CÄTHE, 19.03.16, clubCANN, Stuttgart

CÄTHE, 19.03.16, clubCann, Stuttgart

Foto: X-tof Hoyer

Warum bin ich noch mal auf dem Weg zu Cäthe, um für den Gig-Blog zu schreiben? Ach ja, neulich, Hawelka-Konzert im Cafe Weiß, 2 Uhr, bin müde und leicht bierselig und frage X-tof, ob der Blog zu Cäthe geht. Und so weiter. Ich brauche ein Tattoo auf der Innenhand: Maren, einfach mal die Klappe halten! Je näher das Konzert rückt, weicht die Nervosität großer Freude. Ich bin nämlich noch ganz frisch angezündet, habe Cäthe erst vor wenigen Wochen entdeckt, in einem Video von Inas Nacht.
Das Konzert findet im clubCANN statt, einem Ort, den ich gruselig in Erinnerung hatte, aber er ist es gar nicht. Das Publikum ist eher älter, unter 27 scheint hier niemand zu sein, aber der Älteste ist wohl etwa 60. Find ich gut. Ich kenne heute nur eine Person im Publikum, das ist ungewöhnlich und ich finde, dass Cäthe viel mehr Aufmerksamkeit verdient!

Die Band kommt auf die Bühne und beginnt zu spielen. Cäthe selbst lässt noch bis zu ihrem Einsatz auf sich warten und kommt dann strahlend auf die Bühne. In den nächsten zwei Stunden wird sie uns beweisen, dass man zwei Stunden lang strahlen, sich gleichzeitig rhythmisch bis sportlich bewegen und auch noch unglaublich gut dabei singen kann.
Unterm Fahrradreifengürtel trägt sie einen Glitzer-Catsuit, er wird mich gedanklich so lange beschäftigen, bis der gut versteckte Reißverschluss sich dann doch endlich mal zeigt. X-tof bemerkt, dass der Schellenring optisch abgestimmt ist. Ich schätze, das ist Zufall. Zum Outfit trägt Cäthe leicht derbe Halbschuhe, die gar nicht dazu passen. Heutzutage darf man das.
Eröffnet wird mit dem ersten Titel der aktuellen Platte „So oder so“. Zugegebenermaßen ein Song, den ich immer überspringe, weil er mir ein bisschen zu brav daher kommt. Aber live zeigt er sich mir in einem anderen Licht, und ich werde ihn wohl nicht mehr überspringen.

CÄTHE, 19.03.16, clubCann, Stuttgart

Foto: X-tof Hoyer

Cäthe ist mit vier Musikern da, die kaum verstecken können, dass sie total glücklich sind in dieser Band zu sein. Beim Schlagzeuger habe ich ständig das Gefühl, dass er gleich aufspringt um Cäthe vor Freude in seine Arme zu reißen. Der Bassist erwacht erst so richtig beim dritten Stück “Glaub mir, Honey”, aber ab diesem Zeitpunkt ist er voll dabei. Vor dem Gitarrist liegt ein Stapel Notenblätter (eigentlich stehen Akkorde drauf), was man aber zu keinem Zeitpunkt merkt. Bei der Vorstellung der Musiker wird man erfahren, dass er wohl noch nicht so lange oder ersatzweise dabei ist. Der Tastenmann gibt sich konzentriert, später wird er mich noch mit sehr hohen Backing-Vocals beeindrucken.

Cäthes Energie überträgt sich wuchtig aufs Publikum und besonders in der ersten Reihe wird aufs Leidenschaftlichste mitgesungen. Hätte Cäthe Halsweh, könnten sie mindestens drei Frauen aus dem Publikum vertreten, selbst die Mimik stimmt. Ich singe nicht mit, denn ich möchte schließlich Cäthe hören, für mich klingt sie, als ob sie während des Singens joggt oder auf einen Boxsack einschlägt oder an die Wand springt, weiter erzeugen ihre Stimme und ihre Energie den Wunsch in mir, das selbst zu tun. Ich will, dass Musik so was mit mir macht. Cäthe singt von ganz sein und bleiben, vom Scheitern, ihrer Schwester und Freiheit trotz Liebe und Sehnsucht und sie tut es auf Deutsch und kein Satz ist peinlich.

CÄTHE, 19.03.16, clubCann, Stuttgart

Foto: X-tof Hoyer

Bei „Unter meiner Haut“ lässt Cäthe mich nicht daran zweifeln, dass unter ihrer Haut noch eine Menge steckt, das raus muss. Der Titel ist ja schon auf Platte ein Knaller, aber live setzt sie noch mal einen drauf. Wieder ein Moment, um an die Wand zu springen oder sich auf die Brust zu hauen. Yeah!
Anschließend bleibt nur der Gitarrist auf der Bühne und Cäthe bekommt eine Akustik-Gitarre gereicht. Das erste Mal an diesem Abend bemerkt man die Anstrengung, die sie beim Singen mit Leichtigkeit verheimlicht. Sie erzählt ein wenig außer Atem über den Campingurlaub mit ihrer Mitbewohnerin und dass in dieser Zeit das Album „Vagabund“ entstand. Auf einem Barhocker sitzend singt sie sehnsüchtig für den Jungen aus Sand. Die Liebe in Gedanken ist eben schöner.

CÄTHE, 19.03.16, clubCann, Stuttgart

Foto: X-tof Hoyer

Weiter gehts mit „Vagabund“ und „Foto im Portemonnaie“, ein sehr berührendes Lied über oder an Cäthes Vater. In unserer Generation ist das Thema Vater häufig problematisch. Zum Glück können die das heute besser.
Bei „Verschollenes Tier“ drehe ich mich um und sehe eine Frau, die ergriffen die Hände vor dem Mund faltet. Schluck. Cäthe singt, dass sie sich gehört und das Publikum gehört sich inbrünstig mit ihr. Sie hüpft vor mir von der Bühne und ich habe Angst, dass sie mir das Mikro hinhält. Tut sie nicht. Puh. Nun ja, meine Energie lässt langsam nach, Cäthes noch lange nicht.
Weitere fünf Songs tobt sie über die Bühne, vor allem bei „Scheitern“ und „Wahre Liebe“ geht sie ab, dass es eine Freude ist. Meine Energie kommt zurück und ich beschließe, jetzt Block und Kuli wegzustecken und die Zugabe als Fan zu genießen.

Die erste Zugabe ist das wunderschöne „Mein Herz, mit Dir bin ich frei“, gefolgt von „Hallelujah“, dem Lied aus „Inas Nacht“! Ich glaube, sie zitiert am Anfang Grönemeyer („momentan ist dies, momentan ist das…“), ich schrei mit ihr „Hallelujah“, das muss jetzt doch mal raus. Dann wird es wieder ruhiger mit „Stille Demut“. Sie wirft dem Publikum eine Kusshand zu. Das war’s.

Nun ja, ich habe die Setliste vorher gesehen und weiß, da kommt noch was. Mein Lieblingslied. Das, wo sie singt: „Heute werde ich […] neugebor’n in der Sonne steh’n und geil sein“ – beim ersten Anhören hat sie mir diesen Moment mit Erdbeereis verdorben, aber hätte sie das nicht getan, hätte das insgesamt nicht so zum Sinn des Textes gepasst. Als die Zeile „ich bin so froh, dass ich nie mit Dir geschlafen hab“ kommt, denke ich, wie das wohl für ihre Mutter ist – sie ist heute auch da – dass ihre Tochter so ne Sachen singt.

Zum Abschied, der ihr schwerzufallen scheint, wünscht sie uns wichtige Dinge und entlässt uns in die Nacht.

CÄTHE, 19.03.16, clubCann, Stuttgart

Foto: X-tof Hoyer

Setliste:

So oder so
Die zu werden, die wir sind
Glaub mir, Honey
Tabula Rasa
Tiger Lilly
Gelbe Kartons
Ewige Braut
Senorita
Unter meiner Haut
Junge aus Sand
Vagabund
Foto im Portemonnaie
Verschollenes Tier
Müder Drache
Yeah yeah
Scheitern
Unter Palmen
Ding
Wahre Liebe

Mein Herz mit Dir bin ich frei
Hallelujah
Stille Demut

Ich muss gar nichts

Cäthe

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