TITANIC BOYGROUP, 12.03.2012, Wagenhallen, Stuttgart

Titanic Boygroup Abschiedstournee im Marz 2012 in den Wagenhallen in Stuttgart

Foto: Steffen Schmid

Es ist mal wieder soweit – Martin Sonneborn, einer der ganz Großen, kommt nach Dings… ääääh Stuttgart. Wie immer bedeutet das ordentlich was zu lachen. Für mich jedenfalls, da kann man ja nicht für alle sprechen. Und natürlich geht das alles auf Kosten von Promis, Kirche, FDP, Nazis und wer es eben sonst noch so verdient. Im Schlepptau hat Medienphänomen Martin Sonneborn diesmal Thomas Gsella und Oliver Maria Schmitt, beide wie er ehemalige Chef-Redakteure des Satire-Magazins Titanic.

Die schlechte Nachricht: einiges, um nicht zu sagen vieles, was wir heute in den Wagenhallen zu hören kriegen, habe ich schon tausend Mal gehört. Die gute Nachricht: ich kann mich auch beim tausendundeinten Mal noch darüber schlapplachen. Vielleicht bin ich da einfach gestrickt. Allein bin ich damit jedenfalls nicht.

Titanic Boygroup Abschiedstournee im Marz 2012 in den Wagenhallen in Stuttgart

Foto: Steffen Schmid

Schön ist es ja wahrhaftig nicht mehr, das Gelände rund um die Wagenhallen. Wo früher bei Balkanparties das Lagerfeuer loderte und die Gulaschkanone stand, steht jetzt ein furchtbar hässlicher Klotz von einem Gebäude. Danke. Da könnte man doch im Strahl kotzen, wenn man nicht in Vorfreude auf den heutigen Abend dermaßen gut gelaunt wäre. In den Wagenhallen angekommen, heitert sich meine Laune noch weiter auf. Ein Stand von Sonneborns Partei „Die Partei“ wirbt um die Gunst neuer Wähler. Selbstverständlich mit so ernsthaften Forderungen wie der Abschaffung des Schnauzers, um Politik endlich wieder sexy zu machen oder Stuttgart unter einem Stausee verschwinden zu lassen. Die bisherigen S21-Umbaupläne seien nicht weitreichend genug, denn nur durch das Projekt Stausee 21 sei es möglich, „sich von den Strapazen einer langen Zugreise durch das Betrachten prächtiger mariner Kreaturen zu erholen“. Voll gut. „Die Partei“ wird aber heute, im Gegensatz zu Sonneborns letztem Solo-Auftritt, nur eine Randnotiz bleiben.

Titanic Boygroup Abschiedstournee im Marz 2012 in den Wagenhallen in Stuttgart

Foto: Steffen Schmid

Langsam aber sicher werden die Wagenhallen proppenvoll und nicht alle schaffen es, einen Sitzplatz zu ergattern. Macht nix, dann steht der ein oder andere eben. Neben Bier wird viel Weißweinschorle getrunken und der Schal auch schon mal lässig vor der Brust verknotet. Das eher intellektuelle Publikum ist zahlreich erschienen. Sonneborn, Schmitt und Gsella verhöhnen uns dann auch gleich mal dafür. Weil wir auf den ältesten und billigsten Trick des Live-Entertainments hereingefallen seien – die angebliche Abschiedstournee.

Titanic Boygroup Abschiedstournee im Marz 2012 in den Wagenhallen in Stuttgart

Foto: Steffen Schmid

Nach der obligatorischen Verunglimpfung der gastgebenden Stadt projiziert Schmitt, sehr zum Wohlwollen des Publikums, noch einmal einige der besten Titanic-Cover an die Wand. Beispielsweise ein Foto Roberto Blancos mit dem Titel „Bundespräsident Blanco: Warum nicht mal ein Neger? (Muss es denn immer ein Mann oder eine Frau sein)“. Herrlich. Das Gelächter im Saal ist laut und ich habe die erste klitzekleine Träne im Auge.

Titanic Boygroup Abschiedstournee im Marz 2012 in den Wagenhallen in Stuttgart

Foto: Steffen Schmid

Nach einigen der lustigsten „Briefe an die Leser“ beweist Thomas Gsella mit seinen Städtegedichten, dass er es drauf hat mit dem Reimen. Spätestens bei meinem absoluten Top-Favoriten „Offenbach“ brechen alle Dämme. Ich haue vor Begeisterung auf den Stuhl vor mir und die Tränen schießen mir nur so in die Augen. Durch Tränenschleier meine ich erkennen zu können, dass es meinen Freunden genauso geht. Wer das nicht lustig findet, kann aber auch kein guter Mensch sein:

„Offenbach“
Arschgesichter ziehn per pedes
durch die Arschgesichterstadt.
Arschgesichter im Mercedes
fahren Arschgesichter platt.
Arschgesichter tragen Tüten
in ihr Arschgesichterhaus.
Alte Arschgesichter brüten
neue Arschgesichter aus.
Ach, es bündelt Arschgesichter
prismagleich dies Arscheloch.
Leider reimt, so klagt der Dichter,
es sich nicht auf Offenboch.

Danach sind erst einmal die deutsche TV-Ikone Gottschalk und seine nicht minder gruseligen Kandidaten für die „Wetten, dass…?“-Moderatoren-Nachfolge dran. Brandaktuell erfahren wir, dass es jetzt der Lanz macht. Passt wie Arsch auf Eimer und die Medien geben endlich Ruhe. Da fällt mir ein, dass ich damals 1988 bei der berühmten Buntstift-Wette zum ersten Mal vom Magazin Titanic gehört habe. Ja ja, damals schaute man noch „Wetten, dass…?“. Gab ja nur drei Programme. Man hatte keine Wahl.

Ich kriege leider nicht mehr alles zusammen worüber ich an diesem Abend so herzhaft lachen musste. Unvergessen bleibt allerdings die Bezeichnung des Schloss Bellevues als Wulffs-Schanze. Immer wieder lustig auch das Video von Püschel, dem durch Krauschwitz singenden Ewiggestrigen. Unglaublich der Typ. Und dann auch noch in dem Ort. Als hätte ein riesengroßer Spaßvogel das alles am Reißbrett entworfen.

Titanic Boygroup Abschiedstournee im Marz 2012 in den Wagenhallen in Stuttgart

Foto: Steffen Schmid

Eines meiner Highlights des Abends trägt dann noch Martin Sonneborn vor: die Mitschnitte seiner Gespräche mit DVU-Mitgliedern, die eigentlich gar nicht mit der Presse sprechen durften und/oder wollten. Sonneborn hat sich kurzerhand als Büro des damaligen Parteivorsitzenden Frey ausgegeben und seine Telefonpartner so in prekäre Gespräche verwickelt. Klasse.

Nach satten drei Stunden und zwei Zugaben ist ein wirklich gelungener Abend zu Ende. Liebend gern würde ich noch Gsellas abartig lustige Klo-Geschichte wiedergeben. Aber ich habe sie leider auch im Internet nicht gefunden. Mit „Schön, dass sie da waren und noch schöner, dass wir überhaupt gekommen sind“ werden wir verabschiedet. Das Publikum ist sichtlich begeistert und applaudiert fleißig. Auch wir sind mehr als zufrieden und vor Lachen ordentlich durchgeschüttelt. Neben Sonneborn hat es mir besonders Thomas Gsella angetan. Klasse Wortwitz und sehr sympathischer Typ.

Bezeichnend für diesen Abend und typisch für die Titanic ist eben genau diese Mischung aus derbem, bis ins Fäkale reichenden Humors, intelligentem Wortwitz und Hieben unter die Gürtellinie von Menschen und Institutionen, die förmlich darum betteln. Dass nicht alle diese Form von Humor teilen oder diese gar verwerflich finden, ist mir klar und mindestens genau so egal. Wie singt Herrenmagazin so schön: „Man sollte über alles lachen, worüber keiner lachen kann.“ Dass dabei hier und da auf Altbewährtes und nicht gerade Innovatives zurückgegriffen wird, macht mir nichts aus. Klasse Typen, klasse Abend, klasse Magazin.

Titanic Boygroup Abschiedstournee im Marz 2012 in den Wagenhallen in Stuttgart

Foto: Steffen Schmid

2 Gedanken zu „TITANIC BOYGROUP, 12.03.2012, Wagenhallen, Stuttgart

  • 15. März 2012 um 09:59 Uhr
    Permalink

    Ja, auch wir fanden Thomas Gsella so derart sympathisch, daß wir ihn gleich nochmal eingeladen haben: am 30.6. stellt er im Merlin sein neues Buch vor, „Komische Deutsche“!

  • 15. März 2012 um 19:40 Uhr
    Permalink

    Hahaha, saubere Sache! Hört sich so gut an, dass ich mir die nächste letzte Tour vielleicht auch anschaue.
    Natürlich nur mit Master Carsten. :D

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