JAMIROQUAI, 06.04.2011, Porsche-Arena, Stuttgart
Boah, wie zäum ich das Pferd auf? Vielleicht so: Jamiroquai, war ich früher ganz großer Fan von. Die „Return Of The Space Cowboy“ war eine Weile durchaus meine Lieblingsplatte, und das darauf befindliche „Morning Glory“ ein ideales Begleitstück zu meinen an einer Hand abzählbaren Cannabisversuchen. Nee, pathetischer Nostalgiequatsch, unerträglich so was, kann niemand ernsthaft gut finden. Dann eben aktueller Bezug: Die aktuelle „Rock Dust Light Star“ hält das Niveau der bisherigen Jamiroquaiplatten locker, was aber auch bedeutet, dass sich nicht wirklich viel getan hat in Jays Disco-Soulfunk Kosmos. Kann man gut, schlecht oder egal finden, live erhoffe ich mir aber ein großes Spektakel mit Bläser und Hochglanzsound.
Auch schlecht, Intro an die Wand gefahren. Egal, „die Karawane zieht weiter“ (H. Kohl, glaube ich).
Die Porsche Arena präsentiert sich sehr gut gefüllt mit allerlei gemischtem Volk. Vom jungem Indie, über den/die Middle-Ager GrafikerInnen bis zu Typen, die nach Russisch-Inkasso Führungspersonal aussehen, ist alles dabei. Und die, ich übrigens auch, sehen erstmal Penguin Prison, das Projekt Chris Glovers aus dem für Qualität bürgenden Neon Gold Records Umfeld.
Ein Quartett hat er um sich geschart, das bei überraschend präsentem Sound 80ies inspirierten Pop bietet. Sehr tighte Band, tolle Songs, für eine Vorband starke Bühnenausstrahlung, und eine Stilbandbreite, die mich bei ihren synthielastigeren Popsongs sehr entzückt, bei ihren funkigeren 80ies Pop-Soul Sachen eher abschreckt. Manchmal klingt die Band so dermaßen nach den 80ern, dass man wirklich glauben könnte, man hätte gerade die Sendung „Formel 1“ eingeschaltet. Ein Balanceakt die Unerschrockenheit, mit der sie sich teilweise an eine Radiokompatibilität ranwagen, die für einen Indieact wirklich sehr ungewöhnlich ist. Selbst nach „You’re The Voice“ klingende Gitarrensoli werden zugelassen. Viel Applaus gibt es, zu Recht, und ich weiß trotzdem nicht genau, was ich insgesamt davon halten soll.
In der Zwischenzeit hat sich ein temporär aussortierter VfB-Stürmer samt weiblicher Begleitung neben mich hingesetzt, und futtert einen Hamburger. Unter Magath gäbe es dafür wahrscheinlich eine vierwöchige Zwiebelsuppen-Kur. Wichtiger eher die Frage: machen Jamiroquai mittlerweile Musik, die sich Fußballer gerne anhören? Währenddessen unerträglicher Vocal-House, der einem die Zehennägel aufrollt, in der halbstündigen Umbaupause.
Kurz nach 21 Uhr betreten Jamiroquai unter frenetischem Jubel die Bühne. Der Titeltrack des aktuellen Albums „Rock Dust Light Star“ wird geboten. Der Name ist (Bühnendeko-)Programm. Planeten hängen über der Bühne, elf an der Zahl, so viele Musiker zähle ich auch. Der Bühnenhintergrund zeigt tolle Weltraumbilder, der Sound ist sehr hochwertig für eine so große Halle. Na also, Erwartungen gleich mal erfüllt.
Jay Kay hat eine Art Poncho (Mighty Boosh: „It’s impossible to be unhappy in a Poncho.“) mit Ärmeln an, und scheint sehr gut bei Stimme. Neben der üblichen Bandbesetzung stehen zusätzlich noch ein Perkussionist, drei Background-Sängerinnen und drei Bläser auf der großen Bühne. Nach „Main Vein“ gibt es eine kurze Begrüßung, die fast im ohrenbetäubendem Jubel untergeht. „Cosmic Girl“, das sich mir noch nie so richtig erschlossen hat, ist der nächste Song der gefeiert wird. Die Space-Animationen sind mal wieder großartig, besser als im Planetarium das Spektakel!
Kurze Ansage von Jay Kay, dass er heute endlich im Porsche Museum war. Wahrscheinlich hat er sich auch heute beim Innenstadtbummel gleich noch zwei, drei Sportwagen rausgelassen. Das Unternehmen Jamiroquai läuft wohl gut. Großer Zuschauerzuspruch und die sehr aufwändige Live-Show kündigen davon.
„Smoke & Mirrors“, „You Give Me Something“ und das rockige „Hurtin“ sind die nächsten Song, die von der unglaublich gut zusammenspielenden Band gebracht werden. Paar Planeten werden derweil weiter runtergefahren und rot-orange angestrahlt. Das sieht schon alles sagenhaft toll aus.
Das nächste Highlight ist „Little L“ mit synchronem Publikums-Doppelpatscher. Bei dem Stück lässt allerdings Jays Stimme in den höheren Lagen etwas in der Kraft nach. Fällt aber nicht weiter auf mit so einer Band im Rücken. Außerdem liefert er im Gegenzug paar tolle Sprünge ab. „Canned Heat“ wird in einer anderen Version als auf Platte geboten. Schön, wenn ich live etwas überrascht werde, das gefällt mir. Der Hit „Deeper Underground“ wird überraschend früh verballert, während mein Höhepunkt gleich darauf mit „Space Cowboy“ kommt. Großartig relaxt gespielt, am Ende auch schön ausgedehnt, um darauf noch eine Steigerung draufzusetzen. Die Leinwand hingegen mit ihren Weltraumbildern ala Wonders Of The Universe ergänzt das Ganze kongenial.
Zum Ende des Sets wird die Discoschraube noch fester angezogen. „Love Foolosophy“ mit schönem Flügelhorn-Intro, „Travelling Without Moving“ bis hin zu „Alright“ mit sehr schön synkopiertem Mittelteil, in dem die Bläser sich etwas austoben können. Die ganze Halle bewegt sich, ist begeistert, ich hingegen hätte mir eher paar Songs vom Schlage „Virtual Insanity“, „Emergency On Planet Earth“, „Corner Of The Earth“, oder auch „Supersonic“ gewünscht. Letztes nach meinem Geschmack das einzige Stück, in dem das Hippie-Blasrohr namens Didgeridoo jemals anständig verwendet wurde. So ist es mir gegen Ende hin ein wenig zu sehr Discogepumpe, ebenso wie die Zugabe „White Knuckle Ride“. Das trübt meinen Gesamteindruck aber nur wenig. Großer Abend, tolles Spektakel, sehr gute Liveband.
Und da wir den ganzen Artikel schon beim Thema Weltall sind, zum Schluss noch ein kleiner Hinweis in eigener Sache. Madame P.s und meine Lieblingsband Fitness Forever nehmen gerade ihr aktuelles Album „Cosmos“ auf. Sie werden Stuttgart am 20. Juli im Schocken beehren, und da wir organisatorisch die Finger mit drin haben, bitten wir um dickes Anstreichen des Termins im Kalender.
sammal, Schmoudi, wenn ich mir die Augen lasern lase, sehe ich dann die Realität auch so scharf wie auf deinen Fotos?
Großraumbürofunk
definitiv nicht mehr die Kiffer-Studenten-WG Musik, die’s vielleicht mal 1995 war.
Didgeridoo ist das Saxophon für Arme: durch Groß-Posing Virtuosität vortäuschen.
Spitzenfotos und -text. Mal wieder.
Bin nach Lied drei kurz geistig abgeschweift. Als ich wieder zu mir kam, hatte ich ein Glück nichts verpasst, das Lied lief immer noch. Dachte ich zumindest, bis ich gemerkt habe, dass es schon die Zugabe war. Finde die ja schon irgendwie gut, aber es hat sich eben seit 300 Jahren nichts getan bei denen.
Der aussortierte Stürmer saß drei Reihen vor mir und hat die ganze Zeit Fotos mit seinem Handy gemacht. Scheint es nicht so geil gefunden zu haben.
Super Fotos, btw!
passt ja bestens zu dem Gespräch zweier Italienerinnen danach in der Stadtbahn. Auf die Frage, wie es ihr denn gefallen habe, antwortete die andere: „Mi sembrava tutto uguale.“
Super Bericht mit fantastischen Bildern! Ich hab mich für nen Moment gefragt, wie Jay Kay das mit dem halben Kopf wohl hinbekommen hat. Jetzt hats der Zauberer durchschaut. Alles nur Tricks ;)