DEERHOOF, 02.05.2010, Schorndorf, Manufaktur

Deerhoof

Foto: Steffen Schmid

Schon wieder das Konzert des Jahres. Erst neulich bei den Briten Archie Bronson Outfit hatte ich das gedacht, heute holen die Amis Deerhoof den Titel. Vom Veranstalter als einzige Show in Deutschland angekündigt, hätte es in unserer Region kaum einen passenderen Ort für die Band geben können als der Club in Schorndorf. Klassische Manufaktur-Band, wie z.B. auch Tortoise. Deerhoof veröffentlichen auf dem altgedienten US-Label Kill Rock Stars, das zuletzt mit The Gossip große Erfolge verbuchen durfte.

Das Quartett betritt nach und nach die Bühne und bewaffnet sich mit den Instrumenten, die später noch kreuz und quer zwischen den Mitgliedern getauscht werden. Was gleich auffällt, ist das sehr minimalistisch gehaltene Schlagzeug von Greg Saunier, dem mutmaßlichen Band-Chef und trotz rechts-außen Position der Mittelpunkt des Auftritts – obwohl alle eine klasse Show abliefern. Mal wieder kann man ein echtes Tier an den Drums beobachten. Wer mit so wenig Material so ein unglaubliches Feuerwerk abbrennt, der muss es richtig draufhaben. Ein ganz eigenwilliger Style, druckvoll, rumpelig und mit einer Kraft, dass es Holzsplitter regnet. Das Schlagzeug und der teils rohe Sound lassen an die großartigen Shellac denken. Die aus Japan stammende Sängerin und Bassistin Satomi Matsuzaki erinnert durch ihren hohen und zwangsläufig asiatisch klingenden Gesang an ihre Kolleginnen von US-Bands wie Cibo Matto, Butter 08 oder eben gleich die Japaner Melt Banana. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie leicht Probleme mit Türstehern von Clubs bekommen kann, in denen sie auftritt – sie ist etwas kurz geraten und wirkt sehr kindlich.

Deerhoof

Foto: Steffen Schmid

Das war es dann aber schon mit Vergleichen aus der Alternative-Rock-Welt, Deerhoof werden kaum ein Pendant haben. Die kurzen Stücke werden anfangs immer wieder vom zarten Gesang von Matsuzaki garniert, richtige Popnummern könnte man meinen, um sie dann mit einer brachialen Attacke aus Noise zu zerhäckseln. Wahnsinn, was diese optisch harmlos wirkende Band für eine Kraft entfalten kann. An und gleich durch die Wand könnten sie so manche Grindcore-Band  spielen – spielend. Dieses Prinzip wird großteils durchgehalten und ist absolut nicht langweilig. Während der Dresch-Phase verteilt sich die Gruppe auf der Bühne, ein Gitarrist arbeitet auch mit Feedbackspielereien im Hendrix-Style, also auf die Knie und Gitarre vor den Verstärker halten.

Technisch auch alles auf sehr hohem Niveau wie mir ein anwesender Gitarrist bestätigt, alles offensichtliche Profis da vorne.

Zum Auflockern kommen dann zwei Cover. Den Ramones wird mit Pinhead (Gabba Gabba Hey!) Tribut gezollt, anschließend gibt es Woodstock-Sound: Canned Heat mit Going up the country, vorgetragen von Saunier und zwar sehr nah am Original. Habe ich eigentlich schon erwähnt, wie gut die Band ankommt? Nein – deshalb jetzt mal Lobhudelei, super super das Ganze, viel Applaus, jede Menge neue Fans haben sie rekrutiert, obwohl es wieder mal gerne noch mehr Besucher hätten sein dürfen. Deshalb werden auch noch zwei, fast drei Zugaben herausgeklatscht. Saunier hält Ansprachen auf Deutsch, sichtlich strengt er sich an – es kommt vom Herzen. Der Band hat es ganz sicher auch gefallen. Nochmal: Bestes Konzert 2010, großartige Live-Band, die Messlatte liegt ganz weit oben.

4 Gedanken zu „DEERHOOF, 02.05.2010, Schorndorf, Manufaktur

  • 3. Mai 2010 um 23:05 Uhr
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    Bitte schlagt mich, wenn ich das Konzert am Jahresende nicht unter den TOP3-Konzerten stehen hab! War der Hammer!

  • 3. Mai 2010 um 23:11 Uhr
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    @Schmoudi: Schläge kriegste gerne auch gratis, v.a. für diese obergeilen Fotos!!! Aber recht haste, beeindruckende Geschichte gestern abend.
    @Toxic: mit dem anwesenden Gitarristen haste hoffentlich mich gemeint. Gratisgetränk bei TBJM ist dir gewiss!

  • 4. Mai 2010 um 01:29 Uhr
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    Ja wen denn sonst Lino?
    An Schmoudi: Auch von mir sollte eine Tracht Prügel machbar sein.
    „Tracht und Prügel“ nennen sich Jeans Team als DJs fällt mir ein, sehr guter Name.
    Ich bin auch froh zu Deerhoof gegagen zu sein, es ist immer besonders gut, wenn man anfangs noch zweifelt, ob der Sound einem gefallen könnte, und man hinterher zum Fan wird. Wir haben ja prominente Fangenossen wie Matt Groening.

  • 4. Mai 2010 um 12:03 Uhr
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    Eben noch erfahren, dass Deerhoof in der Manufaktur kurzerhand ihren Fahrer zum Lichttechniker berufen haben.

    Kudos to this man!

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