ALT-J, 09.11.2022, MHP Arena, Ludwigsburg

ALT-J, 09.11.2022, MHP Arena, Ludwigsburg

Foto: Martin Schniz

Vor zehn Jahren veröffentlichten „Alt-J“ ihr Debut-Album „An Awesome Wave“ und es traf den musikalischen Zeitgeist ziemlich perfekt. Das gelang der Band aus Leeds, indem sie den Folk von Bands wie „Kings Of Convenience“ oder „Fleet Foxes“ mit elektronischen Klängen und komplexeren Arrangements verband und im Laufe der Jahre hier und da mit einer Portion Psychedelic versetzte. Durchaus anspruchsvoll sind die vier Studioalben und doch immer wieder auch eingängig – eine Mischung, die nicht vielen mit solch einem Erfolg wie „Alt-J“ ihn hat, gelingt.

Nun sind sie an einem Mittwochabend in Ludwigsburg in der MHP Arena zu Gast, bei deren Standort direkt am Bahnhof die Maxime ist: Einfacher Weg zur Multi-Funktions-Halle. Dort angekommen sind die Türen zum Innenraum noch verschlossen und zu hören ist noch der Abschluss des Soundchecks, was durchaus knapp bemessen ist und somit auch die Stagetime um 15 Minuten nach hinten verschoben wird. Ein Blick auf das wartende Publikum verrät zwei Dinge: Erstens sind vorwiegend Besucher*innen zu sehen, bei denen „Alt-J“ vermutlich gerne auf Stuttgarter / Berliner WG-Partys gehört wurden. Zweitens, dass ich mich in Publikums-Beobachtung flüchte, um die musikalische Betrachtung des Abends etwas zu verzögern und um Zeilen zu schinden.

ALT-J, 09.11.2022, MHP Arena, Ludwigsburg

Foto: Martin Schniz

Fünf Minuten vor Konzertbeginn wummern durch die im Innenraum gut gefüllte Halle Beats, die mit dem Auftritt der drei Musiker Joe Newman (Gesang, Gitarre), Gus Unger-Hamilton (Gesang, Keyboard) und Thom Green (Schlagzeug) in den Song „Bane“ aus dem aktuellen Album „The Dream“ münden. Der Sound ist laut, aber gut gemischt, und die ersten drei Songs laufen routiniert durch zur sehr gelungenen Licht-Show. Dabei ist vor allem der Schlagzeug-Sound sehr präsent und Green zeigt hier über die gesamte Länge des Konzerts eine beeindruckende Leistung, indem er die auf den Platten mit zahlreichen Percussion-Sounds angereicherten Beats live umsetzt und bei den oft verschachtelten Arrangements das Bindeglied ist. Und da bin ich nun bei einem von meinen beiden Problemen mit diesem Konzert. Das ist alles ambitioniert und ideenreich, aber an diesem Abend überzeugt mich das nur an ganz wenigen Stellen. Kaum eine Idee oder eine Melodie wird ausgebreitet und die Verschachtelung scheint Programm zu sein. Das ist sicherlich eine persönliche Geschmackssache, ich bin aber nach einigen Songs irgendwie raus und finde keinen Weg mehr zurück in den Klangkosmos des Trios.

ALT-J, 09.11.2022, MHP Arena, Ludwigsburg

Foto: Martin Schniz

Das zweite Problem ist die musikalische Qualität an manchen Stellen. Das lange a capella „Interlude 1“ vom ersten Album ist in seiner Zweistimmigkeit und seinem Aufbau wirklich kein einfaches Stück Musik. Aber für mich klang das stellenweise so, als ob Newman und Unger-Hamilton das für die restliche Tour noch ein paar Mal zusammen proben sollten. Natürlich ist es anerkennenswert, dass solche gesanglich schwierigen Stellen nicht durch Technik astrein gebügelt werden, aber der Anspruch einer Band dieser Größe sollte ein anderer sein. Und dass sie es deutlich besser können, ist z.B. bei diesem 45 minütigen Konzert von 2012 zu sehen. Vielleicht liegt es daran, dass diese komplex aufgebauten Songs mit einer Person mehr auf der Bühne mehr Fülle bekommen. Vielleicht ist man nach zehn Jahren Touren auch an dem ein oder anderen Abend etwas müde – alles verständlich, aber macht das Konzert an diesem Abend für mich nicht besser.

Man muss der Band zugutehalten, dass sie die Mehrheit der Zuschauer*innen begeistert. Das soll absolut kein Publikums-Bashing sein, sondern nochmals unterstreichen, dass solch ein Konzert immer auch unterschiedlich auf- und wahrgenommen wird. Ist zum Anfang eine gespannte Aufmerksamkeit zu beobachten, geht dies bei Songs wie „Dissolve Me“ oder der ersten Zugabe „Left Hand Free“ in ein aufmerksames Tanzen und einen sicherlich langen Schlussapplaus über.

ALT-J, 09.11.2022, MHP Arena, Ludwigsburg

Foto: Martin Schniz

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