THE NEPTUNE POWER FEDERATION, 07.03.2024, Schwarzer Keiler, Stuttgart

Dass ausgerechnet ein Metal-Club mal zu meinen bevorzugten Ausgeh-Spots gehören würde, hätte ich mir auch nicht träumen lassen. Da war es nur eine Frage der Zeit, bis ich dort auch mal ein Konzert sehen würde. Obwohl ich mit 90 % der Musik, die dort läuft, (immer noch) nichts anfangen kann. Viele ebenso lustige wie erfolglose Abende beim Metal-Quiz haben mir wenigstens eine Erkenntnis mitgegeben: Auf keinen Fall wird mein Debut bei einem Nu-Metal- oder Metalcore-Gig sein, auch wenn ich beim ebenso lustigen Metal Karaoke Massacre einige beeindruckende Auftritte in dieser Richtung gesehen habe. Beim „Comics & Bier“-Event in der Metal-Edition habe ich den Schwarzen Keiler dann übrigens endgültig ins Herz geschlossen. Auch wenn das Publikum teilweise etwas einschüchternd aussieht (ich erwähne nur den beeindruckenden Quiz-Aufseher „Oberstudienrat Flori“), hat man zumeist mit äußerst freundlichen Zeitgenossen in einer sehr familiären Atmosphäre zu tun. Kein Wunder, dass der Keiler erst kürzlich im Leserpoll des Fachmagazins „Rock Hard“ zu einem der besten Metal-Clubs gewählt wurde.

Aber – alte Blogger-Krankheit – ich bin vom Thema abgekommen.

Heute steht die australische Formation The Neptune Power Federation auf dem Programm und ich bin mächtig gespannt, wie man auf dieser kleinen Grundfläche ein amtliches Konzert unterbringen will. Soviel sei schon verraten: Es funktioniert prächtig, zumal die klimatischen Bedingungen heute exakt im Wohlfühlbereich liegen. (Der Bericht der Kollegen vom Hellripper-Dampfbad hatte mich hier alarmiert, fand allerdings auch im August statt.) Bevor die Band aus Sydney die Bühne entert, startet der Abend mit einer Kapelle aus Backnang: Dust & Bones mit „High Energy Dirt Rock’n’Roll“. Die zwei stimmlich und optisch komplett unterschiedlichen Frontmänner – Vöhri, eher kompakter Glatzkopf mit Rauschebart und Reibeisenstimme, und Thorsten, schlacksig und mit Bass – lassen sich nicht lang bitten. Leicht angepunkter Volldampf-Hardrock ohne Schnörkel und mächtig Druck. Das bodenständige Band-Motto „Spaß haben, Bierchen trinken und Lärm machen“ bringen sie jedenfalls authentisch über die Rampe, müssen sich allerdings doch ein wenig anstrengen, das zur frühen Stunde noch etwas träge Publikum im fast ausverkauften Laden auf Betriebstemperatur zu bringen.

Halbzeit-Fazit: Der Laden ist absolut konzerttauglich, der Sound ist, trotz der baulichen Schwierigkeiten, überall gut, vor der Bühne sogar sehr gut. Das Licht ist für einen Laden dieser Größe super und selbst bei großem Füllungsgrad kommt kein Gedränge oder Platzangst auf. (Wobei wir heute allerdings auch weder einen Moshpit noch Crowd-Surfing haben werden.)

Vier beeindruckende, wetter- und rock’n’roll-gegerbte Haudegen beginnen mit dem Intro, optisch im krassen Gegensatz dazu die Frontfrau Imperial Priestess Screaming Loz Sutch, die sich in ihrem schneeweißen, opulent verzierten Taftkleid, spektakulär geschminkt und mit ausladendem Kopfschmuck den Weg zur Bühne bahnt. Sie eröffnet den Gig Gottesdienst der „Church of Neptune Power Federation“ mit einem Abendmahl für die Gäste in der ersten Reihe. Aus einem goldenen Hostienbecher legt sie feierlich Gummibärchen (?) in die Münder der Besucher:innen, spendet Wein (?) aus einem Kelch und ihren Segen durch Handauflegen. Ok, nichts für religiös sensible Gemüter, die Fotografen allerdings sind angesichts der Bildgewalt aus dem Häuschen.

Mit dem mächtigen „Mind Voyager“ von ihrem 2015er-Album „Lucifer’s Universe“ eröffnen die Aussies ihr Set. Stämmiger Stoner-Rock von einer bravourös aufspielenden Band, dazu die mächtige Stimme und der exaltierte Gestus der Priestess – wow, das geht gewaltig nach vorne. „Let Us Begin“ vom aktuellen Album „Goodnight my Children“ schließt da nahtlos an und legt tempomäßig eine Schippe drauf.

Natürlich ist dies (glücklicherweise) alles kein Metal, aber genau deshalb habe ich mir auch diesen Gig ausgesucht. Es wird stilistisch viel bunter, als ich es mir vorgestellt hatte. Und dass die Band durchaus augenzwinkernd durch die Genres räubert, lässt sich schon an den Namen der übrigen Bandmitglieder erkennen, die dem Vernehmen nach sämtlich der australischen Punk-, Stoner- und Metalszene entstammen sollen: Bassist Jaytanic Ritual, die Gitarristen Inverted CruciFox und Search & DesTroy, sowie River Sticks an den Drums hauen nicht nur High Energy Rock’n’Roll mit 70er Hardrock-Nostalgie und großen Rockgesten raus, da gibt es auch mal einen funky Basslauf („Baby You’re Mine“) und exzessiven Cowbell-Einsatz, während vorne die Priestess mit ihrem unfassbaren Dynamik- und Stimmumfang und einer Performance von Rockröhre bis zu Operette den Mischer ins Schwitzen bringt.

Lieblingsmoment des Konzerts: Ein besonders gläubiger Jünger der Neptun-Power-Gemeinde überreicht der Priesterin einen Strauß Rosen, wofür sie sich mit einer besonders intensiven Segnung bedankt. Das ist eine wahrhaft große Show und wird nach circa 70 Minuten mit „Rat Queen“ zu einem würdigen Abschluss gebracht. Glücklicherweise erlaubt die Liturgie der Neptun-Power-Kirche aber noch eine Zugabe und so schließt der Abend endgültig mit einem spektakulären Intro von „I Put A Spell On You“ , das dann – ganz Keiler-gerecht – in ein Finale mit „Killed by Death“ von Motörhead mündet. Ein Kabinettstückchen, in dem die Priesterin nochmal ihre ganze stimmliche Klasse demonstriert.

Setlist

Mind Voyager
Let Us Begin
Way of the Wizard
Edmunde
Thirst For Blood
Bound For Hell
Betrothed To The Serpent
Baby You’re Mine
I’ll Make a Man Out Of You
Lock & Key
Neath A Shin Ei Sun
We’re Gonna Die
My Precious One
Rat Queen

I Put A Spell On You

The Neptune Power Federation

Dust & Bones