DIE PRINZEN, 11.11.2023, Porsche Arena, Stuttgart

Die Prinzen in der Prosche Arena, Stuttgart.
Foto: Madita Nair

Darf man Frauen überhaupt noch Komplimente machen?
Darf man das? Darf man das?
Oder über nicht korrekte Witze lachen?
Darf man, darf man das?“

Als Dorfkind/Hinterwäldler der 90er bin ich aufgewachsen in einem Jahrzehnt, das vor kreativer, musikalischer Schaffenskraft nur so gestrotzt hat. Egal ob Eiffel 65 mit „Blu Da Ba Dee“ oder die Vengaboyz mit „Boom Boom Boom“ – die Tanzflächen der Dorfdiscotheken waren gefüllt, in den dunklen Ecken wurde stangenweiße geraucht, danach der erste Zungenkuss ausgetauscht und jeder pubertierende Halbstarke ist beim Boxautofahren zu „Get Ready“ von 2 Unlimited mit einer Hand am Steuer in den nächsten Familienvater mit seinem kleinen Kind gebrettert. Eine herrliche Zeit und mit „Mambo No.5“ von Lou Bega kam mein Megahit der 90er. Zumindest habe ich ihn in einem Urlaubsvideo beinahe schon manisch immer wieder vor mich hin gesungen. 

Und dann waren da auch Die Prinzen. Ich sage es direkt vorneweg – ich habe mich nie weiter als „Millionär“ und „Küssen verboten“ mit ihnen beschäftigt. Das war mir nicht fetzig und 90’s-poppig genug. Aber vielleicht überzeugt mich das heutige 30-jährige Jubiläumskonzert ja vom Gegenteil, wenn ich die volle Bandbreite zu hören bekomme.

Die Prinzen in der Prosche Arena, Stuttgart.
Foto: Madita Nair

Mit Betreten der Porsche Arena wird schnell klar – das wird heute eine 90s Party light. Der Innenraum ist bestuhlt und die Tribünen füllen sich auch eher behäbig. Band und Fans sind ja gleichermaßen „gereift“ – die Party rückt da eher in den Hintergrund und die relevanteren Dinge wie Freundschaft und Rechtschaffenheit nehmen den wichtigsten Platz auf der Bühne ein. Ich nehme es nun einfach vorweg:

Mit ihrem Song „Es war nicht alles schlecht“ liefern die Prinzen mir mein perfektes Fazit des heutigen Konzerts. Von der Band natürlich augenzwinkernd gemeint, ist es für mein Empfinden eher die bittere Wahrheit. 

Die Prinzen in der Prosche Arena, Stuttgart.
Foto: Madita Nair

Doch beginnen wir mit den Fröschen. Wie im Märchen erscheinen auf der LED-Wand singende Frösche und kündigen die Ankunft der royalen Thronfolger an. 

Der Opener „Krone der Schöpfung“ spiegelt den Konflikt von Meinungs- und Deutungshoheit wider. Jeder behält sich das Recht vor, die Wahrheit exklusiv zu kennen und diese vehement innezuhaben. Erfreulich für mich sind die zumindest kleinen Flashbacks in meine Kindheit – ich kenne ein paar Songs und die mochte ich sogar als kleiner Bub. „Mann im Mond“, „Küssen verboten“ und natürlich „Millionär“ ziehen die noch verschlafene Porsche Arena aus ihren Stühlen. Was immer wieder etwas eintrübt, ist der miserable Sound. Das Schlagzeug nimmt sehr viel des Sounds ein und überdeckt vor allem den typischen und prägenden Background-Gesang der Band beinahe komplett. Doch für die Prinzen zählen heute Abend und überhaupt ganz andere Dinge als ein perfekter Sound.  Es muss nicht jeder Ton sitzen, die Stimmen sind eben in die Jahre gekommen und alles wird eine Oktave tiefer gesungen. Freundschaft. Schaut man sich so manche große Bands heutzutage einmal genauer an, stehen da keine Freunde mehr auf der Bühne, sondern Kollegen – oder besser: Geschäftspartner. Auf die Betonung dieser Freundschaft legen vor allem Sänger Sebastian Krumbiegel und Tobias Künzel besonderen Wert. Teilweise seit 50 Jahren geht man sich nun schon auf die Nerven und gemeinsam durch dick und dünn. Was sich für mich mit jedem Song, den ich nicht kenne herauskristallisiert, ist die Tatsache, dass ich wirklich nur mit den mir bekannten Songs etwas anfangen kann. Und auch im Rest der Halle wird es bei neueren Songs überraschend still. Nach ihren großen vier bis fünf Hits und der Trennung von ihrer Produzentin Annette Humpe wurden kaum noch „coole Songs“ veröffentlicht. 

Die Prinzen in der Prosche Arena, Stuttgart.
Foto: Madita Nair

Um so befreiender und belebender sind dann die Momente der Hits, wie bei „Alles nur geklaut“, wenn sich die Halle lebendig zeigt, sich erhebt und mittanzt. Die Jungen und die Alten. Mit den Handylichtern schwingend und blinkenden Krönchen auf den Köpfen tragend. In diesen Momenten wirkt auch die Band am euphorischsten, frischesten und weniger starr als beim Performen unbekannterer Songs. Interessant sind die kleinen und großen Anekdoten zwischen den Songs. Die sich als schwierig gestaltende Suche nach einem Schlagzeuger, um den Sprung von einer Acappella-Gruppe hin zu echten Popstars zu schaffen. Man nimmt sich oft auch selbst auf die Schippe und macht sich des Öfteren über das bereits erreichte Alter lustig. So muss Sebastian Krumbiegel für „Immer auf mich zählen“ allein am Klavier performen, weil er laut eigener Aussage der „noch“ fitteste der Band ist und der Rest hinter der Bühne unter die Sauerstoff-Zelte muss. Den Song widmet er jedem. Der Frau, der Freundin, von der diese nichts weiß, den Eltern und Freunden, den Kindern. Und heute Abend einem kleinen Mädchen, als Dankeschön für einen tollen Fanbrief. 

Ich werde mich nach diesem Konzert mit Sicherheit nicht weiter mit den Prinzen beschäftigen. Werde mich aber dennoch immer wieder über ihre Hits meiner Kindheit freuen, wenn sie irgendwo dafür gefeiert werden oder Teil einer Party-Setlist sind. Was ich von diesem Abend mitnehme und was hoffentlich jeder mitnimmt, sind die Werte, die die Prinzen versuchen zu vermitteln. Allen voran die Freundschaft, der Zusammenhalt, wenn es auch mal durch weniger lustige Zeiten geht und den Willen, nie den Spaß zu verlieren und die Motivation, die alles ins Rollen gebracht hat. Danke für die Songs, die ich kannte und danke für den Gedanken, dass Bands, die riesige Hallen füllen, auch nach 30 Jahren noch Freunde sein können, die sich auch abseits der Bühne offen in die Augen sehen können, ohne vorher mit den Anwälten zu kommunizieren.

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