KOMMA WINTERFEST: POINT NO POINT, MINT MIND, PETER MUFFIN TRIO, ZA! U.A., 15.02.2020, Komma, Esslingen

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Foto: Armin Kübler

Liebgewonnene Traditionen haben etwas für sich. Das Winterfest vor zwei Jahren im Esslinger Komma ist noch präsent und in bester Erinnerung. In guter Erinnerung auch wegen der familiären Atmosphäre. 5 Acts erwarten uns an diesem Abend. Die Gelegenheit will genutzt werden, Bands zu entdecken, die man nicht kennt, auf Musik zu treffen oder Stilrichtungen zu treffen, bei denen man sich fragt, wie sollen die zusammenpassen.

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Foto: Armin Kübler

Den Anfang des Festivals gibt es aus der Minimal Music Ecke in Form des Stücks New York Counterpoint – komponiert für Solo Klarinette und Tape von dem amerikanischen Komponisten Steve Reich. Viel Bewegungsfreiheit gibt es noch für das Publikum (sind ALLE anderen etwa bei Algiers?) als Klarinettist Blake Weston vom Podium Esslingen für seinen Soloauftritt das vor der Bühne aufgestellte Podest betritt. Er setzt die Klarinette an und die ersten Klänge des aus drei Stücken bestehenden Werkes erklingen. Wir hören einen Satz daraus, Spiellänge 11 Minuten. Loops bauen sich auf aus einer immerwährenden Tonfolge. Anfangs noch recht wohlklingend und freundlich werden immer wieder neue Obertöne darüber eingespielt bis es dann zu Brüchen und Wendungen kommt. Ein Dialog zwischen den Klarinettenklängen entsteht. Von meinen Platz aus betrachtet, ist zu sehen, dass man ordentlich Zwerchfellspannung als Bläser benötigt, um sich für ein Solostück den Atem gut einzuteilen.

Einen sanften Einstieg ins Festival finde ich gut, auch wenn Minimal Music mich nicht im Alltag begleitet. Der Bühnenvorhang wird zur Seite geschoben, vorher noch das Podest abgebaut. Ganz allmählich füllt sich der Saal, zügig geht es weiter mit der ersten Band des Abends.

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Foto: Armin Kübler

Gemeinsamer Nenner aller auftretenden Bands des Festivals ist, dass die MusikerInnen alle in weiteren Haupt-,Seiten und Soloprojekten mitwirken. So auch Jana Sotzko, Gitarristin bei Soft Grid (Berlin). Gig-Blog berichtete. Heute mit ihrer vierköpfigen Band Point No Point am Start. Kein Bass ist bei der Livebesetzung dabei, dafür ordentlich Synthesizer, der im Wechsel vom zweiten Gitarristen mit bedient wird. Die Bühne ist in angemessene Kunstnebelstimmung getaucht. Sanfte Klangfarben von Synthesizer und E-Gitarre treffen aufeinander, breiten sich im Raum aus und verweben sich in den längeren Instrumentalpassagen miteinander. Über den dahintreibend fließenden Sound legt sich das zweistimmige Call-and Response Gesangsspiel von Jana Sotzko und Keyboarderin Johanna Amelie (auch Solo unterwegs mit ihrer One Moon Tour). „Drift“ heißt das im letzten Jahr erschienene Album. Sicher nicht umsonst. Abdriften lässt sich sehr gut bei den Songs. Damit sich der Klang nicht ganz verliert, stupst der Drummer, der heute zum ersten Mal bei einem Auftritt dabei ist, mit seinem jazzig anmutenden Spiel zurückhaltenden Songs noch an. Sehr höflich bedankt sich Jana Sotzko beim Publikum.

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Foto: Armin Kübler

Zu weit abgedriftet an Aufmerksamkeit, holt der nächste Act mich mit einem Knall wieder zurück ins Geschehen. Vorher noch ein schneller unkapriziöser Umbau, emsiges Treiben auf der Bühne. Mint Mind aus Hamburg gibt es seit sechs Jahren und ist die Band von Rick McPhail, Gitarrist und vierter Mann im Bunde bei Tocotronic. Dresscode der Band: Blockstreifen-Shirts. Mag ich, Stripes are my colour. Die Besetzung: zwei Gitarren (Rich Mc Phail und Christian Klindworth) und Drums (Tim Wenzlick). Kein Bass. Schon wird von zwei hinter mir stehenden Herren geunkt, ob hier möglicherweise ein Trend zu Nicht-Bass Bands sichtbar ist. Dafür wäre eine Feldforschung im größeren Umfang anzusetzen. Der erste Song wirkt gleich wie eine Druckwelle. Sehr kraftvoll, selbst die kleinen Haifischzahn-Aufkleber, die um das Resonanzloch auf Basedrum kleben vibrieren ganz aufgeregt. Da kann man ruhig die Gassenhauer-Formulierung rausholen: Die hauen ein Brett raus. Rock’n’Roll, Psychedelic boxen nach vorne, dazu weiterführender Sound von „All“ und „Descendents“. Das klingt nach Skateboard, Vans und jugendlicher Unbeschwerlichkeit, wenn auch die Bandmitglieder dem Jugendalter entwichen sind. Im Herzen sind sie es noch, denn mit Spice-Ginger, Scary Spice und Baby Spice hat jeder Musiker einen Spice-Girl Avatar wie Rick McPhail erzählt. Zudem ist er, Rick, sehr witzig und liebt Wortspiele. Thoughsicles heißt das neue Album. O Ton aus der Quelle Deutschlandfunk, ist das „eine Wortneuschöpfung „Gedankenzapfen, wie Eiszapfen: Icicles – thoughtsicles.
Ich stelle fest, dass hat hier null mit Tocotronic zu tun. Ein Button ist gekauft, bin jetzt Fan.

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Foto: Armin Kübler

Der erste lokale Act des Abends kommt. „Wann liefern sie mich ein, wann liefern sie mich ein“ singt Julian Knoth (sonst Bassist bei „Die Nerven“). Erstmal gar nicht. Die Texte klingen nach einer Mischung aus Dada und gebetsmühlenartigem Mantra. Zusammen mit seinem Bruder Philipp (Die Hälfte) und Bassistin Caroline d’Orville (Zirkel) sind sie das Peter Muffin Trio. Das Trio mag den Durstlöscher. Der Durstlöscher Aufkleber auf der Basedrum verrät die Botschaft ihres gesetzten Alleinstellungsmerkmals „Stuttgarts einzige Punkband“ noch zu sein. Das Publikum mag das Trio auch, es ist voller geworden und noch näher an die Bühne gerückt. Es gibt keine Sekunde Stillstand. Was es gibt ist ständige Bewegung, Schweiß, Energie, eine Wucht an kompakten Bassläufen und die Sympathie zu Jonny Cash. Dass Songs manchmal eher ortsabhängig funktionieren zeigt der Song über den „SUV“. Bei einem Konzert einen Tag vorher in Feldkirch ist er nicht verstanden worden, erzählt Julian Knoth. Da ist hier in dieser Region absoluter Verlass drauf dass verstanden wird, worum es geht. SUVs sind mein absolut gefühlter Endgegner auf dem Radweg.

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Foto: Armin Kübler

Das Finale wird vom dem spanischen Duo ZA! eingeläutet. Halleluja, was geht denn mit den beiden? Wieder Beats ohne Bass. Aber diese Instrumentierung soll nicht täuschen. Dafür wird alles an Drums und Elektronic-Sound aufgefahren. Wie haben DuPau und Spazzfrica Ehd ihre Musik im Gigblog Fragebogen beschrieben: “We’d say it’s experimental rock, with a bit of electronics, a bit of free, a bit of complication and a bit of stupidity”. Freejazzige Passagen, atonale Breaks werden rausgehauen, gesungen wird mit Vocoder. Und in der Tat, mit den live dargebotenen unkonventionellen Rhythmiken, fühlt es sich an, als würde man von beiden Seiten gegrillt werden. Gut, dass DuPau und Spazzfrica Ehd luftige Sportklamotten tragen. Was die beiden abliefern grenzt an Hochleistungssport. Nach und nach verschwindet der „schräge“ Sound und löst sich ein klein wenig in Wohlklang auf. Spätestens dann, wenn die beiden anfangen zu rappen. Mit einem Solostück fing das Komma Winterfest an und endet mit einem Live-Techno Happening von ZA!. Der Dramaturgiebogen ist weit aufgespannt, die Synapsen haben viele Klänge zu verarbeiten. Top organisiert.

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Foto: Armin Kübler

New York Counterpoint

Point no Point

Mint Mind

Peter Muffin Trio

Za!

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