DOTA, 10.11.2023, Theaterhaus, Stuttgart
Mords was los heut im Theaterhaus… Vier parallele Veranstaltungen, so viele Individuen und Bedürfnisse … Nach einigen Irrungen und Wirrungen finde ich dann doch noch, wo ich hingehöre. Das „große Haus“, Halle 1, ist ausverkauft: Dota sind auf Tour mit dem Album „In den fernsten der Fernen“, auf dem die Band um Dorothea Kehr Gedichte von Mascha Kaléko vertont hat.
Mit dabei sind Duettpartnerin und Klarinettistin Wencke Wollny alias Karl die Große (mit wunderbar samtiger Stimme), Janis Görlich (Schlagzeug, sieht aus wie der junge David Lynch), Jan Rohrbach (E-Gitarre), Jonas Hauer (Keyboard, „hält den Laden hier zusammen“ laut Frontfrau), sowie ein hervorragender Posaunist, dessen Namen sich die Autorin leider nicht notiert hat und dessen Identität trotz intensiver Recherche leider im Dunkeln bleibt (Hinweise willkommen).
Die Gedichte Mascha Kalékos sind geprägt von ihren Erfahrungen von Flucht und Exil, musste sie doch 1938 vor den Nazis nach New York flüchten. Trotz dieser existenziellen und tieftraurigen Anlässe haben die Texte nichts Sentimentales und es schimmert immer wieder eine ironische und auch komische Note durch das Grau in Grau des Himmels.
Angesichts der momentanen Weltlage besitzen die Gedichte eine durchaus traurige Aktualität, das lyrische Ich beschreibt die Gedanken des Kindes so:
Er denkt, was ich in seinem Alter dachte: Dass, wenn die Kriege aus sind, Frieden sei.
Bei Worten, die sehr stark sind, ist es vielleicht folgerichtig, dass die Musik der Band mir dabei eher unaufdringlich vorkommt und teilweise fast in den Hintergrund rückt. Dota untermalt die Texte mit einer Mischung aus Jazz, Folk, Singer-Songwriter-Sound und Bossa Nova.
Am Ende des Abends (der geteilt wird durch eine etwas künstlich wirkende Pause, die meinem Hintersitzer zufolge lediglich den Sinn der Umsatzsteigerung an der Bar hat. Im Geiste gebe ich ihm recht und begebe mich dann doch ohne Umwege direkt dorthin) folgt die sogenannte „Kür“ in Form von eigenen Songs der Band. Das Publikum folgt erst zögerlich, dann aber doch vollzählig der Idee, dass „nur weil da Sitze sind“, das ja nicht heißt, dass man die ganze Zeit drauf sitzen muss. Es wird getanzt und gewippt, so wie der Platz es zulässt, und zwar zu „Warten auf Wind“, „Das Wesen der Glut“, „Für die Sterne“, „Bademeister*in“ und natürlich „Rennrad“.
Dotas Songs sind politisch auf eine unaufdringliche Art, niemals belehrend und haben einen liebevollen Blick auf die Wirrungen der jeweiligen Protagonisten. Bei „Wir rufen dich, Galaktika“ gibt es eine (erneute) Aufforderung zum Singalong, der das Publikum (erneut) gerne nachkommt. In der Anrufung an eine fiktive, ferne Macht, die uns doch bitte retten möge, entsteht ein wohliges Wir-Gefühl. Seelige Illusion.