Nachruf GABI DELGADO / DAF, 22.03.2020
Das letzte Mal live sah ich Gabi Delgado, Sänger, Texter und Performer der Band DAF (Deutsch Amerikanische Freundschaft) am 30. September 2017 im ausverkauften Astra Kulturhaus in Berlin.
Jungs und Mädels, geht’s Euch gut?
Fröhlich und unbeschwert waren seine Ansagen zwischen den so ernsten und schroffen Tracks, die er – wie immer – mit aller Energie, Strenge und Verve vortrug. Gabi hatte sichtlich Spaß an diesem Abend. Ein gut aussehender, schlanker älterer Herr mit 59 Jahren, der mit sich und seinem künstlerischen Werk im Reinen war. Die Sturm- und Drangzeit lang hinter sich gelassen, hohe Anerkennung von denen, auf die es ankommt, kein Euro-Dance-Album in den 90ern gemacht, einfach nur problemlos den Laden in der Hauptstadt 35 Jahre nach der Hochzeit ausverkauft und mit seinem Freund Robert Görl die alten Knüppel aus dem Sack holen. Und Menschen Freude machen. Da kann man schon mal fröhlich und unbeschwert sein Publikum mit „Jungs und Mädels“ anreden.
Gut, ich bin etwas sentimental ob Gabriel „Gabi“ Delgado-López’ Tod, der heute bekannt wurde und erstaunlich viel Widerhall in den Print- und Onlinemedien auslöste (SpiegelOnline, Süddeutsche… und sehr lesenswert Jens Balzers Artikel in der Zeit). War das Konzert tatsächlich so, wie ich es jetzt rückblickend in Erinnerung habe? Letztlich ist es egal, es drückt die – Achtung: Pathos! – Verehrung eines Musikers und Kulturschaffenden aus, dessen Arbeit mit seinem Partner wie bekannt im musikalischen Kontext wegbereitend für viele Musikstile wurde (z. B. : Electronic Body Music, Neue Deutsche Welle, Electropunk, Techno, Neue Deutsche Härte etc.), was in den Nachrufen all überall besprochen wird. Daher möchte ich den Blick auf einen weiteren Aspekt lenken:
Dass er Anfang der 1980 als spanisches Einwanderer- und Flüchtlingskind einer Formation vorstand, die die deutsche Sprache so stark und hart ins Zentrum rückt, bei der er und Görl sich mit ihren geschorenen Haaren und schwarzen Lederjacken homoerotisch und faschoartig zugleich präsentierten und unter anderem im Song „Kebabträume“ den multikulturellen Wandel in Berlin Kreuzberg zelebrierten, war damals nicht nur musikalisch, sondern auch im gesellschaftlichen Sinne echte Avantgarde. Die Nische Punk machte es möglich, und auch dort stieß DAF und insbesondere Delgado viele vor den Kopf. Manche aus der Szene waren möglicherweise auch Hohlköpfe, aber das ist ja in der Gesamtgesellschaft nicht anders. Zur Einordnung: Anderthalb Generationen später wurde Cem Özdemir Parteivorsitzender der Grünen, Conchita Wurst ESC-Gewinnerin und Linda Zervakis liest uns die Nachrichten vor – und alle drei und noch viel mehr werden wegen ihrer Wurzeln oder ihrer Liebe angefeindet.
2014 war Gabi so nett, mir den Gig-Blog-Fragenkatalog zu beantworten:
Gig-Blog: Das Buch, das Dich am meisten berührt hat, heißt…
Gabi: Deutsche Literatur 8 / Romantik 1, herausgegeben von Hans-Jürgen Schmitt (Anm. Gig-Blog: ein schönes, gelbes Reklamheft).
Typisch Einwanderer, typisch Punk, typisch Gabi. Gestorben am 22. März 2020 mit 61 Jahren.
Zum Weiterhören:
DAF – Als Wär’s Das Letzte Mal
Zum Weiterlesen:
DAF, PSYCHE, DEINE JUGEND, 12.03.2011, Club Paradox, Ludwigsburg
QUESTIONS & ANSWERS – der gig-blog-Fragenkatalog: Folge 102 mit DAF
DAF, 07.11.2014, LKA, Stuttgart
Danke!