ASIAN DUB FOUNDATION, JAH SCHULZ, 19.05.2023, Scala, Ludwigsburg

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Foto: Roland Mönch

Fast genau 25 Jahre ist es her, dass das Londoner Kollektiv Asian Dub Foundation sein erstes Stuttgart-Konzert in der Röhre gegeben hat. Ganz exakt war es am 20.05.1998, die ADF war der heißeste Scheiß aus dem Londoner Underground, das gerade veröffentliche Album „Rafi’s Revenge“ monströs gut – und der Abend hat sich als einer der umwerfendsten Gig-Erlebnisse in mein musikalisches Langzeit­gedächtnis eingebrannt. Seitdem habe ich die ADF noch weitere viermal gesehen, sodass sich der heutige Gig nicht an dem Erstling messen muss. Die Erwartungen sind dennoch einigermaßen hoch. Auch wenn sich die Band deutlich geändert hat, live hat sie nie enttäuscht. Und das Scala mit einem der schönsten Säle in der Region und einer fetten Anlage bietet beste Voraussetzungen.

ASIAN DUB FOUNDATION, JAH SCHULZ, 19.05.2023, Scala, Ludwigsburg

Foto: Roland Mönch

Dass der lokale Dub-Zauberer Jah Schulz aka Michael Fiedler den Support macht, macht den Abend perfekt. Mit einem etwas sperrigen, technoid-kühl klingenden Set präsentiert er ein Vorprogramm, das überhaupt nicht erst den Versuch unternimmt, der zu erwartenden ADF-Party ein bereits warmgetanztes Publikum zu übergeben. Sehr minimal und Downtempo ist das, was Fiedler hier live mixt. Zum Teil aus seinem 2022er Album „Dub Over Science“ entnommen, aber auch viel bisher ungehörtes dabei. Sämtliche seiner „Hits“, die er so erfolgreich auf internationalen Dances präsentiert, lässt er in der Schublade. Und wie erwartet: Der Sound ist brillant. Ein massives Bassfundament, auf dem äußerst transparent und räumlich lokalisierbar, kristalline Hochtoneffekte aufsetzen. Eine Überraschung im Set ist ein Dub Poetry Track, in dem ein Text der südafrikanischen Poetin Napo Masheane über ein minimales Dub Arrangement gelegt wird. Ein rundum gelungenes Opening Set, das auch vom Kollegen Pfisterer ausführlich dokumentiert wird.

ASIAN DUB FOUNDATION, JAH SCHULZ, 19.05.2023, Scala, Ludwigsburg

Foto: Roland Mönch

Kurz nach 21 Uhr betritt die Asian Dub Foundation die Bühne und eröffnet ihr Set mit „Realignment“ aus ihrem 2021er Album „Access Denied“. Der Saal ist inzwischen knapp halb gefüllt, das Publikum besteht zu einem guten Teil aus in Ehren ergrauten Fans der ersten Stunde, die sich vom knackigen Eintrittspreis von 45 Euro nicht abhalten lassen. Aber es gibt auch durchaus eine jüngere Generation an ADF-Fans, die die Band begeistert empfängt. Mit „Mindlock“ erhöht die Band um Steve „Chandrasonic“ Savale die Schlagzahl. Sein prägnantes Gitarrenspiel korrespondiert mit der Querflöte von Nathan Lee und kaum knattert der Jungle/Drum & Bass-Rhythmus los, setzt sich auch das Publikum in Bewegung. Ein Moment, in dem sie sich wieder wie 18 gefühlt habe, berichtet die Gig-Blog-Kollegin später. Ich rechne nach: ja, auch ich fühle mich wie damals mit 35. Und dennoch, wie schon beim Konzert 2017 festgestellt, ist dies eine ganz andere Band wie anno 1998. Nicht nur, dass Savale das letzte verbliebene Original-Mitglied ist, auch das Instrumentarium hat sich verändert. Trat man anfangs mit indischen Instrumenten wie der Dhol auf, kommen diese Zutaten heute nur noch aus der Konserve. Auf das mächtige Rhythmus-Gewitter muss der Drummer nur noch mit überschaubarem Aufwand einen weiteren Layer legen.

ASIAN DUB FOUNDATION, JAH SCHULZ, 19.05.2023, Scala, Ludwigsburg

Foto: Roland Mönch

Dafür ist im Laufe der Jahre die erwähnte Querflöte hinzugekommen, die Nathan „Flutebox“ Lee in einer einzigartigen Technik aus Beatboxing und klassischem Flötenspiel präsentiert. Auch der Original-Bassist Dr. Das ist seit dem letzten Gig 2019 verloren gegangen. Zu den Frontmännern Aktarv8r als Sänger/Rapper und dem markanten Reggae-Künstler Ghetto Priest ist noch ein Rapper hinzugestoßen, sodass manchmal bis zu sieben Leute auf der Bühne agieren. Nach einer anfänglichen Steigerung stellt sich aber dann ein seltsamer Ermüdungseffekt ein. Während die Band weiter engagiert zu Werke geht, stagniert das Begeisterungslevel im Publikum. Ob es an dem immer herzhafteren Griff in die Regler am Mischpult liegt, der zu einem sowohl in Bässen als auch Höhen schmerzhaft lauten, unangenehmen Geboller führt, an der etwas fahrigen Bühnenshow oder der im Vergleich zum letzten Gig recht uninspirierten Lightshow? Oder schlicht an der stockenden Getränkeversorgung, die im Scala nicht zum ersten Mal zu einer langen Schlange und harten Geduldsproben führt.

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Foto: Roland Mönch

Als das Konzert nach einer Stunde mit „Charge“, „Naxalite“ und „Oil“ zum offiziellen Ende kommt, habe ich jedenfalls den Eindruck, dass der Spannungsbogen recht früh wieder abgefallen ist, was auch die Singalongs zu „Flyover“ nicht verhindern konnten. Dass ein Kracher wie „Naxalite“ im Neuarrangement ziemlich gezähmt und kaum wiedererkennbar daherkommt, hebt meine Stimmung auch nicht gerade.

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Foto: Roland Mönch

Mit einem fünf Titel umfassenden Zugabenblock gibt es noch ordentlich Nachschlag und das dystopische und beklemmend aktuelle „Fortress Europe“ setzt nicht nur einen absoluten Höhepunkt im Programm, es beweist auch wieder, dass die ADF nichts an Relevanz und klaren Standpunkten eingebüßt hat. Und so steigt die Temperatur im Saal nochmal derart, dass sich die Band sogar zu einer weiteren, ungeplanten Zugabe herausklatschen lässt. Und da serviert sie zur allgemeinen Freude ihren Protest-Klassiker „Free Satpal Ram“, was uns – nach einem etwas „unterwältigenden“ Mittelteil – doch mit einem guten letzten Eindruck (und mächtig malträtierten Ohren) in die Nacht entlässt.

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Foto: Roland Mönch

Asian Dub Foundation

Jah Schulz

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