HELLRIPPER, ENDLEVEL, 11.07.2023, Schwarzer Keiler, Stuttgart
Nach dem Konzert: Wir stehen vor dem Parkhaus-Kassenautomat und fragen uns, ob dieser so ein komplett durchweichtes Ticket noch annimmt. Ein anderer Konzertbesucher hinter uns: “Man, I’ve seen Iron Maiden and The Prodigy in Dubai. But this tonight was hotter.” Kurz danach fährt ein anderer Konzertbesucher vorbei, das Kennzeichen endet auf “666”.
Vor dem Konzert: Ich freue mich erstmal allgemein, dass mit dem “Der Schwarze Keiler” ein dezidiert auf Metal spezialisierter Club es in das urbane Milieu der Stadtmitte geschafft hat. Beim Metalquiz war ich schon mal dabei, war toll. Metal-Karaoke stell ich mir spannend vor, Stichworte: Deathmetal-Grunzen, Power-Metal-Kastratengesang, Black-Metal-Keifen. Auf jeden Fall zeigt der Blick auf das Programm des Clubs, dass die Macher*innen Ahnung von der Materie haben und das Ganze mit viel Liebe angehen.
Der Abend ist ausverkauft. Es gibt viele Shirts von oldschooligen Bands wie Celtic Frost, Whiplash und Bathory zu bestaunen. Das Publikum ist im Gegensatz zu Testament und Voivod vor paar Wochen gemischter im Alter, nur ein wenig, aber doch diverser im Geschlecht. Wohl alle aber fragen sich wohl: am schwül-heißesten Tag des Jahres im kleinen, niedrigen und ausverkauften Club wildester Metal…geil oder eventuell doch sehr bekloppt?
Um halb Neun legen Endlevel los. Kein Firlefranz, kein Intro. Trashgeknüppel, Propellerbangen, Gebrülle und rohe, wilde Energie von der Bühne. Die ersten Minuten sind ein ziemlich eindrückliches Erlebnis. Im Setting des engen Clubs, Bühnennebel samt fiesen Temperaturen, glaubt man nachvollziehen zu können, wie es sich in den 80ern, als diese Musik entstand, auf einem Konzert angefühlt haben könnte. Der Sound hat natürlich keine Elbphilharmoniequalitäten, und ob der Drummer jetzt auch wirklich ganz fehlerfrei war…aber eben genau das ist der Reiz. Ur-Thrash, bevor er noch technischer wurde, ist hier die Inspiration. Und da ist das Rohe, die Imperfektion eben inhärent.
Endlevel haben gute Songs, die auch richtig feine, langsame Moshparts haben. Herrlich keine super tiefgestimmten Gitarren hören zu müssen, wie sie im modernen Metal häufig Usus sind. Die Gitarren schneiden schön hoch-mittig die Luft. Diese ist mittlerweile aber auch sehr schneidbar geworden. Meinereiner zählt zu den Personen, die nur wenig schwitzen. Weiß nicht, ob mir jemals der Schweiß an Beinen, Rücken, Bauch, ja auch am Arsch, so runtergeronnen ist. Eine Stubenfliege erblicke ich, die in Zeitlupe wie durch Sirup zu fliegen scheint, das Notizbuch ist ein unbrauchbar gewordener Schwamm. So freue ich mich einerseits über die verdienten Zugaben, aber bin dann auch froh nach draußen zu kommen.
Apropos das richtige Setting: am Himmel zucken Blitze. Das Goat-Woreshipping von Hellripper aus Schottland passt also bestens. James MacBain ist für Hellripper ein wenig das was Tobias Forge für Ghost ist. Ein Ein-Personen-Projekt, für das v.a. live Musiker*innen angeheuert werden, wo am Ende geile Musik samt passendem Image rauskommt. Es ist schon auch ein Ding geworden über die Jahre, dass jüngere Metal-Bands sich bewusst an den rohen, primitiven Ursprungsbands des extremen Metals orientieren. Hellhammer, frühe Sodom, Destruction, Kreator, Sepultura, Venom, you name it. Hellripper sind wahrscheinlich mit die bekanntesten Vertreter dieser Szene.
Wir steigen wieder hinab, denn nach kurzer Umbaupause geht es gleich weiter. Auch hier: kein Firlefranz, kein Intro. Hellripper knüppeln ebenfalls von Beginn an los wie gestört. Aber man kann schon diverse Unterschiede zur Vorband ausmachen. Die Musik wirkt, als würden zornige Norweger Songs im Kill ‘Em All Speedmetal-Stil spielen. Also noch ein wenig primitiver vom Ansatz her als der schon rohe Thrashmetal von Endlevel. James keift wie ein junger Quorthon über Riffs und Arrangements, die ein wenig Punk, ein wenig 70ies Rock sowie NWOBHM durchscheinen lassen.
Die Luft hat mittlerweile eine Luftfeuchtigkeit erreicht, die Kiemenatmung ermöglicht. Allerdings nur für tropische Fische. Verständlich, dass der um sein Leben spielende Drummer sein T-Shirt beim zweiten Song auszieht. Positive Note: Im Publikum behalten alle gesittet ihr T-Shirt an. Ob aus Scham oder Solidarität mit den Zuschauerinnen, egal. Der Schlagzeuger ist übrigens alleine schon das Eintrittsgeld wert. Das Hellhammer-Shirt des Bassisten aber auch.
Auf Platte haben Hellripper durchaus auch Abwechslung in ihrer Musik zu bieten. Aber wie James MacBain gleich am Anfang klarmacht: das Menü bietet heute nur schnell bis ultraschnell. Anfängliche Bedenken, ob die Einfachheit der Musik und das ständige am Anschlag spielen eventuell langweilig werden können, verfliegen schnell. In dem eng gesteckten Rahmen dieses dirty Protothrash mit Black-Metal-Glasur steckt so viel Qualität, dass das ca. einstündige Konzert ein einziges Highlight darstellt. Wahrscheinlich hat mir “The Nuckelavee” am besten gefallen, aber wie schon geschrieben: Notizen waren nicht machbar.
James MacBain dreht dann noch Gitarre spielend eine crowdsurf Runde, was sich bestens in die überhitzte, euphorische Stimmung einordnet. Zurück bleibt am Ende ein ausgemergeltes Publikum, und die Erinnerung an einen denkwürdigen Abend. Bitte Schwarzer Keiler: weiter solche Bookings an Land ziehen!
Hellripper waren schon sehr geil in der Keiler Sauna! Seitlich von der Bühne war vom Gesang leider wenig zu hören,dafür Super Blick auf das Drumtier ! Meine Fresse,sowas hab ich selten gesehen… und das bei der Bruthitze…
Hier 2 Videos vom Gig:
https://youtu.be/ZgMzsKlThyg
https://youtu.be/PAymxfC97Z0