FURY IN THE SLAUGHTERHOUSE, 05.08.2022, Freilichtbühne Killesberg, Stuttgart

FURY IN THE SLAUGHTERHOUSE, 05.08.2022, Freilichtbühne Killesberg, Stuttgart

Foto: Martin Schniz

F. und ich lernten uns in der Oberstufe kennen. Es war im Frühjahr 1991 und er hing einfach so in der Hörbar im Plattenladen rum. Ein cooler Typ, der irgendwie anders war als die anderen, die dort abhingen und mit denen ich bislang zu tun hatte. Wir freundeten uns sofort an und zogen zusammen um die Häuser, feierten auf Parties, schlugen uns die Nächte um die Ohren. Kamen zusammen durch’s Abi, mehr schlecht als recht, aber egal. Ich war immer für ihn da, wenn es was Neues zu erzählen gab, und er genauso für mich, fand immer die richtigen Worte für die richtige Stimmung.

Man dachte es geht immer so weiter. Doch wie es nunmal so ist, manche begleiten einen ein Leben lang, mit anderen geht man nur einen Teil der Strecke und an einer der vielen Gabelungen trennen sich die Wege dann doch wieder. Wir hatten uns nicht zerstritten oder so, aber irgendwie auseinander gelebt. Er machte sein Ding, ich meins. Und das war auch okay so. Eines Tages blieb man bei zufälligen Begegnungen auf der Straße nicht mal mehr stehen um „Hallo“ zu sagen, sondern winkt sich nur noch von weitem zu.

FURY IN THE SLAUGHTERHOUSE, 05.08.2022, Freilichtbühne Killesberg, Stuttgart

Foto: Martin Schniz

Jetzt treffen wir uns also wieder, nachdem wir 20 Jahre kaum ein Wort wechselten. Awkward. Was soll man sich erzählen nach all der Zeit, wenn einem etwas so lange egal war? Über die gute alte Zeit re­mi­nis­zie­ren, die ich auf jeden Fall noch immer im Herzen trage. Aber sonst? Vielleicht einfach mal zuhören und schauen was passiert…

Und da ich diese Metapher den kompletten Bericht nicht durchhalten kann, jetzt noch ein paar Worte zu dem Konzert auf dem ich eben war. Fury in the Slaughterhouse aus Hannover auf der Freilichtbühne Killesberg. Nach den großen Erfolgen in den 1990ern, mit Tourneen im Vorprogramm von Meat Loaf und Green Day und einem kleinen Hype in den USA (der dann durch Plattenfirmen-Querelen abrupt wieder endete) und der Auflösung 2008, sind sie seit 2017 wieder auf der Bühne. Durch die Pandemie aber wie alle ausgebremst und überraschend 2021 dann doch mit einem neuen Album am Start. Um nicht als Schützenband-Kapelle zu enden, die immer nur die selben alten Kamellen spielt.

FURY IN THE SLAUGHTERHOUSE, 05.08.2022, Freilichtbühne Killesberg, Stuttgart

Foto: Martin Schniz

Das neue Album macht auch einen Großteil der ersten Hälfte des Konzertes aus. Ob „Good Day to Remember“, der brandneue, erste Song des Abends, vom Titel her bewusst an einen der ganz großen Hits angelehnt ist, das weiß ich nicht. Da „Won’t Forget These Days“ dann natürlich ziemlich am Ende des Abends gespielt wird, funktioniert das als Klammer für das Konzert ganz gut. Viele werden sich noch eine Weile an diesen Abend erinnern. „50% Songs die ihr hören wollt, 50% Songs die ihr hören sollt“ nennt es Sänger Kai Wingenfelder in einer Ansage. Also zum einen eben Songs vom neuen Album, zum anderen dann eben die Hits. Und Hits haben die Furys einige. Mit „Time To Wonder“ zum Beispiel die beste hannoveranische Powerballade. Sorry, Scorpions. Oder mit der noch immer hypnotischen Gitarrenlinie von „Every Generation Got Its Own Desease“. Songs aus den Alben von 1998 bis 2008 finden allerdings gar nicht statt im Set. Werden aber auch nicht groß vermisst, weder vom Publikum noch (offensichtlich) von der Band.

FURY IN THE SLAUGHTERHOUSE, 05.08.2022, Freilichtbühne Killesberg, Stuttgart

Foto: Martin Schniz

Ein erster überraschender Höhepunkt ist dann aber „Kiss the Judas“. Fury waren ihrer Zeit sicher nie voraus, mit seinem schleppenden Beat und in dieser druckvollen Liveversion würde sich der Song von 1995 aber auf jedem Album der Editors gut schlagen. Das ist ziemlich stark.

Was auf Platte manchmal verloren geht und auf der Bühne besser durch kommt: Fury ist in den rotzigsten Momenten meist am besten, wenn es etwas mehr knarzt. Das heißt nicht dass es dann einfach nur lauter sein muss. Es kann auch ein kleiner Unplugged-Block sein in dem drei Songs mit Kistentrommel, Akkordeon und Acoustic-Gitarre zum besten gegeben werden. Und was auf Platte auch nicht so ganz rüberkommt: der merkliche Spaß, den die inzwischen doch schon etwas älteren Herren da auf der Bühne haben. Man merkt es Bands an, ob sie sich nur des Geldes wegen wieder zusammen getan haben. Das scheint mir hier offensichtlich nicht der Fall zu sein.

FURY IN THE SLAUGHTERHOUSE, 05.08.2022, Freilichtbühne Killesberg, Stuttgart

Foto: Martin Schniz

Sie haben auch Bock, dass alle einen guten Abend haben. So legt Gitarrist Christoph mal mitten im Spiel sein Instrument nieder, um von der Bühnenabsperrung aus eine Auseinandersetzung zwischen zwei Streithähnen zu beruhigen.

Inzwischen ist die Sonne untergegangen und wie perfekt choreographiert zucken ein paar Wetterleuchten am Himmel (der Regen wartet zum Glück extakt bis zum Konzertende) als bei „Riding on a Dead Horse“ eine kleine Postrock-Gitarrenwand errichtet wird, die dann kurz danach vom überdrehten Punk-Kracher „Drug Addicted In The Jail House“ auch schon wieder eingerissen wird.

„Hat zufällig noch jemand ein Feuerzeug dabei?“ Ein Sternenhimmel aus tausenden Handytaschenlampen weist zu den klängen der Weltraum-Weltblick-Ballade „Down There“ den Leuten den Heimweg.

Und nun zurück in die Metapher: Ich hatte einen äußerst unterhaltsamen und schönen Abend mit F., mehr als ich erwartet habe. Ob wir uns nun öfters mal wieder auf ein Bierchen treffen? Kann ich nicht sagen. Vielleicht. But we’ll always have the 90s…

FURY IN THE SLAUGHTERHOUSE, 05.08.2022, Freilichtbühne Killesberg, Stuttgart

Foto: Martin Schniz

Fury in the Slaughterhouse

Seelemann

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