FEINE SAHNE FISCHFILET, 08.03.2018, Im Wizemann, Stuttgart
Bestellen die Beamten in Schwerin eigentlich bei Amazon oder wird der Mitarbeiter mit der geringsten Besoldungsstufe in der Frühstückspause zum Media Markt geschickt, wenn eine neue Platte von Feine Sahne Fischfilet erscheint? Wer auch immer diese dann anhören muss, sitzt er mit Kopfhörer in seinem kleinen fensterlosen Büro und muss aufpassen, dass sein Vorgesetzter nicht bemerkt, falls er mit dem Fuß leicht mitwippt? Man weiß es nicht. Drei mal auf jeden Fall wurde die Band in der Vergangenheit im Jahresbericht des Verfassungsschutzes Mecklenburg-Vorpommern erwähnt und ihr wurde darin mehr Platz gewidmet als allen Nazi-Bands in Meck-Pomm zusammen und auch mehr als dem NSU, der in Rostock und Stralsund massiv Straftaten verübt hat. Eine sehr absurde Geschichte eigentlich, erst recht wenn man bedenkt wieviel soziales Engagement Feine Sahne Fischfilet leisten. Immerhin konnte die Band und ihr Label dies für ein paar gute PR-Aktionen nutzen.
Das neue Album „Sturm & Dreck“ (das Anfang des Jahres auf Platz 3 in die Charts eingestiegen ist) bildet auch das Fundament beim Konzert im Im Wizemann. Zwölf neue Songs die durch noch mal so viele Klassiker und alte Hits unterstützt werden. Unterstützt auch durch 1300 Kehlen, die von der ersten Zeile an alles wie mit einer Stimme mitsingen, egal wie alt oder neu die Lieder sind.
Feine Sahne Fischfilet sind sechs Kumpels aus der ostdeutschen Diaspora. Dorfpunks mit Straßenabitur die Punkrock mit zwei Trompeten spielen. Ein räudiger Sound, aber mit Pop-Appeal und vor allem mit Hang zum hymnischen Pathos. Da kann man gar nicht anders als mit einem Bier in der Hand die Freunde umarmen um zusammen zu singen und zu tanzen. Eines der Kernthemen bei FSF ist nunmal Freundschaft und Familie. Das wird in vielen Songs auf die unterschiedlichste Art und Weise behandelt und das beschreibt auch die Stimmung auf einem Konzert sehr gut: Alle sind willkommen um gemeinsam eine gute Zeit zu haben, egal wo Du herkommst, was Du machst, wie Du aussiehst. Sei einfach kein Arschloch.
Das mitsingen geht so weit, dass die Meute in der Halle nach dem Ende eines Liedes immer weiter singt, so dass die Band dann doch nochmal einstimmt. Und nochmal. Und nochmal, weil es einfach nicht aufhört. Die Stimmung ist ausgesprochen ausgelassen. Ein Schlauchboot wird „zu Publikum gelassen“, einige Wackere entern es und lassen sich durch die Halle tragen. Ein riesiger Pfeffi-Tank wird auf die Bühne geschoben, mit Schläuchen an den jeden der einen Schluck mag mal ziehen kann. Das ist fast schon wie bei Deichkind. Doch ein FSF-Konzert ist simpler, es braucht diese großen Show-Momente auch gar nicht. Die Musik drückt zu jeder Sekunde, niemand kann still stehen. Und wenn Sänger Jan Gorkow, den alle „Monchi“ nennen, längere Ansagen zu den eher nachdenklichen und ernsteren Songs macht, wenn er zum Beispiel von den Erlebnissen an der syrischen Grenze erzählt, als er Zeuge eines Selbstmordattentat des IS wurde, dann entsteht trotzdem kein Loch im Konzert, weder bei der Stimmung noch bei der Aufmerksamkeit der Leute. Das muss man auch erstmal schaffen. Aber Feine Sahne kümmern sich eben, auch um ihre eigenen Fans. Da wird nicht nur gefeiert, da wird eben auch mal erzieherisch gemahnt, sich auch mal wieder zu engagieren, auf die Straße zu gehen und nicht nur selbstzufrieden im Rahmen eines Punkkonzerts „Alerta Alerta Antifascista“ zu brüllen und denken damit würde alles gut werden.
Nach knapp zwei Stunden wird die verschwitze Masse noch mit der Konfettikanone paniert, dann ist Schluss. Aber alle werden beim nächsten mal wiederkommen. Um mit allen Freunden eine gute Zeit zu haben.