WILD NOTHING, GREY TELEVISION, 19.11.2012, Keller Klub, Stuttgart

Wild Nothing

Foto: Steffen Schmid

Monday night, schon wieder Dispo Disco Fieber, bzw. Konzert Fieber, aber da kann man den Dispo-Riesengag nicht bringen. Aber auch ansonsten platzt die Tage der Stuttgarter Konzertkalender aus allen Nähten. Gut so, denn eingeklemmt im Schraubstock aus November-Hochnebel und der Happy Happy Joy Joy Woche in der ARD, legt’s die Welt mal wieder drauf an, einem die Stimmung zu vermiesen.

Aber vor dem Hauptact hat der Herrgott erst mal den Supportact gesetzt, bzw. der Veranstalter war das. Und unglaublich aber wahr, die jungen Herren von Grey Television kommen aus Berlin (und sehen auch ein wenig danach aus, bilde ich mir ein).

Aus Berlin! – Nein? – Doch! – Ooohh!

Grey Television

Foto: Steffen Schmid

Das hält sie aber nicht davon ab (warum auch?), ein ziemlich fulminantes Set abzuliefern. Nach leicht holprigen ersten Minuten findet das Quintett zueinander, der Sound ist gut, und so kann man die fein arrangierten, mit Soundtüfteleien versehenen Indie-Songs genießen. Dabei klingen die ruhigeren Parts gerne mal etwas nach The Notwist, während die energischeren Schrammelgitarrenparts in ihrer Intensität auch mal an We Were Promised Jet Packs erinnern. Bei einem Song könnte glauben man fast einen U2 Song zu hören, dank Gitarre im Edge Style. Gute Songs, viel Energie, oft Dynamikwechsel, und die Klippe, bei manch hymnischen Refrain in nicht allzu fade Indie-Disco Gefilde abzudriften, umschiffen sie auch noch.

Auf diesen sehr gelungenen Auftritt stoße ich mit dem ersten Cidre meines Lebens an. Gleichzeitig auch mein Letzter, die Geschmacksverirrung aus Billig-Riesling und Fußschweiß dürfen gerne andere saufen. Der Rest im eher locker gefüllten Keller Klub trinkt richtigerweise Bier, und freut sich, als es nach kurzer Verzögerung um kurz nach 22 Uhr losgeht mit Wild Nothing.

Wild Nothing

Foto: Steffen Schmid

Der Beginn des Konzerts haut mich um. Ein Song schöner als der andere. 80ies angehauchter Dreampop, mit federleichten Spitzenmelodien, als ob eine griffigere Version von The Sea & Cake auf The Radio Dept. treffen würde. Schön verhallte Gitarren, tolle Refrains, großartig. Der Zauber hält bei mir aber leider nicht das ganze Konzert hindurch an, sondern hauptsächlich die ersten vier Songs („Shadow“, „Confirmation“, “Counting Days“ und „Golden Haze“). Nicht, dass die Songs danach schlecht wären, aber irgendwie passiert von der Dynamik her nicht mehr viel. Die Musik pendelt sich so auf einem Lautstärkeniveau an, die Songs klingen untereinander auch sehr ähnlich, der viele Hall umnebelt auch ein bisschen den Spannungsbogen (–> schiefes Bild, schlechte Vergleiche). Radio Dept. z.B. schafften es damals, trotz ähnlichem Sound und wenig Schwankungen, eine emotionale Intensität aufzubauen, die einen wirklichen ergriffen hat. Nicht so einfach das Shoegaze-Metier.

Wild Nothing

Foto: Steffen Schmid

Dass Wild Nothing Jack Tatums Kind ist, merkt man, wenn er Lieder mit “my new song” ankündigt. Bissle komisch, wenn die Band paar Zentimer daneben rumsteht und man selber nicht Jennifer Lopez ist. Aber davon mal ab, ist er ein sehr sympathischer Knabe mit einer sehr leisen Art und trockenem Humor. So meint er vor der Zugabe, nachdem man eine Stunde melancholische Musik hinter sich hat „Maximum fun for everyone“. Fotograf Schmoudi lässt sich zu dem so seltsamen wie ernstgemeinten Kompliment (!!) verleiten, dass der Sänger „eine super Stimme“ hätte, und dass er alleine vom „wie er die Ansagen spricht“, sofort einschlafen könnte. Eine Liebeserklärung der besonderen Art. Die Zugabe „Summer Holiday“ erreicht übrigens wieder die Grandezza der ersten Songs, und sorgt für einen sehr gelungenen Abschluss.

Schlussbemerkung: die Kinder-Bassdrum des Schlagzeugs passt ca. zehn Mal in die Bassdrum eines Melvins-Schlagzeugs rein.

Wild Nothing

Foto: Steffen Schmid

Wild Nothing

Grey Television

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