle verfügbaren Mittelfinger gen Hallendecke.

Blitz meint mal zwischendurch: „Thrashmetal has stood the test of time.“
Kann man so sagen. Den TÜV gibt’s noch locker.

Heathen

Destruction

Overkill

5 Gedanken zu „OVER KILL, DESTRUCTION, HEATHEN, 06.03.2011, LKA, Stuttgart

  • 7. März 2011 um 20:44 Uhr
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    „Devolution widmet er allen CDU-Wählern und Guttenberg.“ Herrlich! Und echt toll geschrieben…

  • 8. März 2011 um 09:23 Uhr
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    Dass es nicht so voll war, lag vielleicht daran, dass parallel noch ein Death-Metal-Konzert mit Dying Fetus in der Röhre war…

  • 8. März 2011 um 09:26 Uhr
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    @BJ: das hab ich mir auch gedacht, aber fand die Vorstellung lustiger, dass ein ganzer Stoß Metalfans bei Kylie Minogue im Publikum war;-)

  • 8. März 2011 um 20:13 Uhr
    Permalink

    jau, alles andere hätte mich schon sehr gewundert ;)

    und übrigens heisst das eine lied „hello from the gutter“…

    sonst aber top artikel, danke!

  • 8. März 2011 um 20:24 Uhr
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    einer der wenigen Songs, die ich gekannt habe, prompt falsch geschrieben…
    Danke für das Lob!!

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