ULI SAILOR PUNKROCK PIANO, CHRIS DER BERG, 21.03.2024, Goldmark’s, Stuttgart

ULI SAILOR PUNKROCK PIANO, CHRIS DER BERG, Goldmark's 21.03.204 | Foto: Sascha Stütz
Foto: Sascha Stütz

Bereits zum dritten Mal innerhalb von 13 Monaten macht das Punkrock Piano Station in Stuttgart. Schon bei der ersten Ankündigung horchte ich auf: Punkrock-Cover mit Piano und Cello-Begleitung – das klang nach etwas Ausgefallenem.

Kopf dahinter ist Uli Sailor, dessen Künstlername von seiner ersten Band „D-Sailors“ stammt, die insbesondere in den Neunziger Jahren in der deutschen Punk-Szene für Aufsehen sorgten. Seither hat er diverse andere Projekte verfolgt und war unter anderem als Keyboarder an der Neuauflage der legendären „Terrorgruppe“ beteiligt.

Nachdem ich nun die letzten beiden Gelegenheiten, das Punkrock Piano zu sehen, verpasst hatte, war ich umso gespannter auf den Auftritt im Goldmark’s. Mit ca. 100 Menschen war der Laden für einen Donnerstag angenehm gefüllt, aber nicht überlaufen. Eröffnet wurde der Abend vom lokalen Entertainer Chris der Berg an der Gitarre, der sonst unter anderem bei der Band Helmut Cool mitmischt.

ULI SAILOR PUNKROCK PIANO, CHRIS DER BERG, Goldmark's 21.03.204 | Foto: Sascha Stütz
Foto: Sascha Stütz

Natürlich hatte „Chris“ bei seinem Heimspiel viel Anhängerschaft dabei, die seinen Auftritt an der Akustikklampfe feierte. Er brachte überwiegend Coverversionen dar, besonders beim Terrorgruppe-„Opa“ und dem Ärzte-Klassiker „Hurra“ sang das Publikum laut mit. Von seinen Anekdoten blieb bei mir unter anderem die über einen Auftritt in meiner ursprünglichen Heimat auf der Alb hängen, bei der er aufgrund seines Bartwuchses mit „Lynyrd Skynyrd“ verglichen wurde. Viel Frotzeleien gab es auch mit seinen Freunden im Publikum, so dass der Grundstein für eine gute Stimmung alsbald gelegt war und der Sänger eine spontane Zugabe geben musste.

ULI SAILOR PUNKROCK PIANO, CHRIS DER BERG, Goldmark's 21.03.204 | Foto: Sascha Stütz
Foto: Sascha Stütz

Nach einer kurzen Pause kamen dann Uli Sailor und der Cellist Michael „Micha“ Schlücker auf die Bühne. Sehr schnell zeigte sich, dass auch ohne große Band durch das Zusammenspiel der beiden Instrumente ein druckvoller Sound entstehen kann. Insbesondere das Cello erwies sich mit seinen tiefen Tönen einem Bass als ebenbürtig.

Uli Sailor erzählte zwischen den Liedern von seiner Jugend und „den vielen tollen Platten“, die in den Neunziger Jahren im Punk-Bereich in seiner ganzen Breite heraus kamen. „Wenn man damals neue Musik entdeckt hat, war das immer wie ein Flash ins Herz“, bekannte der Keyboarder.
Sein Programm blickte dementsprechend zurück auf Bands wie Lagwagon („Island of Shame“), NOFX („Linoleum“), Propaghandi („Anti-Manifesto“) und weitere Helden aus dem Punk/Melodycore-Genre. Viele der Anwesenden fanden sich wohl an die eigene Jugend erinnert und sangen begeistert mit.

ULI SAILOR PUNKROCK PIANO, CHRIS DER BERG, Goldmark's 21.03.204 | Foto: Sascha Stütz
Foto: Sascha Stütz

Dennoch war es kein rein sentimentales „Back to your youth“-Programm, was von den beiden Herren auf der Bühne dargeboten wurde. In seinen eigenen neu geschriebenen Songs setzte sich Sailor durchaus kritisch mit dem verklärenden Blick auf die „guten, alten Zeiten“ auseinander – Zum Beispiel im Lied „Live Fast – Die Punk“:

„Für immer jung haben wir gesagt, doch heute weiß ich – das war Quark. Für immer Punk haben wir geschworen, doch auf dem Weg hab ich euch verloren.“

Dennoch zeigte die Rückschau, dass Punk stets auch für Diversität und die Anerkennung des einzelnen Menschen auf freie Entfaltung stand. Dementsprechend merkte Uli Sailor an: „Wenn Punkrock eines für mich war, dann immer auch politisch und somit auch antifaschistisch und gegen Homophobie und dergleichen.“ Gerade das Abfeiern von Songs wie „Raum der Zeit“ der Sindelfinger Legende „Wizo“ machten eine entsprechende Prägung der Anwesenden mehr als deutlich:

„Ich bin schwul, ich bin jüdisch und ein Kommunist dazu – Ich bin schwarz und behindert, doch genauso Mensch wie du..“

Immer nahe an seinem eigenen Erlebten präsentierte er Songs von Wegbegleitern wie „Casanovas schwule Seite“, „Schrottgrenze“ oder „Herrenmagazin“. Als besonders prägend bezeichnete er seine Zeit als Mitglied bei seinen einstigen Jugendhelden „Terrorgruppe“ und wie sehr der plötzliche Tod des Bassisten Zip Schlitzer zwei Wochen vor dem letzten Konzert der Abschiedstournee bis heute nachwirke.

ULI SAILOR PUNKROCK PIANO, CHRIS DER BERG, Goldmark's 21.03.204 | Foto: Sascha Stütz
Foto: Sascha Stütz

Sein Set beendete das Duo mit „Good Riddance (Time of Your Life)” von “Green Day”, das Micha am Cello noch einmal eindrucksvoll untermalte. Gänsehaut war garantiert. In der anschließenden Zugabe zeigte er außerdem seine musikalische Bandbreite, als er mithilfe einer Bohrmaschine eine Art Trommelsolo aufführte. Den Einwand aus dem Publikum, dass dies ja gar keine Bohrmaschine, sondern ein Bohrschrauber sei, tat er mit „Das ist das Deutscheste, was ich auf dieser Tour gehört habe“, ab.

Der letzte Titel des offiziellen Programms war „Für immer Punk“ der „Goldenen Zitronen“. Zuvor im eigenen Song zitiert (s. oben), wirkte es hier nun als rückblickender Schlusspunkt nach. Ein Spagat, der gut Nostalgie ohne Verklärung und somit den ganzen Abend noch einmal gekonnt auf den Punkt brachte.

Das „lauteste Publikum der Tour“ ließ Uli Sailor aber immer noch nicht gehen, trotz der inzwischen laufenden Musik aus der Konserve brachen die „Zugabe“-Rufe nicht ab. Spontan rief er „meinen Kuseng“ aus dem Publikum auf die Bühne, der ihn an der Gitarre für einen weiteren NOFX-Song begleitete. Damit war das Konzert dann endgültig vorbei.

Rückblickend muss ich sagen: Bei mir kamen nach dem Abend im Goldmark‘s sehr viele Erinnerungen an die eigene Jugend und das Entdecken von neuen Bands auf den massenhaften Punk-Samplern der Neunziger Jahre auf. Auch wenn ich nicht mehr überall textsicher war, waren das doch Songs, die eine ganze Generation von Heranwachsenden geprägt haben, die sich zumindest etwas außerhalb des Mainstreams geprägt haben. Ich muss auf jeden Fall beim Osterbesuch bei meinen Eltern mal wieder ein paar der CDs von damals herauskramen…

ULI SAILOR PUNKROCK PIANO, CHRIS DER BERG, Goldmark's 21.03.204 | Foto: Sascha Stütz
Foto: Sascha Stütz

Uli Sailor

Chris der Berg

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

I accept that my given data and my IP address is sent to a server in the USA only for the purpose of spam prevention through the Akismet program.More information on Akismet and GDPR.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.