ARCHIE BRONSON OUTFIT, 26.04.2010, Universum, Stuttgart
Was machen wir denn an einem Montagabend? Vielleicht zu einem Konzerthöhepunkt des Jahres gehen? Klingt doch ganz ok, so als Idee.
Archie Bronson Outfit gastieren heute im Universum, im Gepäck ihr formidables neues Album Coconut.
Wie so gerne mal bei tollen Bands der Psychedelicrock-Richtung, könnten sich in Stuttgart ruhig auch mal mehr Zuschauer zusammenfinden. Sollte vielleicht mal näher erforscht werden, ob’s da irgendeine Unvereinbarkeit gibt zwischen schwäbischer Gemütsverfassung und Psychedelicrock. Egal, dumme Annahme, sieht wahrscheinlich überall gleich aus.
Aber die Stimmung wird einiges wettmachen, und schlussendlich ist das Universum dann doch noch recht angenehm gefüllt.
Als wir im Universum aufschlagen, bietet sich folgendes bizarres Szenario: Mann mit Bart, Sonnenbrille, Baseballkappe und Holzfällerhemd hockt auf der Bühne am Keyboard, bedient nebenher noch einen Drumcomputer und spielt Alleinunterhalter-Psycho-Hop. So stell ich mir das vor, wenn man jemanden noch halb zerschossen vom Acid auf die Tastatur loslässt. Aber sehr unterhaltsam diese wirre Vorstellung, mir gefällt’s.
Kurze Umbaupause, und das englische Trio kommt auf die Bühne, dabei haben sie noch einen Keyboarder, Quartett also.
Bezaubernd das Outfit: psychedelische Umhänge, deren Herkunft nicht ganz geklärt ist. Gut vorstellbar, dass die Eltern der Bandmitglieder sich zur Zeit über das Verschwinden ihrer Gardinen, bzw. über geschälte Sofas wundern. Letzte Stylinganmerkung noch: Basser und Gitarrist tragen Espandrillos.
Verspricht das Aussehen schon einiges, hält die Musik aber wirklich alles. Der Einstieg ist das sehr psychedelische, und an die seligen Pink Floyd zu Barretts Zeiten erinnernde You Have A Right To A Mountain Life. Hier wird schon klar was einen diesen Abend erwartet: trippy monday! Viel Zeit verschwendet wird nicht. Kurzes Dankeschön, hektisches Gitarrenwechseln, und weiter mit Magnetic Warrior. Das Set ist eine gelungene Mischung aus alten und neuen Songs. Da gibt es schrägen Funk ala Chunk und stumpf-geile Oberton-Gitarren Rocksongs wie Wild Strawberries. Auf die Uhr schaue ich während des Auftritts kein einziges Mal. Der flehende Gesang von Sänger und Gitarrist Sam Windett, der Bass, bzw. die Noisegitarre von Dorian Hobday, plus das so treibende wie fein nuancierte Schlagzeugspiel von Mark Cleveland ergeben einen perfekten Gesamtsound, in welchem sich der Keyboarder bestens einfügt. Schmutzig genug, druckvoll wie Sau, clever arrangiert, tolle Kompositionen, State Of The Art Psychedelic im Jahr 2010.
Es erinnert bei den rockigeren Songs gerne mal etwas an Spacemen 3, Harness (Bliss) löst bei mir gar Hawkwind Assoziationen aus, bei Shark’s Tooth pumpt dann plötzlich ein Discobass.
Das Ganze wird mit einer Energie über einen gegossen, dass man nur staunen kann. Man sagt mir, ich solle schreiben, dass es das Konzert des Jahres sei (ok, aber Orwell gab’s auch noch). Und anfügen soll ich noch, dass es viel länger als knapp über eine Stunde hätte dauern müssen. Ok, richt ich auch aus. Stimmt ja auch. Andererseits, wer qualitativ so durchgängig geil abliefert, darf auch nach einer Stunde gehen.
In den Genuss zweier Zugaben kommen wir noch. Zuerst eine schleichend-schleppende Nummer in bester The Black Angels Manier, und zum Abschluss das fröhliche Südstaaten Popstück Run Gospel Singer.
Bin schwer begeistert und hol mir morgen gleich ein Paar Espandrillos. Mal bisschen den eingefahrenen Style dieser Stadt aufmischen.
Jo Lino, schön die Stimmung und das Konzert eingefangen hätte ich nicht anderes beschrieben.
Nur die Sache:
Mann mit Bart, Sonnenbrille, Baseballkappe und Holzfällerhemd hockt auf der Bühne am Keyboard, bedient nebenher noch einen Drumcomputer und spielt Alleinunterhalter-Psycho-Hop…
…dat hat für mich nicht viel mit Musik zu tun aber gut da gehen die Meinungen eben auseinander.
so long…
Danke! Jo, macht gar nix, dass man über den Vorprogramm-Mann unterschiedliche Ansichten hat, war ja schon sehr schräg. Mir war das immer noch lieber als irgendne Gitarre, die nur ganz entfernt nach Vampire Weekend klingt;-)
Hi Lino, geb dir in (fast) allen Punkten recht:
– Konzert des Jahres (bisher)
– Vorprogramm: sehr sehr geil (hab mir die Live-Cd nach dem Auftriit gekauft; lief auf der kompletten Heimfahrt)
– Publikum: Bin extra aus Würzburg gekommen und war um 20:30 da. Hab mich irgendwie für Stuttgart geschämt. Da waren etwa 20(!) Leute da. Das hätten wir selbst hier in Würzburg zusammenbekommen. Zur „Rettung“ sei gesagt: Es füllte sich dann langsam und am Schluß war es dann doch ganz ok. Stimmung war auch gut.
– Einzige Kritik: Hätte länger sein können und auch lauter.
Gruß nach Stuttgart
mikeman
@mikeman: das mit dem Schämen für den Zuschauerzuspruch seh ich mittlerweile gelassener, seit Ruben Romano von The Freeks, angesprochen von uns auf die geringen Zuschauerzahlen bei ihrer Show hier, meinte, dass in San Franzisko unter der Woche definitiv weniger los sei. Gibt’s das AKW noch in Würzburg?
Yeah! War super! Verdammt, der Vorband-Typ hat auch Musik und nicht nur vieleviele Shirts im Angebot gehabt? Ärgerlich, habe ich übersehen, fand ihn nämlich auch echt gut.
Den sollte man sich bestellen können wie Money Mark:
https://www.youtube.com/watch?v=-cRRRkYyG9w
Grand Royal – wie arg doch dieses Label fehlt. Und obwohl noch halbwegs gerettet, wenn eine Domino Band (Franz Feridand, Clinic, Arcitc Monkeys, The Fall…) in die Stadt kommt, haben die Leute zahlreicher zu erscheinen. Verdammt. Wir liegen im Ranking vor San Francisco – das soll auch so bleiben.
@Lino: alles klar, Fremdschämen spar ich mir also beim nächsten Mal. War ja dann auch halbwegs voll. Tja, und unser AKW hat letztes Jahr dichtgemacht wegen mangelnder Kohle (jetzt schäm ich mich) Auch bei uns wissen zu wenig Leute was gut ist….
@toxic: der Typ hatte 2 CDs zum Verkauf. Eine Studio- und eine Live-CD. Ich hab die Live-CD, die etwa dem Set/Track vom Montag entspricht. Mail mir mal unter an rhodos@web.de an….
Mal schaun ob ich euch helfen kann vor SF zu bleiben….
Grüße aus WÜ
mikeman