CULK, 03.02.2024, Merlin, Stuttgart

Mit ihrem dritten Album „Generation Maximum“ lieferte die Wiener Band Culk im letzten Jahr eine sowohl musikalisch, als auch textlich großartige Gegenwartsbetrachtung ab. Ein Album, das mich sofort gepackt hatte, nicht mehr los ließ und ganz weit vorne auf meiner Jahresbestenliste war. Entsprechend groß war meine Vorfreude auf die Liveumsetzung heute Abend im Merlin.
Eines vorab, dem Auftritt von Culk in einer Konzertkritik gerecht zu werden, ist eigentlich nicht möglich. Man müsste, ob der großen Tiefe und Komplexität der Texte, auf jeden einzelnen Song eingehen und versuchen ihn zu analysieren, was aber in diesem Rahmen natürlich überambitioniert wäre. Aber trotz dieses Dilemmas, der Text will nun mal geschrieben werden.

Kurz nach 20.30 Uhr betritt die Band die Bühne und eröffnet den Konzertabend mit dem Titeltrack des neuen Albums. Schon hier zeigt sich die große Relevanz der Texte bezüglich Betrachtung und Reflexion unserer Zeit.
Wer sich heute nicht neu erfindet, wird bald verschwinden. Ihr sucht in uns die Revolution, bürgt uns auf, was ihr nicht leisten wollt
singt Sophie Löw mit lakonischer Eleganz und legt den Finger in die Wunde. Zeigt den älteren Generationen ihre Versäumnisse auf, das Festhalten am Alten. Ein Verhalten, das die Zukunft der Jungen gefährdet. Dies wird aber auch musikalisch nicht wütend vorgetragen, sondern mit einer tiefen, düsteren Melancholie, die einen schon jetzt, nach nur wenigen Minuten, gefangen nimmt.

Löw verhandelt in ihren Texten allerdings nicht nur den (desolaten) Zustand unserer Welt, auch Zustände des Zwischenmenschlichen werden mit großer Sprachkraft ausgelotet, was gleich der zweite Song „Bronzeguss“ aus dem 2019 erschienenem Debüt „Zerstreuen über euch“ eindrücklich beweist:
Sag mir nicht wer ich bin und ich bleib bei dir, sag mir nicht wann ich bin und ich bleib dir, sag mir nicht wie ich bin und ich bleib bei dir
Dies ist weit davon entfernt ins Poesiealbumhafte, Kitschige abzugleiten, dies hat große lyrische Qualität.
Die Texte zeigen auch im weiteren Konzertverlauf ihre große poetische Tiefe und Kraft. Sie sind voller melancholischer, bewegender Schönheit, eingebettet in einen, den Hörer komplett durchdringenden Sound. Und hier zeigt sich, dass dies nicht nur auf der textlichen Ebene ganz vorzüglich ist, sondern dass man auch musikalisch ein hohes Niveau erlebt. Subtil eingesetzte Dissonanzen, die die Fragilität der Kompositionen hervorheben und verstärken. Die Musik ist von geradezu existenzieller Dringlichkeit, die eine intensive und doch auch zarte Spannung entstehen lässt. Diese Ambivalenz ist es, was die Musik von Culk auf inhaltlicher als auch ästhetischer Ebene, so zwingend macht.

Die Performance zieht mich im weiteren Verlauf immer mehr in ihren Bann. Löws Gesang ist einnehmend und emotional, ebenso ihre Bühnenpräsenz. Der Sound mäandert hypnotisch, der Bass von Jakob Herber erzeugt voluminöse Klangräume, Johannes Blindhofers Gitarrenspiel erweitert diese Räume mit shoegazigen Schichtungen aus Hall und treibenden Riffs und das komplexe Drumming von Christoph Kuhn verleiht diesem Sound ein perfektes Rhythmusgerüst. Dies alles wird immer wieder von noisigen Parts durchbrochen, dekonstruiert, was die Spannung weiter verstärkt; wie beim Song „Ruinen“ der in einem punkigen Crescendo endet. Gefolgt von „Flutlicht“, der, so berichtet Sophie Löw, laut ihrem Labelchef das langweiligste Lied sei, das sie je geschrieben habe. Was natürlich nur augenzwinkernd gemeint gewesen sein kann.

Hier erlebt man, genau wie im anschließenden Song „Dein Gehen“ eine tiefe, traurige, aber auch wohlige Wärme, die einen umschließt und aufsaugt. Aber auch hier ist die Ambivalenz von Culks Musik gegenwärtig. Der Sound durchbricht das Dunkel und zieht einen gleichzeitig hinein. Dies ist so intensiv emotional, dass sich ein Kloß im Hals bildet. Man sieht, dass das hochkonzentrierte Publikum im sehr gut besuchten (vielleicht auch ausverkauften) Merlin wirklich bewegt ist. Hier redet niemand zwischen den Songs, man kann gar nicht anders, als sich von der Musik gefangen nehmen zu lassen.
Wir hören dich verstummen, in Chören wird gesungen. Du befreist dich als der Tag fiel. Versiegelt dein Körper, befreit deiner Wörter entfernst du dich. Sprich zu mir. Wir sind bei dir. Deine Hand ist taub, irgendwann wird sie Staub. Ich halte dich so leicht ich kann, bald fängst du von vorne an, von vorne an.
„Dein Gehen“
aus: „Dein Gehen“
Zum Song „Ode an die Freude“ merkt Löw an, dass sie in einem Interview gefragt wurde, ob dieser Song sarkastisch gemeint wäre und sie erwidert habe, dass er todernst gemeint sei.
Es ist ein Konzert, das Gefühle der Hoffnungslosigkeit thematisiert und doch schimmert immer wieder die Hoffnung durch. Ein Konzert von großer Intensität, ein Konzert wie ein Seufzen in der Aporie des Seins.
Großartig, ich freue mich auf ein Wiedersehen!

Ja, genau so war es. Culk wird immer besser. Für mich Auflage Nummer 4 und es macht immer mehr Freude. Im Merlin war es fast perfekt. Nur der Aussage, dass niemand sich traute, zu reden, kann ich mich nicht anschließen. Die ersten 20 Minuten ging es aber dann hielten es ein paar Mitmenschen nicht mehr aus und unterhielten sich leider recht störend wie so häufig.
Nun ja, vielleicht ist’s beim nächsten Culk-Konzert noch beeser – darauf freue ich mich jedenfalls :)