MONIKA ROSCHER BIGBAND, 20.05.2023, Theaterhaus, Stuttgart
Eine Begegnung von Gigant*innen. Auf der einen Seite die 1984 geborene Monika Roscher, die, wenn das Internet nicht lügt, neben einer hervorragenden Jazz-Gitarristin auch noch studierte Komponistin, Sängerin, Dozentin und Bigband-Leiterin ist. Auf der anderen Seite yours sincerly 13 Jahre ältere Rezensent, der es an diesem Samstag geschafft hat, sich dreimal über den Tag verteilt an der selben hervorstehenden Schraube sich mit voller Wucht den Kopf anzuschlagen. Stark zerbeult, über den Gender Pay-Gap sinnierend, warte ich also im sehr gut besuchten Theaterhaus auf den Auftritt der von der Kulturkritik hochgelobten Bayerin.
Theaterhausmäßig sehr pünktlich betritt die 18-köpfige Band die Bühne. Der Auftaktsong „Queen Of Spades“ vom aktuellen, nebulös betitelten Album „Witchy Activities And The Maple Death“ gibt schon mal eine ungefähre Ahnung was für eine Musik uns heute Abend erwartet. Teils düstere Elektronikelemente ergeben zusammen mit der wunderbaren Indie-Pop-Stimme von Frau Roscher und manchmal sehr strikten, manchmal sehr wilden Bigband-Parts ein stimmiges, elegantes Ganzes. In Worten ungelenk beschrieben ergibt das weniger Sinn als beim Zuhören. Frank Zappa meets Andromeda Mega Express Orchestra würde ich mal sagen, damit man eine Ahnung hat, dass man sich hier auf was einlassen muss, was nicht ohne ist. Aber ob es musikalisch der Beschreibung tatsächlich dient, hmm?!
Das menschliche Gehirn ist ja ein Meister der Mustererkennung, auch da wo keine sind, und deswegen sind ja Schubladenbezeichnungen, gerade zum Beschreiben von Musik, so bequem. Bei der MRB tue ich mich wirklich verdammt schwer. Ja, es ist Jazz, wovon die unzähligen Bläser-Soli zeugen. Man findet aber genauso das Geometrische von Minimalmusik, wie Harmonien und Rhythmen aus Balkanmusik, Tango („Terror Tango„) und Bierzeltmusik. Dass viele der Songs trotzdem recht erkennbare Melodiemotive haben ist ja dann auch wieder irgendwie Pop.
Das klingt jetzt alles sehr verkopft, ist aber in Wirklichkeit sehr unterhaltsam und stimmungsvoll. Bewundernswert wie 18 Instrumente so miteinander arrangiert sind, dass es immer klar und strukturiert klingt. Die Musik hat erstaunlich viel Luft trotz vertrackter, ineinander verschachtelter Bläsersätze, die sich mit Gitarre, Kontrabass, Drums und Elektronik den Platzt teilen müssen. Ziemlicher Idealfall von Musik, die Intellekt und Bauch gleichermaßen anspricht.
Der bajuwarische Akzent in Monika Roschers Ansagen ist für mich ein zusätzlich verfremdendes Moment. Die eigene Hörerfahrung assoziiert damit irgendwelche Interviews von Biathletinnen oder Mitglieder der Dalli Dalli Jury. Stadttdessen erklärt hier eine extrem sympathisch rüberkommende Künstlerin die psychedelischen Texte ihrer Songs.
Von den fünf Saxofonist*innen, vier Trompeter*innen und vier Posaunisten kommt jede*r mindestens einmal mit einem Solopart dran. Soli…ja die können langweilen. Hier tun sie es aber tatsächlich nie. Ich erlebe sogar das erste Mal ein Kontrabass-Solo, von Monika Roschers Bruder btw, das mich zu begeistern vermag. Hat etwas von einem Kampf mit einem riesigen Holzungetüm.
Der visuelle Höhepunkt des Abends bildet „Starlight Nightcrash„. Bei völlig verdunkelter Bühne tritt Monika Roscher in einem mit verschiedenen Leuchtdioden ausstaffierten Anzug auf. Man sieht nur sternartige Lichtpunkte oder neongrüne Lichtringe, die verschieden zur Musik aufleuchten oder sich verdunkeln. Sehr stimmungsvoll und vom Ding her irgendwie Björk, aber in a hörbar way. Der Anzug dürfte bei der selben Schneiderei wie das Outfit von Kraftwerk gemacht worden sein.
Der Auftritt gliedert sich in zwei Teile. Vor der Pause werden hauptsächlich Stücke vom neuen Album gespielt, danach auch ältere Sachen. Qualitätsabfall Fehlanzeige. Da ist es dann nur folgerichtig, dass das begeisterte Publikum Zugaben fordert. Zwei weitere Stücke dürfen noch genossen werden, bevor dieser außergewöhnliche Abend sein Ende findet. Arg viel Besseres wird es dieses Jahr wahrscheinlich nur selten zu sehen geben. Um das Musikidol meines pubertären Ichs, den größenwahnsinnigen Yngwie Malmsteen zu zitieren: „How can less be more? More is more!“ Trifft auf diesen Abend ziemlich gut zu!
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