SKATING POLLY, 14.02.2024, Galao, Stuttgart
Die Band Skating Polly wurde 2009 von den Stiefschwestern Kelli Drew Mayo (2000 geboren) und Peyton Mckenna Bighorse (1995 geboren) gegründet. 2017 vervollständigte dann Kellis Bruder Kurtis, das Line-up. Von Anfang an war der Bandsound geprägt von Riot Grrrl und Grunge, aber auch von Indie Pop Melodien. Die komplette Herangehensweise ist dem DIY verpflichtet und somit im wahrsten Sinne Indie und Punk. Mit diesem Ethos veröffentlichte die Band einige EPs und Alben bis dann im Jahr 2017 Louise Post und Nina Gorden von der, in den Neunzigern sehr erfolgreichen Band „Veruca Salt“, auf sie aufmerksam wurden. Mit deren Unterstützung erschien im selben Jahr die EP „The New Trick“, mit der man dann auch außerhalb der USA Aufmerksamkeit auf sich ziehen konnte. Im letzten Jahr erschien ihr bereits sechstes Album „Chaos County Line“.
Heute Abend spielen sie nun bereits zum zweiten Mal im Galao, das wirklich brechend voll ist. Skating Polly legen sofort mit einer furiosen Dynamik los, das ist pure Energie. Lärmende Gitarrenflächen gestützt von der sehr tight spielenden Rhythmusfraktion. Beim dritten Song „The Battle Envy“ wird der Bass noch vibrierender, der Sound noch dichter, ohne auch nur ein My an Energie zu verlieren. Beim darauffolgenden Track vom kommenden Album, wird der Sound dann metallischer, das Schlagzeug härter. Hier kommen Assoziationen zu den Riot Grrrl Größen „L7“ auf, deren Sound nicht nur im Punk verwurzelt war, sondern auch immer starke Einflüsse aus dem Heavy Metal hatte. Im Gesamten ist die musikalische Nähe zu den grungigeren „Babes In Toyland“ und den Pionierinnen des Genres, „Bikini Kill“, allerdings größer.
Die Bühnenpräsenz ist immens, besonders die von Kelli Mayo, die ein performatives Repertoire auffährt, das seinesgleichen sucht; sie rollt exzentrisch mit den Augen, zieht Grimassen und verteilt Kicks. Stimmlich zelebriert sie pure Verausgabung, harmonischer Gesang geht in Kreischen und Schreien über, um wieder in ruhigeren Passagen zu münden. Im Vergleich dazu ist der Gesang von Peyton Bighorse fast schon harmonisch zu nennen. Ihre Stimme geht, aus Harmonien kommend, in ein ansteigendes Tremolo über, das mich zeitweise an den Gesang von Corin Tucker von „Sleater-Kinney“ erinnert. Ihre Stimme ist immer wieder kurz vor dem Kippen, tut es dann aber doch nicht; dies geht einem wirklich durch Mark und Bein.
Das Set steigert seine Energie, obwohl ja schon auf einem fulminanten Niveau begonnen, immer weiter, bis zu dem Song „Hail Mary“ (im Text wird Gewalt gegen Frauen thematisiert) aus dem Jahr 2017, der im Vergleich zum bisher gehörten, mit einem eher ruhigeren Melodieaufbau beginnt. Es gibt Harmoniegesang, einen gut durchdachten, komplexen Rhythmus, um dann doch wieder in einem Crescendo zu enden. Hier zeigt sich auch, obwohl die Riot Grrrl Bewegung ihren Höhepunkt in den Neunzigern hatte, die nach wie vor große Relevanz dieser feministischen Musikbewegung. In einer Zeit des konservativen Backlashes, in der bei aktuellen Umfragen erschreckend viele (junge) Männer angeben, dass es für sie durchaus normal sei, ihre Partnerin zu schlagen und sich gleichzeitig junge Frauen wieder auf traditionelle Rollenbilder reduzieren und sich auf unterschiedlichen Social-Media-Plattformen als TradWifes inszenieren.
Danach legt die Intensität, man mag es kaum glauben, noch mal zu, um regelrecht ins Publikum zu branden. Das ist schon eine ziemlich geile Show! Nach einer Stunde Spielzeit ist das Konzert ohne Zugabe zu Ende, was aber vollkommen Okay ist, da Skating Polly eine dermaßen intensive Show abgeliefert haben, wie viele andere Bands nach neunzig Minuten nicht.
Ich konnte dieses Jahr leider nicht kommen, deshalb vielen Dank für den schönen Bericht.
Worum es in dem Song «Hail Mary» geht, hat die Band in mehreren Interviews erklärt, z.B. hier:
https://www.theyoungfolks.com/music/103520/interview-skating-polly/