ASIAN DUB FOUNDATION, 02.06.2017, clubCANN, Stuttgart
Ich muss weit in meinem Konzerttagebuch zurückblättern um mein erstes Konzert der Asian Dub Foundation zu finden. Es war am 20. Mai 1998 in der Röhre. Ich erinnere mich schemenhaft, dass es einer dieser Abende war, an dem der kondensierte Schweiß als Nieselregen von der Tunneldecke tropfte. An dem wir komplett euphorisiert, verschwitzt und nahezu taub aus der Röhre taumelten. Kein Konzert der ADF habe ich seitdem ausgelassen, ich war 2000 im LKA und 2005 im Zapata. Keiner der Folgegigs reichte an den ersten heran, aber dennoch war es immer ein intensiver Abend.
Es sei sehr lange her, dass sie das letzte Mal in Stuttgart gewesen seien, begrüßt Frontmann Aktarv8r das Publikum. Recht hat er, 12 Jahre nach dem letzten und fast 20 Jahre seit ihrem ersten Auftritt: Viel Zeit, sich weiter zu entwickeln. Für Band und Publikum.(Letzteres ist teilweise sichtbar mitgealtert, hat sich aber leider nur im überschauberen Rahmen eingefunden. Vermutlich eine unglücklich Kombi aus schönem Sommerabend, Beginn der Pfingstferien und einem stattlichen Eintrittspreis. Dieser dürfte sich wahrscheinlich durch eine ordentliche Gage erklären lassen). Am Umfeld der schon immer hochpolitischen Multikulti-Band aus London hat sich leider auch einiges geändert. Ihr Engagement für Integration, gegen Fremdenhass und Intoleranz ist im Zeitalter von Brexit und Neo-Rechten in Europa relevanter denn je. Und viele ihrer alten Titel wie „Fortress Europe“ haben eine erschreckende Aktualität.
Die Asian Dub Foundation war schon immer ein variables Musikerkollektiv: von der Originalbesetzung sind Gitarrist Steve Chandra „Chandrasonic“ Savale und Bassist Dr. Das dabei. Das frühere Setup mit DJs, voller Band und indischen Instrumenten wie Dhol und Tabla ist einer klassischen Rockbesetzung gewichen: neben Chandrasonic und Aktarv8r als Sänger/Rapper sowie der Rhythmussektion singt und toastet auch noch der markante Reggae-Künstler Ghetto Priest (Der übrigens aussieht, als sei er direkt dem Cast von „Fluch der Karibik“ entsprungen).
Vervollständigt wird die Band durch den Querflötisten Nathan „Flutebox“ Lee. Und dieser prägt den aktuellen Sound der ADF ganz wesentlich. Mit einer verblüffenden Kombination aus Beatboxing und virtuosem Querflötenspiel schafft er nämlich auf beeindruckende Weise eine Verbindung orientalischer Melodien und HipHop-Kultur. Und er schließt eindrucksvoll die Lücke, die der Verzicht auf die indischen Instrumente erzeugt hat. Nicht umsonst bekommt er in der Mitte des Sets ein ausgiebiges Solo.
Die wilde Mischung aus Dub, Drum & Bass, Hip-Hop, Ragga, Bhangra und Punk funktioniert natürlich immer noch bestens, der Laden ist nach wenigen Titeln auf Betriebstemperatur und der ClubCANN beweist mal wieder eindrucksvoll, dass er – was technische Ausstattung, Größe und Geometrie betrifft – eine der besten Konzertlocations in Stuttgart ist. Die für diese Art von Musik so wichtigen Tiefbässe sind massiv, der Sound überaus druckvoll, die Lightshow ist Profiliga und der Saal so geschnitten, dass keiner den direkten Kontakt zur Bühne verliert. Insgesamt hat sich die ADF mehr Richtung HipHop und Rock verschoben und damit ein wenig ihre Einzigartigkeit verloren. Und zu meiner großen Enttäuschung versemmeln sie ausgerechnet „Naxalite“, den Drum & Bass-Kracher von ihrem Kultalbum „Rafi’s Revenge“. Auf einen straighten Rockbeat reduziert, verliert der Song seine gesamte aggressive Spannung.
Dass ein guter Teil des Sounds aus der Konserve zugespielt wird und insbesondere der Drummer massive rhythmische Unterstützung aus dem Computer bekommt, stört mich. Ich möchte aber nicht ausschließen, dass dies auch früher schon so war, mir nur nicht aufgefallen ist (Das sind halt die Schattenseiten eines Clubs, der Musik schon fast unter Laborbedingungen hörbar macht…). Aber Schwamm drüber: die Show ist energiereich, der gesamte (!) Laden tanzt und mit einem üppigen Programm inklusive einer fulminanten Zugabe, die die Hits „Blade Ragga“, „Fortress Europe“ und „Rebel Warrior“ enthält, wird das Publikum rundum zufrieden in die laue Sommernacht entlassen.