VALTAVA, 16.02.2024, Manufaktur, Schorndorf
Obwohl ich Valtava innerhalb der letzten beiden Jahre nun schon mehrfach live gesehen habe, ist mir klar, dass das heutige Konzert wieder anders werden wird. Denn wenn Valtava für eines nicht steht, dann ist es für Wiederholung. Die Band lebt das, was Kunst im Allgemeinen lebendig und spannend macht, sie voranbringt; sie experimentiert und geht Risiken ein. Etwas, das leider immer seltener wird, nicht nur in der Musik. Zu diesem Experimentieren gehört auch, dass die drei Musiker*innen immer wieder ihre Positionen innerhalb der Band wechseln und sich damit selbst herausfordern.
Heute in der Manufaktur ist Alexandra an der Gitarre, Jannick spielt Schlagzeug und Orgel und João ist am Bass.
Das Set beginnt mit sphärischen Orgelklängen, einer pulsierenden Gitarre und einem wummernden Bass, dann setzt das Schlagzeug ein. Es entsteht ein aus mehreren Schichten bestehender Klangraum, der einen sofort umschließt, ja gefangen nimmt. Die Gitarre wird zunehmend noisiger und über diese schwer fassbare Gitarrenwand legt sich der repetitive Bass, der Struktur verleiht. Das alles steigert sich zu einem Intensiven, körperlichen, ja den Körper durchdringenden, Soundgewitter. In diesem massiven Wall of Sound geht aber nicht nur das Publikum auf, nein, auch Valtava scheinen durch und durch von ihm durchdrungen und in ihm zu sein. Hier kann man wirklich von einem Sog sprechen!
Im weiteren Verlauf wird das Schlagzeugspiel noch komplexer und der Gesamtsound noch massiver, der reale Raum wird aufgelöst; er wird transformiert in eine musikalische Erfahrung. Die psychedelischen Elemente, erzeugt von Jannicks Orgel Korg CX3, haben daran einen nicht unerheblichen Anteil, ebenso wie das strukturierende Bassspiel von João.
Sehr ungewöhnlich ist und das macht die außergewöhnliche Qualität des Konzertes mit aus, dass nicht nur die Rhythmusinstrumente das Soundgerüst bilden, sondern auch Alexandras Gitarrenspiel.
Es entsteht eine, Klang gewordene Aporie aus, sowohl komplexer als auch repetitiver Rhythmik, was zwar den Hörer fordert, aber auch für eine immense Spannung sorgt. Gleichzeitig entsteht ein mäandernder Soundteppich, der einen, wie man es auch schon auf dem letzten Album „When Carlos Leaves His House“ erfahren durfte, weite Landschaften evozieren lässt. Landschaften, die man aus Filmen, wie zum Beispiel von Sergio Leone, kennen könnte. Diese Evokation wird noch verstärkt, als Alex ihre Gitarre mit dem Geigenbogen bearbeitet. Hier zieht man natürlich unweigerlich Vergleiche zu der isländischen Band „Sigur Ros“. Doch anders als bei den Isländern nehme ich diese Landschaftsbilder nicht nur betrachtend wahr, ich projiziere mich auch in sie hinein. Das Konzert wird zu einem immersiven Klangraum.
Dies alles ist wirklich massiv und wuchtig und trotzdem schaffen es die drei Musiker*innen, dass das alles nicht angestrengt wirkt, das Konzert fließt ganz selbstverständlich. Valtava schafft, dass man nicht erdrückt wird, dass trotz der großen Energie dem Konzertbesucher Raum zum Atmen bleibt.
Man kann hier natürlich Bezüge zu den Genres Postrock, Krautrock und auch Stoner Rock herstellen und Bands wie „Trans Am“, „Tortoise“, „Can“ und „Kyuss“ als Referenzen nennen. Doch der heute Abend dargebotene Sound ist mehr als die Summe dieser Genreteile, hier entsteht ein unauflösliches Amalgam aus all diesen Elementen.
Hier darf man live erleben, wie von den Valtavas ein akustischer Kunstraum erschaffen wird.
Ich bin schwer davon beeindruckt, was für ein musikalisches Brett die Drei heute Abend abgeliefert haben. Das ist, um nochmal eine Filmmetapher zu bemühen, ganz großes Kino!