CHRISTINA STÜRMER, 07.04.2011, Scala, Ludwigsburg
Was wurde nicht schon alles Böses über Christina Stürmer gesagt und geschrieben. Ein bisschen Lena, ein wenig Nena und der untaugliche Versuch Silbermond oder Juli zu kopieren. Ein Casting-Show-Kind, ohne eigenen musikalischen Charakter. Kenne nur ein paar Songs von ihr. Aber die sind für mich gut genug, um mir das mal selber live zu geben. „Nah dran“ heißt die aktuelle Tour, „Nahaufnahme“ das neue Album. Im Rahmen der Konzert-Reihe Frauenstimmen tritt sie heute in der Scala Ludwigsburg auf. Es wird unter die Haut gehen.
Die Scala sehe ich heute zum ersten Mal “halbiert“. Die vordere Hälfte der Sitzreihen ist abmontiert, so dass sich in der vollen Hütte bei mir schon beim Warmup (AC/DC ist dabei) das Gig-Gefühl einstellt. Publikum ist gut durchmischt, einige Kids (auch ganz kleine), aber auch meine Altersgruppe ist gut genug vertreten, damit ich mich nicht einsam fühle.
Endlich, das Konzert beginnt: mit dem ersten Track der neuen Scheibe: „Zeitlupe“. Wie gewohnt schlicht in Jeans und Shirt, betritt die Stürmer die Bühne und gibt gleich stimmlich alles. Als ob sie das schon mal klar machen will: hier sing ich und gern auch laut. Der Song „Die beste Zeit“ haut mich um. Ist fast eine Zusammenfassung aller Elemente des Stürmer-Sounds: viel authentische Lebensfreude („den Regen schallt ich aus, die Sonne geht nicht unter, sie geht gerad erst auf“), ein Hauch von Nachdenklichkeit („warum gehen all die Sekunden – nur so verdammt schnell verschwunden“), und das Ganze musikalisch eins zu eins in Rock-Balladen gegossen, deren Refrains einem nicht mehr aus dem Sinn gehen. Den Einstieg beendet der aktuelle Hit „Wir leben den Moment“.
Die Band, als klassischer Rock-Act aufgezogen, beherrscht ihr Handwerk. Eben auch, wenn’s mal ruhiger sein soll. Oliver Varga (Gitarre) gibt meist die Riffs vor, ergänzt vom nicht weniger perfekt spielenden Matthias Simoner. Der Bass-Mann, ist ein gar Lustiger: Owanael Damman. Da hat einer seine Klampfe voll im Griff und zaubert. Klaus Perez-Salado haut dabei so flexibel-kreativ auf seine bespannten Schüsseln, dass es eine wahre Freude ist.
Zwischendurch immer wieder der Direktkontakt mit dem Saal. Bei „Fieber“ lässt die Stürmer die Menge die Welle machen. O-Ton: „Und ihr dahinten auf den Sitzen, dürft auch mitmachen. Da hab ich nichts dagegen!“ Und wahrlich, die Welle wogt. An einer Stelle erzählt sie von ihrer ersten eigenen Platte, die sie zum Singen inspirierte. „Heißen Scheiß“, nennt sie das Zeug von einst. Intoniert dann ihr damaliges Lieblingslied: „Saturdaynight, be my baby“. Das ist verspielt, ist herzerfrischend und die Stagecrew bekommt auch noch ihren Bühnenmoment.
Die Setlist ist beeindruckend. In kaum zehn Jahren, hat die Band fünf Alben geschaffen. Neue und alte Songs wechseln sich ab: „Mit jedem Millimeter“, „Lebe Lauter“, „Ohne Dich“, „Wenn die Welt untergeht“, „Reine Nebensache“.
Bei „Scherbenmeer“ gibt sich die Stürmer ein Duett mit ihrem Freund Oliver Varga. Textlich nicht gerade das, was man unter einer Romanze versteht: „Du bist die Schwerkraft, Du ziehst mich runter…Du bist der Regen, und ich bin Land-Unter…Du bist das Salz in meiner Wunde…Fall es Dich interessiert, der Versuch Dich zu hassen, hat bestens funktioniert!“
Gerade deshalb berührt es.
“Macht nichts“ (vom Nahaufnahme-Album) ist dann mit das Tiefgründigste, was ich zum Thema Eifersucht je gehört habe. Erst ist da die unausgesprochene Anklage an den Freund, weil er die Nacht woanders war. Dann die Beschreibung der verlogenen Übereinstimmung: „Zweistimmiges Schweigen“. Schließlich die Erklärung für die Zustimmung zu diesem Schweigen: „Es macht was, zu wissen wo ich heute Nacht war.“
Da gibt’s Nummern von der Frau, die einfach genial auf der Rasierklinge zum Kitsch hin tanzen. “Mama ana ahabak“ (Mama ich liebe Dich), ist so eine davon. Da denkst du erst mal…meine Güte! Dann musst du aber plötzlich nachdenken, wenn dir klar wird da geht’s um Krieg. Um ein Kind, das im Bombenhagel seine Muter verliert. Das ist fast schon die musikalische Quadratur des Kreises! Wohlfühlmucke und dann dieser Tiefgang. Nein, passt in keine Schublade.
Ja, Christina ist Interpretin. Hat aber halt diese unvergessliche Stimme und diese durch und durch natürliche Performance. Die Stürmer lebt die Texte. Keine Posen. Kein Kostümwechsel. Manchmal eher linkisch in den Gesten, oft mit geschlossenen Augen mit der Mikrostange verschmolzen. Dann die Anspannung auflösend, mit diesem unglaublich befreienden Lachen. Bei aller Melancholie mancher Texte, ist dieses Lachen ein Versöhnungsangebot an die Welt.
Zum Schluss ihr Klassiker: „Ich lebe“ (Du bist die Qual…schmeckst bittersüß…Ich lebe, weil Du mein Atem bist…Bin müde, wenn Du mein Kissen bist…Komm lebe, weil ich Dein Atem bin…sei müde, wenn ich Dein Kissen bin…Ich bin für Dich Dein zweites Ich…Du bist für mich, mein zweites Ich).
Und (ohne diese Lied zu spielen, verlässt Christina nie die Bühne): „Engel fliegen einsam“. Der Saal lebt diese Lebensgefühl – live is live.
Beim Verlassen des gerockten Saals hör ich jemand sagen: „Die Stürmer liebt man, oder hasst man.“ Wohl wahr. Ich für meinen Teil, habe mich an diesem Abend ah weng verliebt.
Steht da „Kirmes“ auf dem Tourplakat?
So ist es. „Kirmes“ steht dabei für das Unternehmen von Thorsten Kirmes, das CS&B seit Anfang 2010 mitmanagt: https://www.kirmes.at/. Lustigerweise hat die Firma ihren Sitz in Köln :-)
Lieber Kandidat Felix,
jetzt mußt Du Dich aber entscheiden:
die sanfte Rockerin Christina Stürmer oder der gute alte Angus Young ? ? ? ;-)))
Optisch eher ein Punkt für die Stürmer…
Im übrigen kannst Du am 21.10. schon mal „LOBOMOTIVE“ im Waldheim Heslach einplanen.
Die Jungs spielen sehr gepflegten ‚Complete Metal‘.
Da kannst Du dann auch einen Augen- und Ohrenzeugenbericht verfassen.
Ohrenstöpsel werden an der Kasse gereicht.
Keep raging !
Gitarrengötter fliegen einsam!
;-)
Kirmes!