BAR ITALIA, 16.11.2023, Manufaktur, Schorndorf

Die Band Bar Italia im Club Manufaktur in Schorndorf.
Foto: Thomas Sommer

Die Band Bar Italia, der aktuelle Postpunk-Hype aus London, ist mit ihrem aktuellen Album, das bereits zweite in diesem Jahr, auf Deutschlandtour. Zugegeben, die drei Musiker*innen sind erst vor kurzem an meinem musikalischen Ereignishorizont aufgeploppt, sie haben mich aber dafür sofort mit ihrem Sound überzeugt. Ein Sound der teilweise an die frühen Sonic Youth erinnert, der schnörkellos ist, in Teilen geradezu roh. Hier werden klangliche Strukturen dekonstruiert und neu zusammengesetzt. Ein gänzliches Abdriften in die Kakophonie findet trotz allem nicht statt, den Tracks bleibt eine gewisse Eingängigkeit erhalten, ohne jedoch in den Verdacht zu geraten, es dem Hörer allzu leicht machen zu wollen. Entsprechend gespannt war ich daher auf ihren Gig in der Manufaktur.

Die Band Bar Italia im Club Manufaktur in Schorndorf.
Foto: Thomas Sommer

Trotz des Bahnstreiks und den dadurch bedingten S-Bahn Ausfällen auf der Strecke nach Schorndorf, ist die Manufaktur gut besucht. Das Publikum reicht vom zwanzigjährigen Indie/Alternative und Punk Hörer, bis zum arrivierten Konzertgänger. Die Vorfreude scheint groß zu sein, auch schon vor dem Konzertbeginn ist der Merchstand ziemlich gut frequentiert. Um 21 Uhr kommt die Band, live zum Quintett angewachsen, ohne jegliche Ansage auf die Bühne. Sofort herrscht im Publikum erwartungsvolle, geradezu respektvolle Stille. Nach den ersten Minuten weicht allerdings meine anfängliche Vorfreude leichter Enttäuschung.

Die fragile Stimme der Sängerin Nina Cristante kommt im Wechselgesang mit den Gitarristen Jezmi Taril Fehmi und Sam Fenton, leider nicht zum Tragen, sie geht im Gesamtsound unter. Dies stellt ein Problem dar, ist doch dieses Wechselspiel der Stimmen von großer Wichtigkeit für die Charakteristik und eigentümliche Spannung, die die Musik von Bar Italia auf ihren Alben so überzeugend zu erschaffen weiß. Auch die kühle Rohheit, welche die Musik so klar strukturiert, ist am Anfang nur spärlich vorhanden und dies obwohl die Gitarrenarbeit wirklich gut ist und Vergleiche mit Genregrößen wie Pavement, oder die bereits anfangs erwähnten Sonic Youth, nicht zu scheuen braucht. 

Die Band Bar Italia im Club Manufaktur in Schorndorf.
Foto: Thomas Sommer

Hier zeigt sich, dass die Band ganz eindeutig ihre Wurzeln im Indie und Alternative Rock der Neunziger hat, ohne aber diese Stile einfach nur zu kopieren. Sie fügen neue, eigene Elemente hinzu und transportieren den Sound ins Heute.  Im weiteren Verlauf differenziert sich der Sound glücklicherweise etwas aus, die Dynamik nimmt zu und der Sound wird treibender, was vom Publikum in den ersten Reihen mit zunehmender Ausgelassenheit honoriert wird. Leider ändert das nichts an der extrem zurückhaltenden Bühnenpräsenz, die Musiker*innen sind in sich selbst versunken und scheinen das Publikum kaum wahrzunehmen.

Ist es Coolness, Schüchternheit, oder wollen sie damit ihrem Konzept der mystischen Band gerecht werden, von der kaum Bilder existieren und die so gut wie nie Interviews gibt? Ab der zweiten Hälfte, nach dem Song “Nurse“, wird die Musik zwingender, die musikalischen Qualitäten der Band kommen mehr zum Vorschein und der Bass gewinnt an Dominanz; die Stimme von Nina Cristante ist nun prägnanter und die wechselseitigen Gesangparts sind klarer und stimmiger, was zu einer zunehmenden Sogwirkung führt. 

Die Band Bar Italia im Club Manufaktur in Schorndorf.
Foto: Thomas Sommer

Nach einer Stunde verlässt die Band grußlos die Bühne, um nach einigen Minuten für eine Zugabe von einem Song wieder zurückzukommen. Dieser Song ist druckvoll und energetisch mitreißend, Cristante zeigt nun eindrucksvoll die bisher schmerzlich vermisste Präsenz. Ach, wäre doch nur der gesamte Konzertabend in dieser Qualität gewesen, es hätte großartig werden können. Auch wenn mich die zweite Konzerthälfte wieder versöhnlich gestimmt hat, es der Musik gelang mich mitzunehmen, mich zu packen, so ließ mich das Konzert doch in einer sehr ambivalenten Stimmung zurück, die Band blieb leider immer wieder hinter ihren Möglichkeiten zurück.

Wenn man sich ihre Alben anhört, dann zeigt sich, dass Bar Italia großes Potenzial hat. Für die Zukunft gilt es nun, dieses Potenzial durchgängig auf der Bühne umzusetzen. Ich bin gespannt…

2 Gedanken zu „BAR ITALIA, 16.11.2023, Manufaktur, Schorndorf

  • 19. November 2023 um 19:40 Uhr
    Permalink

    Hatte vorher noch nie etwas von der Band gehört und die Karten für das Konzert geschenkt bekommen. Im Vorfeld hatte ich nur einen Video angeschaut und aufgrund von diesem Video war ich dann ziemlich gespannt auf das Konzert. Nach den ersten Liedern machte die „Gespanntheit“ der Enttäuschung Platz. Tolle Lieder, gespielt von tollen Musikern … „verhunzt“ von der Sängerin. Das was du „fragile Stimme“ nennst, nahm ich als „kann absolut nicht singen“ wahr. Die Sängerin traf kaum einen Ton und „eierte“ sich durch ihre Gesangsparts. Ich war immer wieder froh, wenn der linke Gitarrist zu singen begann, denn der konnte es im Vergleich zu der Sängerin (und auch dem rechten Gitarristen) wenigstens ganz ordentlich. „Gruselig“ nannte es meine Begleiterin und auch die Meinungen der Umstehenden („Boah, wie singt die denn?“, „Ist sie erkältet?“, „Disgusting girl“) gingen in die Richtung. Vielleicht gehört dieses „Non-singing“ zum Plan der Band, die Lieder hätten aber eine ordentliche Sängerin verdient. Schade!

  • 3. Dezember 2023 um 13:44 Uhr
    Permalink

    Danke für die Konzert-Kritik, die sich mit meinem Eindruck nahezu 100%-ig deckt. Ich kam zuerst auch „nicht rein“. Singen können meiner Meinung nach alle drei nicht. Aber hey, das ist Lo-Fi und das muss so :-)
    Auch die null-Interaktion-mit-dem-Publikum-Einstellung ist gewöhnungsbedürftig – die spielen halt ihre Rolle auf der Bühne. Im großen und ganzen hat’s mir am Ende aber doch gefallen. Die dürfen gerne wiederkommen und werden hoffentlich nicht weichgespülter

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

I accept that my given data and my IP address is sent to a server in the USA only for the purpose of spam prevention through the Akismet program.More information on Akismet and GDPR.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.