SALLY GRAYSON, 14.02.2024, Ritterstüble, Stuttgart

SALLY GRAYSON, 14.02.2024, Ritterstüble, Stuttgart | Foto: Reiner Pfisterer
Foto: Reiner Pfisterer

Wenn Kollege Reiner „Die Rückkehr der Musik“ Pfisterer die Herausforderung sucht und spontane Lust auf eine Fotosession in einer verrauchten Eckkneipe bei fragwürdigen Licht- und Platzverhältnissen anmeldet, wer wäre ich, die Bitte nach einem begleitenden Konzertbericht zu verweigern? Zumal ich ja keine Gelegenheit auslasse, darauf hinzuweisen, dass wir mit Sally Grayson hier in unserer unmittelbaren Nachbarschaft eine Künstlerin internationalen Formats haben, die immer noch viel zu wenige kennen. Und dass sich das Ritterstüble mit seinen monatlichen Mittwochskonzerten zu einer überaus erfreulichen und immer besser besuchten Konzertlocation entwickelt hat, kann ich auch nicht oft genug betonen.

SALLY GRAYSON, 14.02.2024, Ritterstüble, Stuttgart | Foto: Reiner Pfisterer
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Und dieser Abend bringt endlich zusammen, was zusammengehört: Neben den alten Grayson-Fans hat sich nämlich eine erfreulich große Zahl Stuttgarter Musik-Auskenner eingefunden, die ich bisher noch nicht auf ihren Konzerten gesehen hatte. Kurzum: Die Eckkneipe ist proppenvoll, die Stimmung prächtig und Sally Grayson hat nicht nur ihren kongenialen Schlagzeuger Stephan Kappler mitgebracht, sondern den Eingang der Eckkneipe mittels Beamer und Effektleuchten in stimmungsvolles Licht getaucht.

SALLY GRAYSON, 14.02.2024, Ritterstüble, Stuttgart | Foto: Reiner Pfisterer
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Das Set besteht aus einer Mischung von Songs aus alten „Black Swift“-Zeiten, den Titeln ihres Solo-Debüts „The Darkness in Me“, einigen noch unveröffentlichten Tracks und einem Cover. Mit „Intercede“ vom Soloalbum startet der Abend und schlagartig stellt sich Western-Stimmung ein im kleinen Heslacher Eck-Saloon. Mit seinem markanten Pfeif-Intro, dem rollenden Eisenbahn-Rhythmus des Schlagzeugs und den melancholischen Liedzeilen, in denen Sally zum ersten Mal ihre stimmlichen Qualitäten aufblitzen lässt, ist die Stimmung gesetzt.

SALLY GRAYSON, 14.02.2024, Ritterstüble, Stuttgart | Foto: Reiner Pfisterer
Foto: Reiner Pfisterer

Der titelgebende Opener „The Darkness in Me“ folgt direkt. Dieser Titel, in der Studioversion mit Backing Vocals von XIXA’s Gabriel Sullivan, hat es letztes Jahr auf einen Spitzenplatz in meiner Jahresbestenliste geschafft. Wie auch das komplette Album, das in Tucson/Arizona mit einer Allstar-Band eingespielt und produziert wurde. Musiker von XIXA, Calexico und Bob Dylans Liveband waren beteiligt und es ist definitiv ein Geheimtipp für alle Freunde authentischen Americana/Desert-Sounds.

SALLY GRAYSON, 14.02.2024, Ritterstüble, Stuttgart | Foto: Reiner Pfisterer
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Hier vor Ort kommen die Songs natürlich in einer runtergestrippten Version. Und die haben ihren ganz eigenen Reiz, auch wenn sie mit einem Bass sicher noch etwas schöner wären. Doch der hätte definitiv nicht mehr ins Ritterstüble gepasst. Schon jetzt spielen sich skurrile Szenen ab, wie wir sie an diesen Kneipenkonzerten so schätzen. Die Distanz zu den Musiker:innen kann in Zentimetern gemessen werden. Neuankömmlinge stehen mit beschlagenen Brillengläsern mitten auf der Bühne, schlängeln sich durch das dichtgedrängte Publikum, versuchen dabei, möglichst nicht in das ausladende Pedalboard zu tappen, und auf der Suche nach Halt nicht den schlanken Säulenlautsprecher umzureißen. Dazwischen kniet der besagte Fotograf, der seine Herausforderung gesucht und gefunden hat und vor allem der vom Chaos komplett ungerührte und konsequent freundlich weiter servierende Kellner Daniel, der es tatsächlich schafft, unfallfrei Bier und schwäbische Kost in den dahinterliegenden Gastraum zu transportieren.

SALLY GRAYSON, 14.02.2024, Ritterstüble, Stuttgart | Foto: Reiner Pfisterer
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Kurzum: Zu der Platzierung in den Toplisten für Songs und Alben könnte sich heute die in unserer Königsdisziplin, den Top-Konzerten, hinzugesellen. Ein viel intensiveres Konzerterlebnis ist kaum vorstellbar. Sally Grayson ist sichtbar begeistert und lässt sich keine Gelegenheit zur Konversation mit dem Publikum entgehen. Dass „Valentine’s Day“ hier ja wohl kein Schwein interessiere, nähme sie als Amerikanerin jetzt mal einfach hin. Sie habe aber dennoch aus den Musikwünschen zu Love Songs, um die sie beim letzten Gig gebeten hatte, einen ausgewählt. Und ich kann mein Glück nicht fassen: Es ist „Love Will Tear Us Apart“.

SALLY GRAYSON, 14.02.2024, Ritterstüble, Stuttgart | Foto: Reiner Pfisterer
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Es soll das einzige Cover an diesem Abend bleiben, obwohl Sally Grayson noch einige weitere großartige Interpretation auf Lager hätte. Der Song-Fundus ist aber derart reichhaltig, dass der Abend allein mit Eigenkompositionen locker gefüllt werden kann. Weitere Highlights sind „Melt Into Your Arms“ und „Digital We Are“, das in der Pandemie entstanden ist und uns kurz daran erinnert, wie wertvoll diese Live-Momente mit echten Musiker:innen und so vielen Freunden im Publikum sind. Und diese Momente sollten wir so intensiv und häufig wie möglich mitnehmen. Mann weiß ja nie. Immer am zweiten Mittwoch im Monat im Ritterstüble und mit Sally Grayson bereits nächsten Mittwoch beim Kraftpaule.

SALLY GRAYSON, 14.02.2024, Ritterstüble, Stuttgart | Foto: Reiner Pfisterer
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Ein Gedanke zu „SALLY GRAYSON, 14.02.2024, Ritterstüble, Stuttgart

  • 17. Februar 2024 um 11:53 Uhr
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    Super beschrieben! Danke, mel

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