EROBIQUE, 23.06.2023, Im Wizemann, Stuttgart
Das ärgert mich schon, dass ich Carsten „Erobique“ Meyer tatsächlich noch nie live erlebt habe – dabei ist der Mann seit einem Vierteljahrhundert beständig unterwegs und hat seinen Ruf als unwiderstehliche Ein-Mann-Partymaschine in Stuttgart schon im Merlin, Kim Tim Jim (hieß es so?), Wagenhallen und Freund & Kupferstecher bewiesen. Alles ohne mich, ich hab’s verkackt (übrigens ein Songtitel des nagelneuen Erobique-Albums „No.2“).
Selber Schuld, also stehe ich jetzt im großen Saal des Wizemann mit gut tausend Fans und leide doch ein wenig an den Dimensionen des Events, wie auch an einer für meinen Geschmack arg trunkenen Mainstream-Partystimmung – aber wahrscheinlich bin ich nur mal wieder zu alt und nörgelig für absehbare Gute-Laune-Events.
Dabei hat sich das Merlin als externer Veranstalter große Mühe gegeben, die Bühne als kuscheliges Gewächshaus dekoriert und mit Gaisma auch gleich noch eine DJ fürs Rahmenprogramm gebucht. Bei sommerlichem Wetter trifft man vor Konzertbeginn auf ein illustres Publikum mit reichlich Lokalprominenz – alles ist perfekt arrangiert für einen gutgelaunten, schweißtreibenden Partyabend.
Und es beginnt vielversprechend, hat Carsten Meyer doch neuerdings einen Drummer mit an Bord. Und jener Lucas Kochbeck (Angels Of Libra, Hamburg Spinners) sorgt für zusätzlichen Drive beim handgespielten Disco-Sound des Meisters. Der weiß auch durch kühnes Outfit zu begeistern, Overall und Anglermütze lassen den kompakten Entertainer noch knuffiger wirken. Wer den Erobique-Sound nicht kennen sollte, darf sich so eine Art Heimorgel-Rave vorstellen. Meyer bedient in seiner Keyboardburg eher oldschoolige Tasteninstrumente, unauffällig angereichert mit ein wenig Digitalem.
Klingt aber strictly Oldschool und lässt Tanzbares aus den 70ern, 80ern und 90er ultralässig zusammenlaufen. Der Typ ist ein abgezockter Profi und technisch versierter Musiker, der vermutlich alles spielen kann. Heute öffnet er ein Füllhorn an funky Tastenläufen, locker aus dem Ärmel geschüttelt und präzise auf den Punkt inszeniert. Funk und Disco sind seine Welt, dazu kommen sprudelnde Elemente aus der Zitathölle der Dance-History: Bacharach und Beatles, Blondie und Stevie Wonder allein in der ersten Viertelstunde.
Dazwischen kommen auch mal klassische House-Piano-Läufe, aber auch elegante Soli auf der Melodika – zur Zugabe sogar im Publikum. Die Anwesenden sind von Anfang an Wachs in den Händen des (Fast-) Alleinunterhalters. Schon früh wird großflächig getanzt, noch mehr getrunken und beherzt mitgesungen. Im großen Konzertsaal kommt es zunehmend zu klassischen Club-Situationen: Kreischen und Pfeifen bei gelungenen Breaks, dazu Hände in die Luft und funky downgetten nicht nur in den vorderen Reihen.
Vor allem natürlich bei Erobiques Trademark-Hits, die dann auch in Extremely Extended Versions komplett ausgereizt werden. „Easy Mobeasy“ lässt den Schweißpegel weiter steigen, „Urlaub in Italien“ bildet den vielstimmig mitgegröhlten Showdown. Welche Macht der Typ über sein Publikum hat, lässt sich auch daran erkennen, dass als Zugabe nach kurzer Pause einfach der Beat des Hits wieder aufgenommen wird und das euphorische Publikum ganz selbstverständlich den Gesang – minutenlang – übernimmt. Zum Abschluss wird es mit Whams unschlagbarem „Careless Whisper“ dann auch noch geschmackssicher sentimental.
Fazit: Erobique ist eine schrullig-charmante Party-Granate, dem ich auch den allergrößten Erfolg von Herzen gönne. Meinetwegen darf er auch die Schleyerhalle in ein Disco-Inferno verwandeln, aber wünsche mir trotzdem aus tiefstem Herzen, ihn noch einmal in einer kleinen Location erleben zu dürfen. Eine Lösung deutet der zufrieden grinsende Merlin-Booker an, der laut darüber nachdenkt, Erobique statt einmal in der großen Halle lieber an fünf Abenden hintereinander im Merlin auftreten zu lassen. Deal?
Es ist nach Jahren der erste Ebobique-Gig, dem ich nicht beiwohnen konnte (Tochter machte eine große Geburtstagsübernachtungsparty).
Daher bin ich dankbar, dass ich die Party nachlesen darf.
Und der Deal mit dem Clubauftritt lohnt sich, sehe hier:
https://www.gig-blog.net/2017/11/18/erobique-16-11-2017-merlin-stuttgart/