JAH SCHULZ, JOHN ECKHARDT, CARSTEN NETZ, 05.02.2024, Rakete, Stuttgart
Eines der ganz wenigen musikalischen Großevents, an das wir vom Gig-Blog uns noch nicht herangewagt haben, ist das ECLAT-Festival für Neue Musik. Aber heute kommen wir ihm näher. Dieses Jahr hatte es nämlich eine „Installative Performance“ mit dem Bassisten John Eckhardt im Programm. Und da dieser umtriebige Bass-Forscher nun schonmal in Stuttgart ist, findet er sich am Montag nach dem Festival mit dem lokalen Dub-Spezialisten Michael Fiedler aka Jah Schulz zu einer Session zusammen. Zu einem Trio ergänzt mit dem Flötisten, Saxofonisten und Elektrofrickler Carsten Netz. Das alles im Rahmen der Montage-Reihe in der Rakete.
Klar, dass wir Gig-Blogger von diesem vermutlich einmaligen Ereignis in den Grenzbereichen der Popularmusik magisch angezogen werden. Und wir befinden uns in guter Gesellschaft: Gut drei Dutzend Besucher:innen füllen den Konzertraum ganz anständig, darunter natürlich (fast) alle notorischen Konzert-Nerds und Auskenner.
Wer Knipsen, eines der anderen Projekte von Netz und Fiedler kennt, stößt zu Beginn des Sets auf Vertrautes. Tonlos bläst Netz in das Saxofon, produziert dann erste Ton-Kleckse, die elektronisch moduliert werden, während Fiedler zurückhaltende Rhythmus-Patterns beisteuert. Äußerst minimal das Ganze, sich langsam steigernd und immer wieder verschiebend, während Eckhardt mit dezenten Läufen auf dem Fünfsaiter dazustößt. Es zeichnet sich schnell ab, dass es hier keine abgeschlossenen Tracks, sondern einen stetigen Fluss rhythmischer und melodiöser Muster ohne harte Brüche geben wird.
Und die haben es ihn sich. Denn der Spannungsbogen ist lang, aber zwingend und hypnotisch. Vom Stoischen der Minimal Music geht es über in Dub-Grooves und Hall-Effekte, da gibt es auch mal einen melodieführenden Walking Bass und einen subtil verschleppten Hi-Hat-Offbeat, der direkt auf Hüften und Beine zielt. Saxofon und Querflöte setzen die melodiösen Akzente und geben dem Ganzen etwas Schwebendes. Während sich mein Konzertbegleiter am zurückhaltenden Einsatz und „zu vielen Noten“ am Bass stört, mag er mir durch seine elegante und weiche Spielart gefallen.
Gut eine Stunde mäandert das Set durch viele Facetten der minimalen elektronischen Musik. Das ist in keinem Moment monoton oder gar langweilig. Im Gegenteil: Die Zeit vergeht wie im Flug. Es bleibt mir weiterhin ein Rätsel, wie sich die Musiker, die in diesem Setup noch nie vorher zusammengespielt haben, in ihren Improvisationen über den Ablauf, die Breaks und Übergänge verständigen. Auf mich als unbedarften Zuhörer wirkt es jedenfalls komplett mühelos und selbstverständlich.
Und während ich mich häufig bei experimenteller Musik frage „Ist es jetzt vorbei?“ (Oder ist das nur eine dramaturgische Pause?), kommt dieses Set zu einem derart schlüssigen Ende, dass alle Besucher:innen sofort entschlossenen und begeisterten Applaus spenden.
Vielen Dank für den tollen Report und die Bilder!! Es war ein ganz besonderer Abend für mich ❤️