MESSER, DEWS, 22.03.2024, Merlin, Stuttgart

MESSER, DEWS, 22.03.2024, Merlin, Stuttgart | Foto: Ralph Pache
Foto: Ralph Pache

Messer, die Münsteraner Band, war mit ihrem 2012 erschienen Debüt „Im Schwindel“ am Horizont des Post-Punk-Revivals aufgetaucht und avancierte zu einer der wichtigsten Bands der Szene. Nach drei weiteren Alben, stellen sie nun auf ihrer aktuellen Tour, ihr neues, fünftes Album mit dem vieldeutigen Titel „Kratermusik“ vor.

Als Support sind Dews heute Abend im Merlin, der Opener. Gleich zu Beginn besticht das aus Hamburg kommende Duo mit einem sehr atmosphärischen Sound, der mich sofort an einen Soundtrack denken lässt, der aus dem surrealen Filmuniversum David Lynchs stammen könnte. Unverzüglich fühle ich mich in eine Bar aus dem Setting der Kultserie Twin Peaks versetzt, in dem eine Gefühlsmelange aus wohliger, als auch bedrohlicher Einsamkeit herrscht. Im weiteren Verlauf verstärken die geheimnisvoll klingenden Songs, die zwischen New Wave und Dreampop changieren, das Gefühl in einen nur schwer fassbaren, magischen Parallelraum gesogen zu werden.

MESSER, DEWS, 22.03.2024, Merlin, Stuttgart | Foto: Ralph Pache
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Ganz besonders ist die voluminöse und energiegeladene Stimme von Pola Levy, die trotz ihrer großen Präsenz, den einnehmenden Synthesizer-Sounds und dem akzentuierten Gitarrenspiel Maurice Meyers, genügend Raum lässt, um einen immersiven Klangraum zu erschaffen.

Die zeitweise fast schon süßlichen Synthie-Melodien (und das sei hier absolut nicht negativ gemeint, nein, ganz im Gegenteil, das hat einen Schmelz, der sich um den Hörer legt) gehen immer wieder in tiefe, sehr rhythmische Beats über, die aber trotzdem einer melancholischen Grundstimmung verpflichtet bleiben. Das ist ein treibender, dunkler Discosound zwischen New Wave und Pop mit großer Tiefe. Gegen Ende wird Meyers Gitarrenspiel dann geradezu funky, Siebziger Disco trifft auf poppigen New Wave, um mit Levys souliger Stimme eine perfekte Verbindung einzugehen.

Das ist schon ziemlich stark! Ich freue mich bereits auf das bald erscheinende Debütalbum.

MESSER, DEWS, 22.03.2024, Merlin, Stuttgart | Foto: Ralph Pache
Foto: Ralph Pache

Kurz nach 21 Uhr betreten dann Messer die Bühne im gut gefüllten Merlin. Sofort zeigt sich eine starke Bühnenpräsenz, wobei Sänger Hendrik Otremba besonders hervorsticht. Otremba nimmt die Bühne mit einer intensiven und starken, expressiven Körperlichkeit für sich ein. Musikalisch geht es wirklich in die Vollen. Das ist roh und hat ein hohes Tempo. Die harten Riffs des Gitarristen Milek und das ebenso harte und sehr präzise Schlagzeugspiel von Philipp Wulf erschaffen ein massives Energielevel, welches vom Bassisten Pogo McCartney gebündelt wird. Hier schlägt ein sowohl musikalischer als auch textlicher Meteorit ein.

Womit wir schon beim Albumtitel sind. Ist der Krater im Titel ein Krater, entstanden durch einen Impact der gesellschaftlichen Verwerfungen, also ein Krater in der Gesellschaft? Und aus welchem „Gestein“ setzt sich dieser Meteorit, der diesen Impact verursacht hat, zusammen? Sind dies zunehmende Unsicherheiten und die daraus entstehenden Vereinfachungen des Populismus? Hierzu sollte vielleicht der aktuelle Song „Taucher“ genauer betrachtet werden. Heißt es doch in einigen Textzeilen:

Ein Taucher sieht den Grund

Dies kann durchaus als Notwendigkeit zur Kontextualisierung, des Erfassens, komplexer Topoi interpretiert werden.

Des Weiteren:

Ich tauche zu einem Flugzeugwrack, ich schreite ganz Atlantis ab

Wird hier von der Hybris des Wahns, alles sei technisch machbar, gesungen? Von einem Wahn der letztendlich in den zivilisatorischen Untergang führt? Doch es schimmert auch ein Moment der Hoffnung durch:

Ich sehe die Welt sich zart erneuern, in Seegraswaldalgengemäuern

Dieses Gefühl der Hoffnung manifestiert sich aber nicht nur im Text, sondern auch durch die pure Energie, mit der gerade auch dieser Song dargeboten wird.

MESSER, DEWS, 22.03.2024, Merlin, Stuttgart | Foto: Ralph Pache
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Messers Musik hat seine Wurzeln im Post-Punk und erinnert bei manchen Soundpatterns an den New Wave der Achtziger Jahre. Doch ist hier nicht, wie im damaligen NW, der die Achtziger auszeichnende Hedonismus das prägende Element, sondern die Skepsis gegenüber diesem, da sich dieser doch für viele der heutigen Verwerfungen verantwortlich zeigt.

Man erlebt heute Abend ein Konzert, das durch eine große, mitreißende Energie besticht; das gewaltig und intensiv ist. Und trotzdem wird man nicht von dieser Wucht erschlagen. Dies liegt aber nicht nur an der musikalischen Versiertheit, sondern auch an dem sehr sympathischen Auftreten der Band, allem voran der entspannten Kommunikation Otrembas mit dem Publikum. Fragt er doch, ob jemand seinen Lieblingssender (und er unterstreicht, dies sei nicht ironisch gemeint!) „Schwarzwaldradio“ kennen würde und dann sichtlich enttäuscht ist, dass sich niemand meldet. Auch als er sich beim Merlin und seinem tollen Team bedankt und hervorhebt, wie großartig die Location sei; Philipp Wulf wirft dann noch ein: „wenn man im Merlin spielt, dann hat man es geschafft“. Dies ist absolut authentisch und nicht die übliche Anbiederei, wie man es von manch anderen Bands kennt. Und unter uns, sie haben nun mal recht!

Bis hoffentlich bald mal wieder im tollen Merlin.

MESSER, DEWS, 22.03.2024, Merlin, Stuttgart | Foto: Ralph Pache
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