AGNES OBEL, 07.11.2013, Theaterhaus, Stuttgart
Wie intensiv Filmbilder durch den begleitenden Soundtrack verstärkt werden, fällt ja immer erst auf, wenn man mal den Filmton abdreht. Dass es aber auch möglich ist, Bilder allein über Musik zu erzeugen, quasi einen Soundtrack ohne Film zu spielen, das führt Agnes Obel bei ihrem Konzert im Theaterhaus eindrucksvoll vor.
Jetzt sind die nüchternen Black-Box-Säle des Theaterhauses nicht unbedingt besonders stimmungsvolle Orte, dafür sind sie aber mit feinstem Sound und Licht ausgestattet. Und der Saal T2 mit seinem steil aufsteigenden Gestühl hat zwar eine gewisse Hörsaal-Atmosphäre, bietet aber geradezu ausgezeichnete Bedingungen auch für kleine, leise Konzerte. Und die Reduktion auf pure Musik und sparsame Lichteffekte bieten wirklich einen idealen Rahmen für die subtile Kunst von Agnes Obel.
Den Abend eröffnet die Kanadierin Erin Lang als Feral & Stray. Musikalisch passt sie ganz hervorragend zu dem kommenden Programm, spielt minimale Songs mit Gitarre, Bass und einem skurrilen Instrument namens Omnichord.
Die Bühne ist sparsam ausgeleuchtet, als Agnes Obel diese in Begleitung der Cellistin Anne Müller und der Geigerin Mika Posen betritt. Mit einer Tasse Tee und einem Schal signalisiert die Sängerin, dass sie ein wenig kränkelt. Sie begrüßt das Publikum mit ein paar Worten auf deutsch, meint dann aber, ihr deutsch sei „scheiße“ und redet den restlichen Abend englisch. Sie beginnt das Konzert mit „Louretta“, einem Instrumentaltitel von ihrem ersten Album „Philharmonics“. Und schon nach wenigen Takten stellt sich dieses eigentümliche Gefühl ein, gerade einen Film zu sehen. Und bei einem Blick in die Runde fällt auf, dass viele Zuschauer dem Konzert mit geschlossenen Augen folgen.
Die Melodien haben eine faszinierende Schlichtheit, sind einfach nur schön und lassen sich vielleicht mit den Stücken von Ludovico Einaudi vergleichen (der übrigens tatsächlich schon einige Soundtracks eingespielt hat), man kann aber auch durchaus einen Bogen über die Pianostücke von Philip Glass bis hin zu den Miniaturen von Erik Satie schlagen. Dies ist tatsächlich von einer zeitlosen Schönheit. Und die Kammer-Musik-Atmosphäre, die sich heute hier verbreitet, ist durchaus passend. Und gerade weil die Arrangements so reduziert und (scheinbar) einfach sind, muss hier alles sitzen. Insbesondere das Cello hat – was auf den Alben gar nicht so auffällt – eine tragende Funktion als Bass- und Rhythmusinstrument. Cello und Bratsche werden häufig pizzicato gespielt und teilweise durch live eingespielte Loops gedoppelt. Überhaupt stehen zu Füßen der Streicherinnen beeindruckende Mengen von elektronischen Effektgeräten. Die drei Musikerinnen sind jedenfalls bestens eingespielt und stimmen sich mit sparsamen Gesten ab.
Es fällt schwer einzelne Titel hervorzuheben, es ist das Gesamtprogramm, das die Faszination ausmacht. Eine harmonisch zusammengestellte Mischung aus beiden Alben, mit einigen Instrumentaltiteln. Das Publikum ist jedenfalls begeistert, lässt dennoch jeden Titel bis zum letzten Ton verklingen, bevor üppig applaudiert wird.
Nach einer knappen Stunde verabschiedet sich Agnes Obel mit „The Curse“, um dann in der Zugabe noch das fröhliche „Brother Sparrow“ zu spielen. Das Publikum möchte sie aber noch nicht gehen lassen und nach einem langen Applaus kommt Agnes Obel tatsächlich ein weiteres Mal auf die Bühne, setzt sich nochmal an den Flügel, um dann aber zu verkünden, dass es ihr stimmlich leider nicht möglich sei, noch weiter zu spielen. Und das braucht sie auch nicht, denn es war ein perfekter Konzertabend. Und dass sie „Just So“, ihren Hit aus der Telekom-Werbung, nicht gespielt hat, fällt uns erst auf, als wir schon vor der Tür stehen.