THE AFGHAN WHIGS, 08.08.2022, Im Wizemann, Stuttgart

AFGHAN WHIGS, 08.08.2022, Im Wizemann, Stuttgart

Foto: X-tof Hoyer

Kürzlich erinnerte ein Facebook-Freund an mein letztes Afghan Whigs-Konzert in Stuttgart. Es fand vor 30 Jahren im kurzlebigen Club „Maxim Gorki“ statt und ich gebe zu, keine tragfähigen Erinnerungen mehr daran zu haben. Dafür weiß ich, dass die Band von Greg Dulli (den man übrigens „Dulli“ ausspricht) bis heute eine ziemlich einzigartige musikalische Nische besetzt. Zwar gibt es etliche härtere Soulrockbands im Stil von Mothers Finest (Weißbrotmusiker plus afroamerikanische Soulröhre), aber kaum „weiße“ Soulbands mit krachiger Gitarrenhärte. Beim einst führenden Grunge-Label Sub Pop gab es in diesem Subgenre zwar noch die hoffentlich unvergessenen Big Chief, den inoffiziellen Soul-Flügel des Labels bildeten seinerzeit jedoch die Afghan Whigs. Man hatte sogar coole Dancefloor-Remixes am Start („Milez Is Dead“) und coverte gekonnt die Supremes („My World Is Empty Without You“).

Richtig erfolgreich war die Band aus Cincinnati, Ohio allerdings auch nach dem vielversprechenden Wechsel zur Industrie nicht. Man pausierte dann auch gleich mal für 14 Jahre, um 2014 ein gelungenes Comeback zu feiern, das mittlerweile drei Alben hervorbrachte – das neue Opus „How Do You Burn“ erscheint Anfang September.

AFGHAN WHIGS, 08.08.2022, Im Wizemann, Stuttgart

Foto: X-tof Hoyer

Meine Erwartungshaltung war zunächst überschaubar: umbesetzte Band mit älteren Herren im mutmaßlichen Karriere-Herbst, dazu im vielleicht zu cleanen Wizemann? Es sollte dann aber doch ein rundum mitreißender Konzertabend werden. Gigblog-Kollege Michael Setzer machte vorab mit Insider-Informationen im StZ-Interview Appetit und anstelle einer womöglich mäßig spannenden Supportband engagiert die Band auf der gesamten Tour jeweils einen lokalen Vinyl-DJ. So eröffnet der umtriebige DJ Sylvialeo am zentral auf der Bühne postierten Setup einen sehr coolen Mix aus Psychedelic Funk, Oriental-Beat und obskuren Sixties-Franzosen. Damit füllt er trotz hochsommerlicher Temperaturen nach und nach den Club, der dann mit geschätzten 250 Besucher*innen auch ordentlich voll ist. Eine nachahmenswerte Aktion mit vollem Sympathiebonus fürs Booking.

Zwar hätte ich die Band lieber im kuscheligen Goldmarks erlebt, auch dank kleinerer Rockstar-Manierismen („No Flashlights!“-Ansage, perfekter Handtuchservice, aufmerksamer Gitarrentechniker hinter der Backline) hätte das aber vielleicht doch nicht so gut gepasst.

AFGHAN WHIGS, 08.08.2022, Im Wizemann, Stuttgart

Foto: X-tof Hoyer

Das Konzert startet explosiv mit dem überragenden Opener des kommenden Albums „I’ll Make You See God“, ein brachiales Riffmonster, das die drei Gitarren gleich nachhaltig zur Geltung bringt – was für ein prächtig-krachiger Einstieg!
Dullis oft ins Falsett kippende Stimme kann sich gegen die fulminante Saitenfront aber souverän behaupten, auch wenn der Sound durchgehend richtig laut, druckvoll und für meine reifen Ohren auch sehr gut ist. Zwar gilt er als impulsiver Typ, seine Reaktion auf anfangs recht verhaltensauffällige Konzertbesucher*innen zeugt aber von entspannter Abgeklärtheit.

AFGHAN WHIGS, 08.08.2022, Im Wizemann, Stuttgart

Foto: X-tof Hoyer

Man groovt sich dann schnell ein und bekommt ein 90-minütiges Programm mit ganz neuen Songs, aber natürlich auch etlichen Klassikern wie „John The Baptist“, „My Enemy“, „What Jail Is Like“. Band und Frontmann sind motiviert und haben erkennbaren Spaß an der Sache, das auch nicht mehr ganz junge Publikum zieht begeistert mit. Die Gitarrenhärte dominiert, der Groove ist aber zumindest latent funky. Die Referenzen reichen von Punkrock und Grand Funk Railroad über Phil Spector bis Stax. Und Dulli ist mehr denn je ein leicht verhinderter Soul-Crooner, der tief im Herzen wohl gerne Marvin Gaye wäre.

Afghan Whigs

DJ Sylvialeo

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