ESCAPE-ISM, GUERILLA TOSS, 20.05.2019, Komma, Esslingen
Montagabend, Verkehrschaos in Stuttgart, strömender Dauerregen und die Ansage, dass der Main Act nur ein reduziertes Set spielen wird: Eigentlich Gründe genug, sich der Schwerkraft hinzugeben und es sich mit der neuen Fleabag-Staffel auf dem Sofa gemütlich zu machen. Aber wer soll sich denn sonst bei solch unwirtlichen Bedingungen auf Konzerte schleppen, wenn nicht wir Gig-Blogger? Erstaunlicherweise finden sich noch etwa 50 weitere Unerschrockene im Komma ein, um sich das reichlich ungewöhnliche Doppelkonzert von Guerilla Toss und Ian Svevonius‘ Escape-ism anzuschauen. Leider haben erstere aber bereits bei der Abreise in New York ihren Drummer an der Grenzkontrolle verloren und so müssen sich Guerilla Toss auf ein spontan improvisiertes, drummer-loses „Drone-Set“ reduzieren.
Und das machen die verbliebenen fünf auch recht überzeugend. Unterstützt durch schicke Visuals, schichten sie Bass-, Gitarren-, Geigen- und Synthesizer-Sound übereinander, verschieben und variieren und kreieren dabei ein fast halbstündiges Werk von hypnotischer Qualität. Alles fein, aber halt leider nicht der erwartete explosive Mix aus Disco, Funk, Jazz, No Wave, Noise,…
Ian Svevonius haben wir beim Winterfest 2018 im Komma mit seiner Band Chain and The Gang gesehen. Zum Abschluss des Festivals vor einem Saal voller euphorisierter Fans. Ein großartiger Gig eines charismatischen Künstlers. Ob dies mit dem wesentlich spröderen Programm seines nun zum Main Act beförderten Minimal-Projekts Escape-ism vor einem eher montäglich-zurückhaltendem Publikum auch gelingen wird? Der Bühnenaufbau ist sehr reduziert: Am Keyboard und Kassetten-Rekorder begleitet von seiner Partnerin Alexandra Cabral, benötigt Svevonius lediglich eine Gitarre (eher zur Dekoration als zum Musizieren), ein Effektgerät und zwei Mikros für seine Show.
Und die ist, sagen wir mal, gewöhnungsbedürftig. Dieselben großen Gesten wie bei Chain and the Gang, der direkte Sprung ins eher zurückhaltende Publikum, die Aufforderung, die Refrains mitzusingen, dies wirkt alles ein wenig deplatziert und verfehlt auch weitgehend seine Wirkung. Der ruppige Vortrag, das billig zusammengeschusterte Setup soll vermutlich bewusst DIY und dilettantisch sein, wirkt aber eher fahrig und uninspiriert. Der musikalische Beitrag am Keyboard hätte auch von der mitgereisten Gig-Blog-Kollegin nach 10-minütiger Einweisung beigesteuert werden können, meint sie. (An der gelangweilt-lasziven Pose der echten Keyboarderin hätte sie allerdings noch arbeiten müssen).
Und so bin ich nicht unglücklich, als Svevonius nach ungefähr 45 Minuten seinen „last Song“ von „The Lost Record“ ankündigt. Dabei hat er eigentlich alles aufgefahren, was Spaß macht: „Bodysnatcher“, „I’m a Lover (at Close Range)“ und „Rome Wasn’t Burnt in a Day“ machen mir von der Platte durchaus Spaß, live konnten sie mich nicht überzeugen. Und so haben wir einen der ganz seltenen Abende erlebt, bei dem ich nach dem Konzert denke, es wäre wohl besser gewesen, ich wäre dem Lockruf des Sofas erlegen.