DIE VERLIERER, FLAWLESS ISSUES, 30.09.2022, Komma, Esslingen
Krass, “Flawless Issues” spielt heute auch, schreibt mir Fotograf Michl. Der Name ist mir unbekannt. Was diese Begeisterung bedeutet, erklärt sich mir nach und nach an diesem Abend. Geht es mir doch eigentlich um die Berliner Band “Die Verlierer”, die auch heute Abend im Komma auftreten.
“Hallo, ich bin der Max und komme von hier.” Da steht nun besagter Flawless Issues auf der Bühne. Aus dem verlässlichen Flurfunk der regelmäßigen Konzertgänger gibt es die Info, dass Flawless Issues aus Stuttgarts Skaterumfeld kommt. Lobend erwähnt ebenfalls sein Cheap Trash Records T-Shirt. Seitlich der Bühne steht im Publikum ein groß gewachsener junger Mann und fotografiert Flawless Issues. Später erfahre ich, dass es sich um den Musiker Edwin Rosen handelte. Alles klar, den Song “leichter/kälter” mag ich von ihm. Ich habe jetzt auch ein Gesicht dazu. Eine Schnellrecherche während des Konzertes ergibt, eine “Retro Wave zieht durch die deutsche Musiklandschaft”. Und jetzt mittendrin, im hauptsächlich Twenty Something Publikum. Wellen können einen mitreißen und genau dieses tut das Publikum auch. Was ich sehr mag, ist diese Leichtigkeit und Ausgelassenheit, mit der getanzt wird. Viel Bewegung ist im Spiel auch bei Flawless Issues. Da spielt es keine Rolle, dass der frisch sanierte Saal im Komma halb voll ist. Der Stimmung tut es keinen Abbruch. Eine Band gibt es nicht, dafür gibt es das digitale Equipment. Treibende EBM-Beats mischen sich mit 90er Rave und New Wave.
So manch einer wird 80er Reminiszenzen erkennen. Den federnden Gitarrensound gibt es von Flawless live dazu. Die Songs mal in Englisch, mal in Deutsch gesungen, stets mit offenem Visier und einer Ehrlichkeit. “Hey Flawless” wird leise von den Mädels in der ersten Reihe gerufen, das Herz schlägt höher. Er wird es jetzt vielleicht nicht hören, aber auf die Chucks zeichnet er nach dem Konzert ein Autogramm. Vielleicht macht das seine Performance auch sympathisch und nicht gänzlich abgeklärt.
Für die “Die Verlierer” müssen erstmal die Ohrstöpsel ausgepackt werden. Schließlich soll es nicht der letzte Konzertbesuch sein. Die fünf adrett gekleideten jungen Herren (ebenfalls Mitglieder der Bands Chuckamuck und Maske) gehen mit einer Wucht nach vorne. Der launige Gesang, der mir beim Anhören des Albums gut gefällt, tritt live in den Hintergrund und ist deutlich kraftvoller. Vor der Bühne hat sich bereits ein Moshpit gebildet, Energie, die mitreißt, kommt auch hier auf. „Politik ist für die Galerie, nicht funktioniert” wird mehrstimmig gesungen. Das klingt nach Hausbesetzer-Szene, Autonomes Jugendzentrum, Rückblende der 80er/90er und ihrem eigenen Ding.
Sich an der Exekutiven abzuarbeiten, geht immer. Vermutlich ist man in der Hauptstadt auch näher dran, wenn wieder etwas nicht funktioniert. Es scheppert, kracht und poltert. Sympathisch, wie die Bandmitglieder zusammen agieren. Für mich sticht keiner heraus, das im positiven Sinne, denn, wie ich finde, agieren sie als Kollektiv und stehen gleichberechtigt nebeneinander auf der Bühne und nicht versetzt. Abgesehen natürlich vom Schlagzeuger.
Eine interessante Kombi der Akteure, die das erst anders geplante Booking heute Abend zusammengebracht hat. Schön, dass der 1,5m Abstand nicht mehr präsent ist, sonst würde ein Moshpit auch nicht funktionieren.