THE WAVE PICTURES, 05.11.2013, Komma, Esslingen

The Wave Pictures, Komma Esslingen 2013

Foto: Michael Weiß

Wer braucht eigentlich noch mehr Fotos von unattraktiven Männern in karierten Hemden? Und wer schaut sich das überhaupt an?

Eigentlich eine berechtigte Frage, die David Tatersall, Frontmann der Wave Pictures, angesichts der Arbeit unseres Fotografen in die Runde stellt. Denn wenn es den Preis für die unscheinbarste Band zu verleihen gäbe, die Wave Pictures wären sichere Aspiranten. Aber es sind auch nicht ihre optischen Qualitäten, die gut sechzig Zuschauer in den kleinen Saal des Kulturzentrums Komma gelockt haben.

Meine These: unter den besten aller Live-Bands gibt es überdurchschnittlich viele Trios. Dieses Jahr haben jedenfalls The Joy Formidable, State Radio und Peter Parker’s Rock ’n‘ Roll Club bereits Beweise dafür abgeliefert. Und das kommende Konzert der dänischen Mod-Rocker The Movement wird sie garantiert auch nicht widerlegen. Mit ihrem Gig haben die Wave Pictures jedenfalls eine weitere, besonders beeindruckende Demonstration dessen abgeliefert, was eine solche Minimalbesetzung so attraktiv macht: klare, minimale Musik ohne Schnörkel und überflüssigen Ballast.

Das funktioniert natürlich nur, wenn die wenigen Zutaten allerbester Qualität sind. Jedes der drei Band-Mitglieder muss brillant sein, das Zusammenspiel toleriert nicht den kleinsten Schnitzer, und laues Songwriting kann nicht mit effektvollen Arrangements kaschiert werden. Dass die Wave Pictures diese Kriterien mit Bravour erfüllen, hat sich inzwischen wohl ein wenig herumgesprochen, denn gut sechzig Zuschauer haben sich im kleinen Saal des Komma eingefunden.

Angesichts der Tatsache, dass die drei schon seit fünfzehn Jahren auf der Bühne stehen, ist das allerdings doch erschreckend wenig. Wie kann es sein, dass eine Band, die der Liebling nahezu aller Kritiker ist, nur ein so bescheidenes Publikum findet? Ihr gerade erschienenes Doppel-Album City Forgiveness räumt allerorten beste Besprechungen ab und wurde gerade mit einer der raren Viereinhalb-Sterne-Bewertungen im Rolling Stone ausgezeichnet.

The Wave Pictures, Komma Esslingen 2013

Foto: Michael Weiß

Nun denn, die Briten sind mit dem Zuspruch offensichtlich trotzdem zufrieden und legen gutgelaunt los. Und aus dem Stand liefern sie das, was nicht nur ihr neues Album in Hülle und Fülle enthält: eingängige Songs mit intelligenten, melancholischen oder auch witzigen Texten. Und natürlich: unglaubliche Gitarrensoli von David Tatersall. Einmal eher blues-rockig, und dann wieder in federleichtem Afropop. Mal verspielt, mal heftig perkussiv. Und es ist weit entfernt von dem, was mir Gitarrensoli sonst so verleidet, dieses blöde Protzen mit Virtuosität, untermalt mit abgeschmackten Macho-Posen, das Gniedeln des Gniedelns wegen. Es ist einfach die völlig selbstverständliche Untermalung der Geschichten, die die Wave Pictures in ihren Songs erzählen. Natürlich verneigt sich Tatersall wieder vor seinem Idol Rory Gallagher, aber sein Gitarrenspiel unterscheidet sich dennoch ganz entscheidend von dem des irischen Blues-Rockers. Scheinbar ungerührt, quasi nebenbei, lässt er seine Finger in teils rasendem Tempo über die Bünde sausen. Nur hin und wieder huscht ein verschmitztes Lächeln über sein Gesicht. Das ist nicht „hört mal, wie geil ich Gitarre spielen kann“, das ist eher „hört ihr die Geschichte, die ich euch erzähle?“. Unbedingt zu erwähnen: Tatersall markante, etwas knödelnde Singstimme, die einen großen Anteil am unverkennbaren Sound der Wave Pictures hat.

The Wave Pictures, Komma Esslingen 2013

Foto: Michael Weiß

Zweimal kommt Drummer Jonny Helm nach vorne und singt mit einer ulkig übertriebenen Intonation absurd-komische Geschichten. Als dann ein euphorischer Zuschauer mehr Tempo verlangt („Faster!“), kontert Tatersall „Hey, we’re not having sex, mate!“ und lässt erst recht einen langsamen Titel folgen. Und Bassist Franic Rozycki tut erstmal das, was Bassisten nun mal tun: nicht auffallen. Diskret aber sehr rhythmisch begleitet er Tatersalls Gitarrenspiel mit sparsamen, aber fein akzentuierten Bassläufen. Aber hin und wieder übernimmt er ein Solo von Tatersall, lässt dann ganz bescheiden seine Klasse aufblitzen und führt das Solo genauso versiert auf dem Bass fort. Das ist so feine, elegante Musik, dass sie das Publikum fesselt und eine ganze besondere Atmosphäre zaubert. Alle sind zu 100% bei der Sache und an den leisen Stellen mucksmäuschenstill. Dass der kleine Saal eine ganz trockene Club-Akustik hat, kommt dem Sound auch noch zu Gute.

Kurzum: dies ist ein Konzert für Feinschmecker. Wer sich drauf einlässt, bekommt von den Wave Pictures ein Füllhorn großartiger Titel ausgeschüttet. Aber es offenbart sich auch, warum den sympathischen Briten der große Durchbruch bisher verwehrt blieb. Beim flüchtigen Hinhören erschließt sich der Zauber dieser großartigen Musik nicht, und mit dem konsequenten Sprengen von Genre-Grenzen (wer mag schon Indie-Singer-Songwriter-Pop mit epischen Gitarrensoli im Stile der späten Siebziger?) sitzen die Wave Pictures tatsächlich etwas zwischen den Stühlen.

Und so sehr wir ihnen einerseits den großen Durchbruch wünschen, so sehr freuen wir uns auf das nächste Konzert im familiären Rahmen. Und das Komma ist wahrlich nicht der schlechteste Ort dafür.

The Wave Pictures, Komma Esslingen 2013

Foto: Michael Weiß

The Wave Pictures

2 Gedanken zu „THE WAVE PICTURES, 05.11.2013, Komma, Esslingen

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