EL HOTZO, 14.10.2023, Im Wizemann, Stuttgart

El Hotzo
Foto: Patrick Grossien

Immer wieder schön, wenn man sich als Schreiberin einbildet, man sei über den Act des Abends exzellent informiert und überhaupt der allergrößte Fan, und dann stellt sich raus, der diensthabende Fotograf weiß mindestens genauso gut Bescheid wie man selbst.

So kommen Patrick und ich gleichermaßen gut vorbereitet zu El Hotzo. Wir besitzen beide den aktuellen Roman „Mindset“, der im April bei Kiepenheuer & Witsch erschienen ist, Abonnent*innen in den sozialen Medien sind wir sowieso.

Interessant übrigens, dass El Hotzo mit 1,3 Millionen Follower*innen eher auf Instagram stattfindet als auf X (früher Twitter), wo ihm deutlich weniger Nutzer*innen folgen. Hätte ich eher andersherum gedacht.

Wir sind an diesem Samstagabend wenig überraschend nicht die Einzigen, die das Internetphänomen El Hotzo live erleben wollen. Die Halle im Wizemann ist komplett ausverkauft. Mit gut fünfhundert Leuten ist der bestuhlte Saal bis auf den letzten Platz besetzt.

Der Altersdurchschnitt dürfte nicht allzu weit über dreißig liegen, vielleicht sogar eher drunter.

Auf dem Lesetisch stehen fünf kleine Wasserflaschen bereit, an den Seiten ist die Bühne mit aufblasbaren Tieren dekoriert, im Hintergrund steht ein Michael-Schumacher-Aufsteller (es besteht kein inhaltlicher Zusammenhang zur Show, wie wir später erfahren). Pünktlich um acht Uhr geht’s los.

El Hotzo
Foto: Patrick Grossien

El Hotzo, eigentlich Sebastian Hotz, startet mit einem zwanzigminütigen Stand-Up-artigen Monolog, der in Teilen auf Stuttgart zugeschnitten ist. Patrick und ich fragen uns, wie viel inhaltlich vorbereitet ist und was spontan entsteht. Schließlich ist der Mann kein professioneller Comedian und auf so einer Bühne zu stehen bzw. zu sitzen muss man ja auch erstmal lernen. Klappt aber gut. Nervosität ist nur anfangs zu erkennen und verfliegt bald.

Es ist El Hotzos sechster Auftritt im Rahmen der aktuellen Lesetour. In Stuttgart war er bisher nach eigenen Angaben genau einmal, nämlich mit seinem Vater beim Konzert von The Who in der Schleyerhalle.

Von der Menge an Publikum ist der Künstler selbst überrascht. Ihm sei es eigentlich am liebsten, wenn er das Publikum möglichst nicht sehe und Zahlen über hundert finde er ohnehin schwer zu begreifen.

Wir erfahren außerdem, dass El Hotzo seinen Ruhm in Teilen der Band The Boss Hoss zu verdanken habe. Die habe er seinerzeit im Internet explizit beleidigt, was zu einer vorübergehenden Sperrung seines Twitter-Accounts führte und infolgedessen zum Umzug auf Instagram, inklusive deutlichem Follower-Zugewinn.

Das chronologische Vorlesen von Auszügen aus „Mindset“ wird immer wieder ergänzt durch verschiedenen Anekdoten aus dem Leben des Autors und Erläuterungen zur Entstehungsgeschichte des Romans.

So hatte auch Sebastian Hotz, ähnlich wie die Protagonist*innen im Buch, einige Jahre lang einen eher uncoolen Job als Industriekaufmann. Ein biografischer Fakt, der übrigens in Medienkreisen offenbar schon reicht, um Aufmerksamkeit zu erregen, steigt man dort doch typischerweise mit einschlägigen Praktika direkt in die Branche ein.

Wahrscheinlich ist es auch dieser unspektakuläre Werdegang, der dazu beiträgt, dass es dem Autor El Hotzo so gut gelingt, sein Publikum mit selbstironischen Beobachtungen abzuholen, mit denen sich alle irgendwie identifizieren können.

El Hotzo
Foto: Patrick Grossien

Überteuerte Espressomaschinen, Rennräder, die Sneaker-Sammlung, Pizzaöfen – „Männer Mitte zwanzig sind die am leichtesten zu verarschende Zielgruppe“. Ertapptes Lachen im Publikum, und die Erkenntnis, dass man womöglich doch keine so erlesenen Hobbys hat, wie gedacht.

Nach der Pause erkundigt sich El Hotzo fürsorglich, ob die zum Ende der ersten Hälfte von ihm ins Publikum geworfene Kastanie jemanden verletzt habe. Glücklicherweise nicht.

Es geht weiter mit einem kurzen Einblick in zwei gängige Motivationsbücher aus dem „Crypto Bro Finance Consulting“-Genre. „Die Millionärsformel“ von Carsten Maschmeyer und „Das ist Alpha! Die 10 Boss-Gebote“ von Kollegah. Beides Titel, die bei der Recherche zum El-Hotzo-Roman „Mindset“ hilfreich waren. Denn auch dort geht es unter anderen um einen leidlich erfolgreichen Motivationscoach und generell Männer auf der Suche nach sich selbst.

Sehr einleuchtend finde ich die El-Hotzo’sche These, dass evolutionär, anders als in einschlägigen Ratgebern dargestellt, in Wirklichkeit auf lange Sicht ein bisschen dumme und feige Männer im Vorteil seien. Durchaus überzeugend, je länger man darüber nachdenkt. Eine Welt voller Philip J. Frys und Kens, aus meiner Sicht nicht das Allerschlechteste.

Erstaunlich, wie ruhig und aufmerksam das Publikum ist. Minimal hört man nur manchmal die Beats vom Nachbarkonzert, bis zum Schluss bleiben alle konzentriert dabei.

Nach zwei Stunden Lesung gibt es viel wohlwollenden Applaus und glückliche Gesichter. Am Merch- und Signierstand ist eine lange Schlange, wir verzichten aufs Anstehen und entschwinden in die kühle Herbstnacht.

Ich bin normalerweise nicht der allergrößte Fan von Lesungen. Hier ging das Konzept aber super auf und bescherte einen kurzweiligen Abend. Natürlich ein komplett anderes Erlebnis, als El-Hotzo-Posts durchzuscrollen, aber vom Unterhaltungsfaktor durchaus vergleichbar.

El Hotzo

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