THE BRIAN JONESTOWN MASSACRE, 04.05.2010, 59:1, München

Foto: Dani Cantó

Die unwiderstehliche Anziehungskraft selbstzerstörerischen Größenwahns… Anton Newcombe, Kopf von The Brian Jonestown Massacre, ist ein ganz goldiges Kerlchen. Drogentechnisch dürfte es nicht viel geben, was er noch nicht konsumiert hat in seinem Leben. Die Bandgeschichte ist gekennzeichnet durch massive Mitgliederfluktuation, sich gegenseitig und die Zuschauer bei den Konzerten verprügeln, und Zitaten Newcombes à la:

Ich bin großartig. Euer Problem ist einfach, dass ihr nicht den Unterschied zwischen gut und großartig versteht. Ist Gott gut? Nein, er ist großartig. Lernt, Größe zu erkennen!

Durch den Durchlauferhitzer der Dandy Warhols Freunde TBJM liefen u.a. schon Peter Hayes von den Black Rebel Motorcycle Club und Sune Rose Wagner der Raveonettes. Da kann man also schon erahnen, dass der Wahnsinn sich auch in Spitzenmusik niederschlägt. Ihr letztes Album Who Killed Sgt. Pepper? unterstreicht dies so gut wie keines ihrer Alben zuvor. Sprich, ab nach München, das Pop-Dress ausziehen und stattdessen wieder den ebenso gut sitzenden Psychedelicrock-Anzug überstreifen.

Das 59:1 ist nicht sehr viel größer als das hiesige Schocken und bestens gefüllt mit Mode-Altpunks, Lookalikes aus Bud Spencer Filmen (aber der Part, der immer aufs Maul bekommt) und sonstigem gemischtem Volk. Der Abend startet mit dem schottischen Trio Sparrow And The Workshop. Tolle Band, die es im Laufe ihres Auftritts schafft, mich immer stärker zu begeistern, obwohl sie einen epischen Folkrock spielen, der nicht so meinem Geschmack entspricht. Herausragend die kraftvolle, glasklare Stimme von Jill O’Sullivan, die den Auftritt großteils barfuß absolviert. Sie gibt den guten Songs noch das besondere Etwas. Erinnert mich manchmal sogar an die frühen Jefferson Airplane, und siehe da, der Guardian gibt mir Recht.
Am Ende gibt es einen sehr langen, verdienten Applaus.

TBJM betreten nach und nach die Bühne. Ein sehr langes „nach und nach“, denn es sind 8 Leute auf der Bühne zu platzieren. Gestartet wird das Set mit dem Give It Back Albumopener Super Sonic, in der Formation 1 Schlagzeuger, 1 Keyboarder, 1 Basser, 1 Perkussionist, 1 Tambourin-Rassel-Mann und 3 Gitarristen. Überragendes Stück, in Gedanken bastel ich mir schon neue Superlative zusammen. Genau die Art Psychedelicrock, die ich mag. Hypnotisch, lang aufbauend, rhythmisch vereinnahmend, am Ende laute Gitarren.
Was danach kommt, wird meine Erwartungen leider durchkreuzen. Es wird das letzte Stück in dieser Art gewesen sein. Strotzt das neue Album geradezu vor Abwechslungs- und Ideenreichtum, entscheidet sich Mastermind Newcombe, der übrigens besser aussieht als gedacht und ganz gute Laune hat, für ein Set, in dem hauptsächlich die gewöhnlicheren Rocknummern gespielt werden. Teilweise mit bis zu 5 Gitarren, der Sound ist gut, die Songs sind gut, aber schlussendlich dann doch recht straighter Rock, das besondere Gefühl will sich bei mir nicht einstellen. Die erste Hälfte des Sets hört sich schwer nach The Dandy Warhols an, was ja nix schlechtes ist, ganz im Gegenteil. Aber die Nummern sind alle irgendwie ähnlich, nix herausragendes dabei, nach einer Weile fang ich schon an mich zu langweilen. Zu hohe, zu andere Erwartungen hatte ich an das Ganze. Wie es mit ähnlicher Musik anders geht, haben The Raveonettes, The Black Rebel Motorcycle Club und Archie Bronson Outfit bei ihren Auftritten gezeigt.
Zum Glück gewinnt der Auftritt in der zweiten Hälfte aber wieder an Schwung. Zwar wird weiterhin nix vom neuen Album gespielt, und auch auf Ausraster von Newcombe warten wir vergeblich (es gibt nur einen kleinen Kommentar zur Afghanistanpolitik der deutschen Regierung….Newcombe ist ja z.Zt. Berliner), aber die Songs werden abwechslungsreicher, es kommt Bewegung in die Gleichförmigkeit, und Songs wie Not If You Were The Last Dandy On Earth (mit herzlichem Gruß an das Not If You Were The Last Junkie On Earth der Dandy Warhols) sind schon amtlich geile Hits.
Nach Mitternacht gibt es noch ein Geburtstagsständchen für Keyboarder Rob, und kurz nach halb eins und fast zwei Stunden Spieldauer ist das Konzert vorbei. Wahrlich, alles andere als ein schlechtes Konzert, aber ich hätte mir gewünscht, Newcombe hätte sich mehr an seinem eigenem Zitat orientiert:

Ich bin nun mal zuständig für den wirklich harten Scheiß. Und mein Ziel bei dieser Platte war, so viel Pilze und MDMA zu nehmen, bis ich mir selber vor Angst in die Hosen mache und ich in der Lage bin, die bösartigste Musik zu spielen, die jemals gespielt wurde.

3 Gedanken zu „THE BRIAN JONESTOWN MASSACRE, 04.05.2010, 59:1, München

  • 6. Mai 2010 um 09:24 Uhr
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    Friendo,

    hatte ich vergessen zu erwähnen, an wen mich Sänger ANTON Newcombe erinnert?
    An den hier, an ANTON Chigurh:

    https://diariobogota.com/wp-content/uploads/2009/05/javier-bardem-simpsons.jpg

    Schon in der aktuellen Simpsons-Staffel verwendet der Typ.
    Es handelt sich bei Newcombe übrigens nicht um den Sidekick auf obigem Bild.
    Es hat echt ein Knipser gefehlt, „Buddy“ hätte eigentlich auch in den Text eingeflickt werden müssen.

    Mir geht es mit der Einschätzung zum Konzert genau wie Dir, schon enttäuscht, kommt selten vor dass ich gähnend auf die Uhr schaue während einer Show.

  • 6. Mai 2010 um 09:31 Uhr
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    Buddy wurde indirekt eingepflegt. Und Tox, es wurde gar kein Stück vom aktuellen Album gespielt.
    Wie bei HURTS find ich’s echt ein wenig komisch, wenn die Veranstalter so ein Riesengeschiss um ’ne Fotoakkreditierung machen, man bekommt dann schlussendlich keine, und am Ende fotografiert da niemand professionell. Sauber!

  • 6. Mai 2010 um 10:05 Uhr
    Permalink

    War es vielleicht doch eine ganz andere Band?
    Ich bin jetzt noch misstrauischer was die Schreibweise auf dem Ticket angeht…

    Geht doch nicht. Wahrscheinlich das beste Album der ansonsten verkorksten Karriere abliefern, und dann gar nichts spielen?

    Wie Digital Leather. Da habe ich mich vor der Show beim Mastermind nach bestimmten aktuellen Stücken erkundigt, und das die ja kommen. Antwort: „Mit dieser Band? Nope!“

    Alles Hobbyschrammler, Mucker diese Sidekicks.

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