ANDREAS DORAU, 28.01.2012, Merlin, Stuttgart
Hinterher bleiben mehr Fragen als Antworten: Meint er das ernst? Wenn nicht, wieso macht er das dann schon so lange? Wenn doch, was will er uns damit sagen? Egal, unterhaltsam ist das allemal, was der, und das glaube ich nun sicher sagen zu können, wahnsinnige Andreas Dorau mit der quäkenden Mickey-Mouse-Stimme und seine beiden nicht minder, aber anders verballerten Musiker Matthias Strzoda (Schlagzeug und, äh, Gesang?) und Tim Lorenz (Laptops und, äh, Gesang) da am Samstagabend produzieren.
Inkonsequent, so auch der Titel des ersten Songs, sind sie jedenfalls nicht: Hart an der zu ertragenden Schiefheits- und Lautstärkegrenze intonieren Dorau und Co. äußerst konsequent und mit viel Körpereinsatz viele neue Hits vom aktuellen Album Todesmelodien, aber zum Beispiel auch die pralle Eurodance-Nummer Girls in Love von anno dazumal.
Vielleicht ist das das Dorau-Rezept: Er orientiert sich immer an den aktuellen Poptrends, so gab’s in den 80er den New Wave-Hit Fred vom Jupiter, in den 90ern die Girls in Love, und jetzt clevere, zeitgemäße Elektro-Beats. Diese Trends reproduziert er aber nicht einfach, sondern dreht sie durch seine sektgetränken Synthies und textet dazu Strophen und Refrains, bei denen man sich fragt (wieder eine ungeklärte Frage), ob die jetzt entweder total profan oder doch verschmitzt philosophisch sein sollen.
Zum Beispiel die witzige Shuffle-Nummer Stimmen in der Nacht, hier der komplette Text, der dann endlos wiederholt wird:
Ein halbdunkles Zimmer, braunes Gebälk,
an der Wand die Tapete, die dir so gefällt.
Die Lichter der Straße stolpern herein
Ich hör deine Stimme, das kann doch nicht sein.
Stimmen in der Nacht, ich bin aufgewacht
Stimmen in der Nacht, haben mir was mitgebracht
„Der Sänger ist nicht alles“, erklärt er zwischendurch mal seinem Schlagzeuger. Da könnte man denken, dass er sich selber nicht so ganz ernst nimmt, aber in der Vehemenz, mit der er seine Texte schmettert und die Bühne im Griff hat, erkennt man eher große Ernsthaftigkeit und Überzeugung als spaßigen Ulk. Das spiegelt sich bei ihrer scheinbaren Profanität auch in den Texten wieder, Todesmelodien heißt das Album ja auch nicht umsonst. Irre übrigens, dass diese Stimme auch live tatsächlich so klingt wie auf Platte, der singt einfach so wie ein zehnjähriger Junge und sieht auch ein bisschen so aus, zumindest sehr jung für seine 48 Jahre.
Probiertipp: Nach den schweißtreibenden Performances, etwa vom Opener Größenwahn vom aktuellen Album, erfrischt sich Dorau mit einer durchaus inspirierende Getränkeauswahl, Sekt aus dem Weizenglas mit Eiswürfeln, dazu ab und an einen Underberg. Kann man mal ausprobieren. Das prima kuratierte Pop Freaks Festival im Merlin erlebt jedenfalls hier seinen Freak-Peak, verschrobener wird’s nicht mehr.
Zurück zu den ganzen Anfangsfragen: Was das alles bedeuten soll? Immer noch keine rechte Ahnung, aber das ist so eigen, dass das ziemlich Kunst ist. Und bevor man anfängt zu arg zu grübeln, kann man zu Dorau auch prima wippen, einen Underberg stürzen und an nichts denken.
dachte ich mir’s doch, dass ich den Schlagzeuger kenne: https://www.gig-blog.net/2011/05/13/rocko-schamoni-12-05-2011-wagenhallen-stuttgart/
Bild 16 fasst den Text eigentlich ganz gut zusammen :)