COMBICHRIST, 06.08.2019, Im Wizemann, Stuttgart
Come on Maggots it’s a party!
Tonight we’re not drinking alone!
Come on Maggots it’s a party,
It’s our adaptance to fun and rock’n’roll!
Wie ein dickes Kind auf die nächste Süßigkeit freue auch ich mich auf dieses Konzert. Das Fundament, erbaut aus norwegischer Wut (Generation Vikernes), gepaart mit amerikanischer Dekadenz und Hedonismus, öffnen Andy LaPlegua und die restliche Fuckmachine Combichrist für Stuttgart ihre Büchse der Pandora. Und die ist randvoll mit Sex, Drogen, Gewalt und der systematischen Zerstörung des Ichs durch Selbige. Oder wie Andy LaPlegua die Richtung vorgibt: „Your Body is not a temple it’s an amusement park. Enjoy the ride!“
Bevor es jedoch schmutzig wird, wird es erstmal unglaublich lustig und allem voran: süß! Rave The Reqviem aus Schweden dürfen die One Fire World Tour als Support begleiten und spielen sich mit ihrem 40-minütigen Set in die Herzen der Tanzwütigen. Es soll hier nicht vnerwähnt bleiben, dass die Band das trve-Ding konseqvent dvrchzieht, die Fanpage mal als Mvsterbeispiel genommen. Avffällig ist sofort wie „bvnt“ zvsammen gewürfelt dieses Qvintett wirkt. Am Schlagzevg könnte man einen 18- jährigen Thommy Lee vermvten mit viel Kajal, Sängerin und Gitarrist könnten avch bei Nightwish oder Within Temptation mitwirken vnd der Bassist, nvn ja, der ist einfach sweet und möchte am liebsten alles machen: crowdsvrfen, singen, tanzen, springen, müsste er nicht nebenher noch ein bisschen die Saiten zvpfen. Achja, am Sampler steht avch noch einer vnd havt ab vnd an avf die Pads, tanzt vnd springt aber avch lieber dvrch die Gegend vnd gibt seinen Bandkollegen High Fives´. Ok, es reicht.
Musikalisch bewegen sich RtR im Bereich Melodic Metal dem man gut dosiert eine Ladung Elektronik und auch DubStep beimischt. Aeon und Saint Judas zeigen hierbei einen optimalen Querschnitt vom Buffet dessen, was die Band da zusammen mischt und anbietet. Auch wenn ich das erstmal etwas kritisch beäuge, weil es doch sehr zusammen geworfen und an manchen Stellen nach zu viel gewollt klingt, fangen die Hände dann doch ab einem gewissen Punkt an mit zu klatschen und man bekommt das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht. Man fühlt einfach, dass da absolute Freude am Spielen auf der Bühne herrscht und man das Gefühl hat, das beste Konzert ist genau das, welches man gerade für uns spielt. Nichts wirkt einstudiert, manchmal geraten auch die Songs ein wenig ins Stocken, wenn der eine dem anderen eine Flasche Wasser in die Hand drückt, das Songintro aber schon läuft und man eigentlich schon spielen sollte. Besonders der sympathische Bassist ist das komplette Set über damit beschäftigt, jeden einzelnen im Saal und auch seine Bandkollegen zu motivieren, anzufeuern und aufzufordern mit ihm zu bangen und zu tanzen. Und am Ende tanzt der Saal dann auch und jubelt und bangt und klatscht.
Als Madita nach dem Konzert am Merchandise-Stand vorbeischaut und sich, überzeugt vom Gezeigten, die neue Platte „Fvneral [sic]“ ersteht, ist auch die gesamte Band anwesend und signiert diese sogleich. Da ist der Kunde noch König. Absolut sympathisch und wie schon erwähnt – süß.
Die Hitze im Wize hat auch schon wieder einen äußerst kritischen Punkt im olfaktorischen Bereich erreicht, Patchouly kommt erschwerend hinzu. Die Umbaupause vor einem Combichrist-Gig ist bereits der eigentliche Beginn der Party. Liebevoll wird immer wieder eine Playlist zusammengestellt, die das Warten mehr als verkürzt. Während hier ABBA läuft (Gimme Gimme Gimme) möchte ich meine Yellowpress Kenntnisse ein wenig auspacken. Combichrist und Rammstein verbindet nicht nur die gemeinsame 2009-Tour „Liebe ist für alle da“, sondern in Teilen auch der gleiche Frauengeschmack, denn Till Lindemann als auch Andy LaPlegua hatten ein kurzweiliges Stelldichein mit Simone Thomallas Tochter Sophia. Letzterer war sogar mit ihr verheiratet, die Scheidung ist allerdings auch schon wieder durch. So!!
Ein bisschen wehmütig schaue ich der heutigen Show entgegen, denn bei den letzten drei Konzerten habe ich mich absolut verliebt und vor Staunen längere Teile der restlichen Show verpasst. Nämlich in Joe Letz aka „Neutered Nancy“ (Auch Schlagzeuger bei Emigrate, dem Solo-Projekt von Rammstein-Gitarrist Richard Z. Kruspe). Wie in Trance habe ich ihm beim Spielen zugesehen und zu Hause, sowie im Proberaum versucht, mir seine Moves am Schlagzeug anzueignen. Sicherlich einer der beeindruckendsten Schlagzeuger, die ich bisher gesehen habe. Leider gab dieser Anfang des Jahres seinen Ausstieg bei Combichrist bekannt, um fortan bei Aesthetic Perfection die Sticks und Toms durch die Gegend zu werfen. Elliot Berlin, Keyboarder, ist dabei gleich mit gewechselt, was sich heute Abend als mittleres Problem herausstellen soll.
I am a bitch. How do you want me?
From behind or on my knees?
I am a slut. Please hold me down.
I’ll be your noise.
This Shit Will Fuck You Up! dröhnt mit fettem Bass aus den Boxen, dunkle Gestalten betreten die Bühne und lassen den Tanz auf der mit Kokain befleckten Rasierklinge beginnen. Mit One Fire haben Combichrist ihr bisher gitarrenlastigstes Album veröffentlicht und mit Hate Like Me wird gleich mal die erste Single über uns ausgekotzt. Ein Liebeslied für alle Saufkumpane, die plötzlich grundlegend alles verändern und ihr Leben auf die Reihe bekommen. Ekelhaft.
Was mich leider schon ab dem ersten Song ein wenig stört ist die Tatsache, dass die Band einen fast komplett anderen Sound hat als bei den letzten Shows. Die Elektronischen Parts der Songs sind nicht mehr so drückend und vordergründig (wohl auch, weil ohne Keyboarder alles nur vom Band kommt), das Schlagzeug ist auch nicht getriggert, was dann doch mehr nach Metall statt Industrial/Aggrotech/Noise klingt. Heute ist das auch wieder so ein Konzert, bei dem man sich als Konzertfotograf drei Songs lang ärgert. Komplette Dunkelheit, Strobogewitter und sobald man den Graben verlässt werden die Flutlichter angeworfen. Dafür ist Andy LaPlegua heute in gemütlicher Bierstimmung und lässt sich zu fast jedem Song ein neues Bier bringen. Am Ende des Abends sollen es dann 9 gewesenen sein innerhalb von 70 Minuten. Chapeau! Es ist aber auch total amüsant, dass da ein Hüne auf der Bühne steht, von Ohr zu Ohr grinsend und dir süffisant ins Gesicht singt, wie schwer es ist zu schreien mit einem Throat Full Of Glass.
Die Setlist bietet heute um einiges härteres Material und fast das komplette neue Album.
Guns At Last Dawn löst zwischen den vielen tanzenden Industrial-Fans mit seinem unglaublich coolen Speed-/Trash-Metall Chorus einen beachtlichen Moshpit aus und lässt auf ein Neues vergessen, dass man heute eigentlich nicht auf einem Metall-Konzert ist.
Shotgun ready! Shotgun ready! Shotgun ready!
Besonders in diesen harten Parts liegen die Stärken des neuen Drummers, wohingegen Neutered Nancy detailverliebter zu Werke ging und filigran auch noch jeden letzten Hi-Hat Schlag wie auf Platte spielen konnte, was bei elektronischen Drums wirklich anstrengend werden kann, wenn es an die 1/32 und schneller geht.
Das nächste Bier ist bereits auf dem Weg und mit Blut Royale und Get Your Body Beat darf auch ohne Moshpit getanzt werden und sogar meine müden Tanzbeine beginnen bei diesen tighten Beats zu schwingen. Combichrist haben mir tatsächlich im vergangenen Jahr die Tür zu einer ganz neuen Musikwelt aufgetreten, die ich vorher dankend gemieden habe. Ich mag total diese abgefuckte, kaputte, aber lustige Attitüde der Band, kombiniert mit totaler Fuck That Shit allem gegenüber.
Nach gut einer Stunde wird uns verkündet, da heute Twosday ist, gibt es noch 2 Songs. Und die dürfen natürlich nicht fehlen. What The Fuck Is Wrong With You? – Ein Song, ein Satz, den man gefühlt jedem jeden Tag um die Ohren schlagen könnte. So wie jeder diesen mitsingt, ist das wohl zu einem Allgemeinzustand ausgewuchert. Wie schön, dass Combichrist dafür den Theme-Song liefern. Maggots At The Party bietet gleich die nächste Begleitmusik, um entweder in einer Kneipe auf dem Klo ne Line zu ziehen und dann Bud-Spencer-like aufzuräumen oder auf der Party vom Bekannten eines Bekannten die Wohnung umzugestalten und mit dessen Freundin zu schlafen. Und danach mit der Mutter. Mit Musik ist alles möglich.
So wie Andy uns angelogen hat, habe ich euch auch angelogen. Einen Song gibt’s noch.
One Fire! Und Stuttgart fühlt und brüllt es ihnen entgegen. One Fire!
We all got nightblood
We all got the night in our veins
Starting over
Light the fuse, get it on
One fire!
One fire!
One fire!
Come and burn with me