EDWIN ROSEN, FARCE, 04.02.2024, LKA, Stuttgart

Ok, wir sind wirklich nicht die ersten, die dem Phänomen Edwin Rosen auf den Grund gehen wollen. Aber jetzt können wir es endlich höchstpersönlich erleben. Was hat dieser Musiker an sich, der inzwischen eine Million monatliche Hörer:innen auf Spotify hat, jeden Gig ausverkauft und dabei auch nach drei Jahren immer noch kein Album hat? Wir sind sehr gespannt.

„Hallo, ich bin Edwin Rosen aus Stuttgart und habe noch nie in Stuttgart gespielt“. Strahlend, aber auch ein wenig schüchtern steht der schlaksige Musiker allein auf der spärlich geschmückten Bühne des (natürlich schon lange ausverkauften) LKA und genießt den Begeisterungssturm, der ihm entgegen brandet. Und wir gestandenen Konzertsenioren, die sich zwischen all den jungen Fans etwas deplatziert fühlen, müssen zugeben: Das ist schon ein beeindruckender Empfang. Da werden Blumensträuße auf die Bühne gereicht und der Jubel ist schon vor dem ersten gesungenen Ton riesig. Das hat schon fast etwas von einem Schlager-Star.

Einen gewissen Anteil an der guten Stimmung hat sicher auch die Künstlerin Veronika J. König aka Farce, die das Publikum in Edwins Vorprogramm nach allen Regeln der Kunst aufgewärmt hat. Auch sie spielt die lokale Karte: Sie lebe zwar in Wien, komme aber eigentlich aus der Nähe von Stuttgart, betont sie. (Ihre Agentur redet von „Schwarzwald“.) Mit schweren Elektro-Beats, fluffigen Synth-Pop-Melodien und einem sympathisch-nahbaren Auftritt bringt sie die Zuschauer:innen schnell auf ihre Seite. Clever platzierte Coverversion (Depeche Mode geht immer) werden freudig mitgesungen und mit kollektivem Handy-Lampen-Gewedel begleitet. Keine Frage: Dieser Sonntagabend entwickelt sich sehr erfreulich.

Doch zurück zum Star des Abends. Der eröffnet sein Set mit „21 Nächte wach“ und könnte sich das Singen eigentlich sparen, denn das übernimmt das Publikum – aus dem Stand und für den kompletten restlichen Abend. Der Song von 2022 ist typisch für Rosens Werk: eingängiger Synthie-Pop auf Elektro-Beats, dazu New-Order-Bass und verhallter Gesang. Was eine Video-Bloggerin hier genüsslich seziert, ist dennoch oder gerade wegen seiner überschaubaren Mittel überzeugend. Und es trägt locker über den gesamten Abend.

Mit ein paar stilsicher ausgewählten Coverversion verneigt sich Rosen vor seinen Vorbildern. „Nur ein Wort“ von Wir sind Helden wird ebenso in den typischen Edwin-Rosen-Sound gebracht wie „Marmelade und Himbeereis“ der NDW-Legende Grauzone. Und die leicht ironische Genrebezeichnung „Neue Neue Deutsche Welle“, die wir auch schon bei Flawless Issues und Steintor Herrenchor verwenden konnten, beschreibt diesen Sound wirklich perfekt.

Dass sein Album immer noch nicht fertig sei, erklärt er entwaffnend offen mit einer kleinen Schaffenskrise. Aus der habe ihm aber sein Freund Sparrow herausgeholfen und so sei er zuversichtlich, dass es im Herbst dann tatsächlich komme. Und kaum erwähnt, kommt eben dieser Sparrow in der Zugabe aus der Kulisse und intoniert mit Rosen einen Remix, in dem wir erstmalig an diesen Abend auch etwas Autotune zu hören bekommen. Nachdem das offizielle Set bereits mit dem Hit „Vertigo“ beendet wurde, hängt Edwin Rosen ihn – mangels weiterer Tracks – auch an das Ende des Zugaben-Blocks, bittet allerdings alle darum, es als „No Handy Version“ nochmal richtig abzufeiern.

Und das Geheimnis seines Erfolgs? Eigentlich ganz simpel: Ein unwiderstehlich sympathisches und authentisches Auftreten, eingängige Songs zu Themen, die seine Zielgruppe in ihrer Lebenswelt berühren und ein frischer Sound auf solidem Eighties-Fundament, mit dem er auch uns alte Zausel ganz locker abholt.

Am 17.05. kann man sich übrigens davon nochmal in Stuttgart überzeugen, denn da tritt Edwin Rosen auf der About Pop auf.

Edwin Rosen

Farce