HALDERN POP, 12.-14.08.2010, Haldern, Tag 3
Pah, das Leben ist doch ein Ponyhof. Es ist ein herrliches Bild auf dem Weg zum Baggersee, der über den Hof eines Gestüts führt, wie die Indiecrowd mit ihren Wayfarer-Sonnebrillen, Trilby-Strohhüten und Ringeltops die Pferde streichelt.
Später am Abend, als The National auf der Bühne stehen, erzählt Sänger Matt Berninger, dass es so „beautiful“ am See sei und dass sie viele nackte Menschen gesehen haben. „For us Americans a big deal.“
Der Samstag ist der Sonnenschein-Tag. Badesee-Wetter. Es ist ein herrlicher letzter Tag des Haldern Pop-Festivals am Niederrhein. Die Kids, die hier liebevoll „Pop-Blagen“ genannt werden, sammeln fleißig Pfandflaschen und bessern damit ihr Taschengeld auf. Ach, wie schön ist es hier auf dem platten Land. Portugal.The Man spielen ein wunderbares Set, Fanfarlo frönen dem Karohemden-Folk. Das „kleinste große Festival“, wie es der grundsympathische Moderator nennt, ist international. Auf der Bühne, vor der Bühne. Viele Holländer sind da. Auch auf Twitter, was sich sehr lustig liest. Meist kommt auch das Wörtchen „Gras“ darin vor. Einer twittert: „Spiegeltent is überhot“. Besser kann man es nicht sagen. Aber hey, für die gig-blogger ist Sonnenschein auf Festivals eine echte Abwechslung. Und das Gelände in Haldern ist von einigen Bäumen gesäumt, so dass sich doch immer ein Schattenplätzchen findet.
Da sitzen auch die elfenbein blassen Mädchen, die selbst auf einem Festival aussehen, als hätten sie sich für das tägliche Mode-Blog-Bild zurecht gemacht. Das Publikum ist aber angenehm gemischt: Keine Altersgrenzen, nach unten und nach oben. The Low Anthem im „überhotten“ Zelt, das sich sonst auch irgendein bekannter Koch für seine Diner-Shows leiht, begeistert alle. Die Band spielt schöne Songs mit mehrstimmigem Gesang, mal wieder. Da war doch irgendetwas mit einem Folkrock-Revival? „Oh My God, Charlie Darwin“ heißt das aktuelle Low-Anthem-Album, das vom Musikmagazin „Mojo“ als „Gottesgeschenk“ gepriesen wird.
Ganz anders, ganz indie wird es bei den Blood Red Shoes, die wir vermutlich schon zu oft gesehen haben, dass sie uns so wirklich vom Hocker reißen. Das sehr junge Boy-Girl-Duo kann durchaus was. Die Songs sind Hitgaranten. Der Sound ist schrammelig. The public gets what the public wants, hat einmal Paul Weller gedichtet. Und er hat heute noch Recht.
Efterklang sind eine wirklich sehr großartige Band, zu der hier eigentlich schon alles gesagt wurde. Im Schocken war das Ganze noch viel heimeliger, auf der großen Bühne funktioniert der Dream-Pop der Dänen aber auch. Und Sänger Casper kommt sehr sympathisch rüber, wenn er sagt „you look good“. Efterklang tun das auch.
Auf dem Haldern Pop hat man ständig das Gefühl, dass es nicht um die einzelnen Bands, sondern um das große Ganze geht. Auch wenn sich das jetzt pathetisch anhören mag. Sophie Hunger steht auf der Bühne und sagt: „Seit wir in Deutschland spielen, haben immer alle gesagt, dass wir versuchen sollen, auf dem Haldern zu spielen. Und das ist hier.“ Sie lächelt stolz und zeigt dabei auf den Bühnenboden. Die Musik der Schweizerin mit ihrer Band hat der Guardian ganz passend beschrieben: „She’s a Laura Marlin, Beth Orton and Björk in one folk-rocking package.“ Schon wieder Folkrock. Verfolgt vom Folkrock. Das war es dann aber wirklich. The Tallest Man on Earth steht für ein kurzes Set alleine mit seiner Gitarre auf der Bühne und man bereut in diesem Moment, dass man ihn vor kurzem in der Schorndorfer Manufaktur verpasst hatte. Yeasayer aus New York City holen urbanen Dancesound auf’s Land und finden’s natürlich auch ganz „beautiful“ hier. Während The National leider arge Soundprobleme haben. Matt Berninger meint in einer Pause, in der mal wieder irgendwelche Instrumente gecheckt werden müssen, dass er leider keinen Witz erzählen könne. Muss er ja nicht, so lange er solche melancholischen Lieder schreibt, die ein wirklich gebührender Abschluss sind.
Man fährt nach Hause. Zufrieden. Glücklich. Mit ein bis zwei neuen potentiellen Lieblingsbands im Gepäck. Mehr kann man nun wirklich nicht erwarten.
Portugal.The Man
Fanfarlo
The Low Anthem
Blood Red Shoes
Efterklang
Bear in Heaven
Sophie Hunger
The Tallest Man on Earth
Yeasayer
The National
Fans und Impressionen
Vielen Dank für die tollen Berichte und Fotos. Aber irgendwie vermisse ich Villagers… da habt ihr echt was verpasst ;)
Silke, du meinst das Conor-Oberst-Lookalike?;=) https://www.youtube.com/watch?v=S3sBblnrGik
Aber irgendwie war nicht annähernd alles zu schaffen, oder? Schade. Villagers hört sich wirklich gut an.
Klingt alles sehr schön! Ich war am Samstag auf dem Dockville hier in Hamburg, tolle Kulisse! Mein Geheimtipp von dort: Cats on fire aus Finnland.
Bei „uns“ hatte der Seabear Frontmann ein so hässliches grelles Batikshirt an, dass man es kaum aushalten konnte…:-)
Huhu liebe Regine! Beim Dockville wäre ich auch so gerne gewesen.
Danke auch noch für deine tolle Blog-Empfehlung, die man den anderen nicht vorenthalten darf:
https://aphorismsinpopmusic.blogspot.com/
Genau der. Und das Conor-Oberst-Look-Alike war auch unser allererster Gedanke. :) Ja, alles kann man nie schaffen, aber die Atmosphäre im Spiegelzelt war wirklich unvergleichlich bei Villagers. Hoffe die kommen bald hier in die Gegend!
das Efterklangkonzert auf dem Haldern: https://www.wdr.de/tv/rockpalast/extra/videos/2010/0814/efterklang.jsp
Sehr schön.
Wenn mich jetzt noch jemand mit Links zu den Spiegelzelt-Konzerten versorgt :-)