VALTAVA, 06.08.2022, Manufaktur, Schorndorf
Das Sommerprogramm im Garten der Manufaktur kann man gar nicht genug preisen. Schön schattig im Innenhof, mit Stehtischen, einer veritablen Open-Air-Bühne und einer Soundqualität, die für Openair-Events Maßstäbe setzt. Eigentlich alles wie drinnen in der Manu, nur halt ohne Dach. Ebenfalls sehr zu loben: Zwischen großen Bands bekommen auch junge, noch unbekannte Acts die Chance, hier mit einem Gartenkonzert ein fachkundiges und aufgeschlossenes Publikum zu erreichen und – auch nicht zu verachten – die imageträchtige Location in ihre noch kurze Gig-Historie aufzunehmen. Kurzum: Eine einmalige Chance für eine erfolgsorientierte Newcomer-Band, den nächsten Schritt auf der Bekanntheitsleiter zu nehmen.
Man kann es aber auch angehen wie Valtava, das junge Trio aus Stuttgart, das sich beharrlich allen Genre-Einordnungen verweigert. Man pfeift auf alle guten Ratschläge aus dem Lehrbuch „Schneller Erfolg für junge Rockbands“, verzichtet auf sämtliche Nettigkeiten und macht einfach, worauf man gerade Lust hat. Und das scheint an diesem Abend eine gut 70-minütige, sperrige Instrumental-Session zu sein. Ok.
Das erklärte Ziel, dass keines ihrer Konzerte denen davor gleiche und immer eine Überraschung sei, erreichen die drei auf jeden Fall. Ob das in allen Punkten eine gute Idee ist, darüber haben wir auf der Rückfahrt nach Stuttgart lange diskutiert. Als die Bassistin und Sängerin Alex am Schlagzeug Platz nimmt, halte ich dies zuerst für eine skurrile Idee nur für den Opening-Track. Dass dieser Track aber ununterbrochen über den ganzen Abend geht und dies folglich das endgültige Setup ist, überrascht dann wirklich. Drummer Jannick, den wir auf den letzten Gigs als überaus variantenreichen und engagierten Schlagwerker kennengelernt haben, betätigt sich jetzt am mächtig verzerrten Höfner-Bass und diversen Keyboards. Nur Gitarrist João behält seinen Stammplatz.
Das Dargebotene bewegt sich irgendwo zwischen Psychedelic und Krautrock, bringt einige Ausbrüche Richtung Noise mit und lotet alle Möglichkeiten der Dynamik aus. Vom zarten Vogelgezwitscher bis zur massiven Wall of Sound reicht das Spektrum. Da trifft sogar mal eine Slide Guitar auf einen Akkuschrauber. Im Laufe des Abends raunen mir die Begleiter alles Mögliche ins Ohr. Von „voll die Sixties“, über „die frühen Pink Floyd“, „irgendwie Proto-Techno“, „Postrock“ bis zu „Tortoise“ reichen die Referenzen. Alles Dinge, von denen ich keine Ahnung habe, deshalb gebe ich sie hier mal ungefiltert weiter.
Was sich hin und wieder kurz – aber leider zu selten – einstellt, ist dieser magische Moment, in dem repetitiver Groove und sphärische Gitarrenklänge einen aus dem Hier und Jetzt entführen. Leider ist der Spannungsbogen über den ganzen Abend hinweg nicht unbedingt zwingend. Wenn man aber dieses Set, dem vermutlich sehr viel Probenarbeit zugrunde lag, in vielen Live-Performances optimieren und polieren würde, könnte es ein echtes Monster werden. Ich ahne allerdings, dass die drei Valtava-Nerds schon längst an einem ganz anderen Programm herumschrauben. Das gerade mal vor einem Monat erschienene Album „Deaf in the Studio“, das man hier erstmals als Kassetten-Edition erstehen kann, erscheint bei all diesem experimentellen Sturm und Drang wie ein Dokument aus einer längst vergangenen Pop-Schaffensphase.
Respekt für diesen radikalen Ansatz und den Mut zum Experiment. Das muss man sich erstmal trauen. Ob man damit unbedingt Heerscharen neuer Fans gewonnen hat, sei mal dahingestellt. Wir lassen uns jedenfalls gerne beim nächsten Valtava-Gig überraschen.