ROCKO SCHAMONI, 12.05.2011, Wagenhallen, Stuttgart
So langsam wird es zur Gewissheit, dass ich über die Popularität popkultureller Künstler nicht die leiseste Ahnung habe. Spätestens als ich die wirklich lange Schlange vor dem Wagenhalleneingang erblicke, schwirren die Fragezeichen nur so durch meinen Kopf. Klar, der Mann ist schon lange dabei, hatte mit „Dorfpunks“ einen Verkaufsschlager, der auch verfilmt wurde. Aber das ist doch auch schon wieder ein bisschen her, und ob seine letzten beiden Bücher verkaufsmäßig so gezündet haben? Wahrscheinlich ist es dann eben doch die Variante, des sich jahrelang den Arsch abtouren und per brillanter Liveperformance eine immer größere Fangruppe erspielen.
Egal warum, erfreulich viele Leute, Joe Bauer ist übrigens auch anwesend, warten zu Klängen von Adriano Celentano auf den Auftritt King Rockos. Kurz nach 21 Uhr ist es soweit. Eine weibliche Stimme, Marke Meditations-CD mit erotischem Einschlag, stellt sich als „Eventguide des Abends“ vor, fordert uns nicht nur zur Entspannung und zum „Schnauze halten“ auf, sondern auch zum Entledigen überflüssiger Kleidungsstücke und „nur das Nötigste anlassen“. Der in extremer Schönheit nur unmerklich gealterte Rocko Schamoni betritt daraufhin die Bühne. Eine Umhängetasche hat er dabei, aus der er vier Bierflaschen („gutes Bier macht ihr hier in Stuttgart…aus dem Stadtteil Alpirsbach“), eine Ausgabe des Spiegels und eine Wärmeflasche hervorholt. Kurze Ankündigung, dass er aus dem Buch eines neuen Autors mit steinerner Visage namens Buddha lesen werde, unterbrochen von Posen für die Fotokameras, schließlich die Ankündigung, dass uns eine achtstündige Lesung bevorstehe, er habe die Türen von außen verriegeln lassen. Bevor es endgültig mit der Lesung los geht, gibt es noch einen Dialog mit einem Zuschauer, der das Geschehen filmt. Rocko meint, er sehe aus wie einer von youtube, versucht das Blickfeld zu verdecken, und meint abschließend „Youtube sind Schweine!“
„Tag der geschlossenen Tür“ heißt sein aktueller Roman, hat tendenziell einen noch stärkeren melancholischen Einschlag als sein letztes Werk „Sternstunden der Bedeutungslosigkeit“, aber live vorgelesen überwiegt dann doch der humoristische Aspekt. Das liegt nicht nur an den spontanen, oder spontan wirkenden Einsprengseln, wie z.B. eine leergesoffene Bierflasche auf den Boden zu werfen („ist eine Actionlesung“), sondern auch an seiner ungemein charmanten, witzigen Art vorzulesen. Am besten ist er immer dann, wenn er bei den völlig abstrusen Momenten sich selber schlapplacht. In seinem aktuellen Buch sind das v.a. die Passagen, in denen der Protagonist Sonntag fürchterliche Buchanfänge an Verlage schickt. Totgelacht habe ich mich über die Anfänge der fiktiven Bücher „E-Mail für Emil“, „Immer Ärger mit Herr Berger“ und „Europa Mon Amour“. Letzteres die schmierig-erotische Geschichte einer unmöglichen Liebe einer Pariser intellektuellen Schönheit mit einem grobschlächtigen schleswig-holsteinischen Landwirt, der u.a. totgetretene Säue aus dem Schweinestall entsorgen muss. Unglaublich um wieviele Klassen lustiger diese Passagen live vorgetragen sind, als wenn man es nur lesen würde. Großer Entertainer der Rocko.
Was gibt es sonst noch? Ein spontan anspringender, extrem lauter Generator z.B., der Rocko nicht aus der Ruhe bringt. Er kontert dies mit leise vorgetragenem Genuschele, und tut so, als ob das ein bewusst geplanter Programmteil sei. Souverän! Dann die Ankündigung, dass dies heute Abend ja eine Nichtraucherlesung sei. Er zündet sich währenddessen eine Zigarette an, und meint dann, dass er die Zigarettenhand vom Tisch vorne runterbaumeln lasse, und dass er als eine Art Nikotin-Kuh fungiere, und die Zuschauer zum Rauchen auf die Bühne kommen können. Eine Zuschauerin nimmt das Angebot gleich wahr, und meint nach Nachfrage von Rocko, dass sie normalerweise nicht rauche. Chapeau!
Zu vermelden gibt es ebenfalls eine zögerliche Rückkehr Rocko Schamonis zur Musik. Unterstützt an der zweiten Gitarre wird er von dem wunderbar beschnauzbarten Matthias Strzoda, seines Zeichen Studio Braun Gründungsmitglied und schon als Musiker in diversen Hamburger Kapellen (u.a. Schamonis Little Machine oder Frank Spilker Group) tätig. Über den Abend verteilt bekommen wir unplugged und sehr bezaubernd die Klassiker „Leben Heißt Sterben Lernen“ , „Mauern“ und das großartige, erotisch aufgeladene „Doctor Love, mit unvergessenen Textzeilen wie „ich spritz direkt die love injection“ vorgetragen.
„Doctor Love“ ist übrigens der Abschluss der Zugabe. Davor gab es noch das Kapitel zu hören, in dem Sonntag mit seinem Freund Hühner den hassenswerten „Schlagermove“ bekämpft, in dem sie als psychedelische Nazizwerge daran teilnehmen. Als Fazit dieser Aktion gibt er den Stuttgartern mit auf den Weg, dass wenn sie die S21 Befürworter wirklich überraschen und bekämpfen wollen, sie einfach selber schon vorher anfangen sollen den Bahnhhof unter die Erde zu bringen.
Nach dem mittlerweile zum Klassiker gewordenen Aufruf zur „Polonaise der Gewalt“ durch Stuttgart, endet der Abend am Merchandise-Stand unter dem schriftlich festgehaltenen Motto „Rauchen + Saufen mit Rocko“. Viele Girls nutzen das, um sich mit dem schönsten Mann der deutschen Subkultur ablichten zu lassen. Kann man verstehen, muss man sogar, denn schließlich ist der Mann großartig!
„Der in extremer Schönheit nur unmerklich gealterte Rocko Schamoni“ Genius!! 1a-Text Lino!!!!!!!! Und wieder super Bilder von Herr Meinhardt. Fast so schön wie dabei sein.
Dieser Beitrag ist total schlecht recherchiert. Mit keinem Wort wird erwähnt, dass die Killers die beste Band der Welt sind. Das nennt sich also Kritiker? „Armes Deutschland“ kann ich da nur sagen.
schuldigung: „reschaschiert“ meinte ich.
sorry, da ist der subjektive Gaul mit mir durchgegangen, bzw. der Objektivitätsmodulator ist komplett ausgefallen.
Ihr Lustigen! Grad da weitermachen, wo an anderer Stelle das Feuer etwas erlischt. So gefällts mir ;)